„Man sollte nie den Blick für Ungerechtigkeiten verlieren“: Frederik Fleig im MADS-Interview
In der ZDF-Serie „Plan b“ reist Host Frederik Fleig zu Menschen, die mit kleinen Ideen Großes verändern wollen. Im Interview erzählt er MADS-Autorin Tara Yakar, welche Idee ihn am meisten beeindruckte und wie jede Person der Gesellschaft einen Beitrag für eine bessere Welt leisten kann.
Frederik, in der Serie „Plan b“ geht es darum, Europa nachhaltiger und besser zu machen: Welche der vorgestellten Lösungen hat dich am meisten beeindruckt?
Meine Lieblingsidee war die aus Frankreich. Da ging es darum, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, indem ein Gesetz etabliert wurde, das Supermärkte verpflichtet, ihre Lebensmittel nicht einfach schlecht werden zu lassen. Die war toll, weil sie so einfach war. Wenn du siehst, dass zum Beispiel die Tomaten in drei Tagen matschig werden, kannst du nicht einfach die Zeit abwarten und schauen, ob sie noch verkauft werden, sondern du musst dich aktiv damit beschäftigen, ob die Sachen nicht noch anders weiterverarbeitet werden können.
Der Visionär, den wir in der Serie getroffen haben, sammelt die ganzen Lebensmittel dann ein, fährt in eine riesige Küche und verarbeitet sie dort dann zu Marmeladen, Eintöpfen und mehr. Lebensmittel, die eigentlich nur noch ein paar Tage haltbar wären, sind dann plötzlich wieder mehrere Monate haltbar.
Zur Person: Frederik Fleig ist in Freiburg und Hannover aufgewachsen, bevor er für sein Journalismus-Studium nach Köln zog. Inzwischen lebt er als Journalist und Moderator in Hamburg. Angefangen hat er seine Karriere beim Radiosender 1LIVE. Inzwischen arbeitet er für den öffentlich-rechtlichen Youtube-Kanal Y-Kollektiv vor der Kamera, und ist Moderator der SWR-Sendung „Ausgesprochen Geil“.
Gab es auch Projekte, die schwieriger umsetzbar waren?
Das war der Zug der Zukunft, der auf einer Magnettechnik basiert. Unter einem Güterwaggon wurde eine Magnetplatte verlegt und ins Gleisbett eine Elektrokabelverbindung, mit der man elektrische Schaltkreise starten kann. Wenn der dann aktiviert wird, wird der Zug automatisch nach vorne gezogen. Das machst du dann immer wieder, sodass du eigentlich gar keine Lok mehr brauchst. Solche Züge können über 500 km/h fahren und schweben quasi über dem Gleis. Das war super spannend, aber auch eine Idee, bei der wir uns unsicher mit der tatsächlichen Umsetzbarkeit waren.
Was waren Herausforderungen bei der Recherche?
In sechseinhalb Wochen quer durch Europa zu reisen war logistisch für das ganze Team ein riesengroßer Aufwand. Abgesehen davon war es für mich persönlich ungewohnt, mich auf das Positive zu fokussieren. Ich komme eigentlich aus dem „Problem-Fokus-Journalismus“. Deshalb habe ich mich am Anfang noch voll auf mögliche Probleme fokussiert und musste mein journalistisches System erst mal auf einen Positiv-Fokus umstellen. Das hat auch geklappt, und irgendwann habe ich gemerkt, wie viele tolle kleine und große Storys man überall vor der Nase hat.
Was sind momentan die größten Probleme, mit denen Europa zu kämpfen hat?
