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Diese 23-Jährige hat schon 100 Kinder auf die Welt gebracht

Diese 23-Jährige hat schon 100 Kinder auf die Welt gebracht
Foto: Privat

Laura Koeke ist erst 23 Jahre alt, hat aber schon etwa 100 Kinder auf die Welt gebracht. Die junge Niedersächsin arbeitet als Hebamme in einem Kölner Krankenhaus. Warum sie trotz wenig Gehalt, viel Verantwortung und jeder Menge Tränen trotzdem ihren Traumberuf gefunden hat, erzählt sie unserem Jugendportal MADS.


Laura Koeke liegt in ihrem dunkelgrünen Krankenhauskittel rücklings auf dem Boden. Sie stützt ihre Hände in die Hüfte und streckt die Füße wie bei einer Kerze in die Luft. Dann schaut sie auffordernd zur hochschwangeren Frau neben ihr.
Laura bietet nicht etwa Yoga für Patientinnen an, sondern arbeitet in einem Kölner Krankenhaus als Hebamme. Nach ihrer dreijährigen Ausbildung im Universitätsklinikum Gießen kümmert sie sich seit April um die Vorsorge Schwangerer, begleitet sie durch die Zeit nach der Geburt, das sogenannte Wochenbett, leitet normale Geburten – und versucht manchmal auch komplizierte mit einfachen Mitteln zu lösen. Wie in diesem Augenblick. „Das Köpfchen ist falsch in das Becken eingetreten. Um es doch noch in die richtige Position zu bringen, mache ich mit den Schwangeren bestimmte Übungen. Ansonsten droht der Kaiserschnitt“, erklärt sie – mit 23 Jahren.

Hebammen sind Kulturerbe

Der Beruf der Hebamme ist einer der ältesten der Welt. 2016 wurde er durch die UNESCO in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Jedes Jahr starten laut dem deutschen Hebammen-Verband (DHV) etwa 1000 Hebammen in den Beruf. In der Ausbildung war Geburtshilfe Lauras Lieblingsfach. „Es ist spannend, wenn man in der Theorie solche Turnübungen lernt, anwendet – und sie dann auch in der Praxis funktionieren“, sagt sie. Doch die Arbeit als Hebamme umfasst viel mehr als nur die Geburt: „Die macht vielleicht 30 Prozent des Berufs aus und ist nur die sichtbare Spitze des Eisberges.“

Laura ist 23 und arbeitet als Hebamme.

Deshalb musste Laura während ihrer Ausbildung neben der praktischen Geburtshilfe auch Fächer wie Anatomie, Staatsbürger- und Gesetzeskunde, Arzneimittellehre, Wochenbett oder Pädiatrie belegen. Schul- und Praxisphasen wechseln sich dabei ab: „Ich war vier bis fünf Wochen in der Schule und anschließend drei Monate oder sogar länger auf Station“, erklärt die gebürtige Niedersächsin. Das heißt: im Kreißsaal, der gynäkologischen OP, in der Kinderklinik und auf der Schwangeren- und Wochenbettabteilung mitlaufen, lernen und helfen.

Hebammenausbildung: Wenig Geld, viel Verantwortung

Insgesamt gab es 2017 rund 24 000 praktizierende Hebammen in Deutschland, die entweder freiberuflich oder angestellt in einer Klinik arbeiteten – viel zu wenig. Die Folge: 90 Prozent der Hebammen leisten Überstunden und können während ihrer Schicht keine Pause machen. Das ergab eine DHV-Umfrage unter angestellten Klinikhebammen. Bezahlt werden sie nach wie vor schlecht. 2018 lag das Einstiegsgehalt bei rund 1800 netto. „An sich ist das okay – aber nicht für die große Verantwortung, die man trägt und was man leisten muss“, findet Laura. Schließlich gehe es bei dem Beruf um Leben und Tod.

Ich kann genauso viel Empathie aufbringen, wie eine Hebamme mit Kind – das ist der entscheidende Punkt.

Laura Koeke, (23)
Hebamme

Dieser Gedanke machte Laura an ihrem ersten richtigen Arbeitstag beinahe verrückt. Was tun bei starken Blutungen oder abnehmenden Kindsbewegungen? „Es gingen mir so viele verschiedene Szenarien durch den Kopf. Auch, wie ich als junge und unerfahrene Hebamme rüberkomme“, erzählt sie. Mit gerade einmal 23 Jahren ist sie deutlich jünger als die deutsche Durchschnittsfrau, die im Alter von 30 Jahren ihr erstes Kind bekommt. Doch wie viele Kinder eine Hebamme hat, sei nicht entscheidend, ob sie gut in ihrem Job ist. „Ich kann genauso viel Empathie aufbringen wie eine Hebamme mit Kind – das ist der entscheidende Punkt“, glaubt Laura.

Statt eines üppigen Gehalts bekommt Laura viele glückliche Momente und maximale Abwechslung während der Früh-, Spät- oder Nachtschicht. „Das kann vermutlich nicht jeder von seinem Beruf behaupten“, erklärt sie, jeder Tag sei anders. Zwar beginnt er stets mit der Übergabe, bei der ihr der Vordienst erzählt, was passiert ist und welche Geburten anstehen, doch danach ist alles offen. Laura teilt mit den anderen die Aufgaben auf, stellt sich bei den Gebärenden vor, dokumentiert und kümmert sich um ihre Bedürfnisse – und die sind jedes Mal anders.

Hebamme – ein Beruf mit vielen Tränen

Einmal kam eine panische Frau in den Kreißsaal, deren Baby im Bauch sich immer weniger bewegte. Laura kümmerte sich um sie, tastete ihren Bauch ab – und das Kind trat. „Als die Frau vor Glück weinte, musste ich fast mitweinen“, erzählt sie lächelnd. Doch gibt es auch die andere Seite. Laura war dabei, als ein Notkaiserschnitt in der 22. Woche das Kind nicht retten konnte oder eine Zwillingsmutter eine Fehlgeburt hatte: „Diese Situationen nehme ich mit nach Hause und muss sie selbst verarbeiten.“ Nicht nur, doch gerade in diesen Situationen müssen Hebammen für die Frauen da sein, das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Sie erklären Techniken, durch die sich Wehen besser aushalten lassen, halten Hände und sind die Vertrauensperson, die ihnen Sicherheit gibt und den Weg weist – im Optimalfall. In der Realität betreuen die Hälfte der Befragten der DHV-Umfrage häufig drei Frauen parallel, jede Fünfte sogar vier oder mehr.

Trotzdem hat sich Laura für die Herausforderung Hebamme entschieden. „Es ist schön, Familien in dieser Zeit zu begleiten und so viel Vertrauen geschenkt zu bekommen. Und: Nichts ist interessanter als ein neues Leben“, sagt sie lächelnd.

Von Helena Fischer


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Über den Autor/die Autorin:

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