Das sind natürlich viele. Corona, Ukraine, Israel-Gaza. Wer bin ich, das zu sagen? Für mich ist es aber ehrlicherweise der gesellschaftliche Bruch. Letztes Jahr habe ich für einen Podcast vom WDR recherchiert zur Silvesternacht in Köln, wofür ich mich viel auf Facebook herumgetrieben und mit vielen Leuten außerhalb meiner Bubble geschrieben habe. Das war krass. Ich hatte in vielen Diskussionen das Gefühl, dass man gar nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen konnte. Die Sichtweisen gingen so stark auseinander, dass man es gar nicht mehr geschafft hat, miteinander zu reden. Das sehe ich immer häufiger und das macht mir persönlich Sorgen, was das für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben kann. Und dann ist da natürlich der Klimawandel. Ich glaube, es gibt kein Thema, was momentan größer ist.
Was kann jeder einzelne von uns tun?
Es ist schwierig, als einzelner Mensch die ganze Welt zu verändern, aber trotzdem kann jeder kleine Schritte gehen. Egal, ob auf dem Markt, der Arbeit oder in der Stadt. Man kommt ja den ganzen Tag mit Menschen in Verbindung. Man darf nicht aufhören, mit Menschen zu sprechen, nur weil man nach dem ersten Satzaustausch denkt, dass die andere Person komisch ist. Es ist unglaublich wichtig, auch den Blick für die Probleme anderer Menschen zu bewahren. Klar hat jeder seine eigenen Probleme, aber es ist eben auch wichtig, die Probleme anderer ernst zu nehmen. Das ist auch eine große Herausforderung der Politik momentan.
Viele von uns in der westlichen Welt genießen Privilegien. Wie sollte man am besten damit umgehen?
Man sollte nie den Blick für Ungerechtigkeiten verlieren. Seit ich in dem Beruf arbeite, gehe ich Themen wie Ungerechtigkeiten oder Ausbeutung an. Das fängt schon bei unseren Klamotten an, die günstig sein sollen, was auf Ausbeutung basiert. Als Journalist hat man da einen kleinen Hebel. Aber auch im Journalismus gibt es das Thema Ungerechtigkeit. Allein um Journalist zu werden, muss man viele unbezahlte Praktika machen, und das kann sich wiederum nicht jeder leisten.
Durch deine Arbeit warst du schon an vielen Orten auf dieser Welt und hast dazu beigetragen, dass Missstände aufgedeckt werden. Welche Recherche ging dir am nächsten?
Als ich in Kambodscha zu pädophilem Sextourismus recherchiert habe. Ich habe mich gefragt, wie es sein kann, dass Touristen aus Deutschland einfach so nach Kambodscha reisen können und im Urlaub Kinder vergewaltigen und dann zurück nach Deutschland kommen, als wäre nichts gewesen. Das war die intensivste Recherche meines Lebens.
Was ich auch beeindruckend fand, war die Recherche in Äthiopien, als ich mich als Investor getarnt in Textilfabriken geschlichen habe. Da habe ich viel Respekt vor den jungen Näherinnen gewonnen, die mit so einer Lebensfreude in den Tag gehen, obwohl sie wissen, dass sie für ihre harte Arbeit nur zwei Euro am Tag bekommen. Da dachte ich mir: „Von der Person kannst du dir eine Scheibe abschneiden.“
Was stört dich am Journalismus?
Die Unsicherheit und das Auf und Ab als Freiberufler. Auch wenn ich mich aktuell nicht in einer Festanstellung sehen würde. Ansonsten bin ich zwar ein öffentlich-rechtliches Kind, aber ich wünsche mir, dass die Strukturen dort etwas anders wären, dass man der Kritik nicht so viel Angriffsfläche geben würde. Damit meine ich zum Beispiel veraltete Strukturen und Sendermodelle mit Content, den die junge Zielgruppe eigentlich gar nicht gucken möchte. Umso mehr freue ich mich, mit „Plan b“ jetzt ein Projekt umzusetzen, das auch jüngere Zielgruppen anspricht und mit neuen Ansätzen versucht, einen positiven Unterschied zu machen.
Die zweiteilige Serie „Plan b“ ist seit dem 21. Mai in der ZDF-Mediathek zu sehen und erscheint am 25. Mai und 1. Juni jeweils um 17.35 Uhr im TV.
Von Tara Yakar
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