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Kommentar: Rechtfertigungen von Hubert Aiwanger senden falsches Signal an junge Menschen

Kommentar: Rechtfertigungen von Hubert Aiwanger  senden falsches Signal an junge Menschen
Foto: Matthias Balk/dpa

Bayerns Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger hat die Vorwürfe, in seiner Jugend ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben, von sich gewiesen. Verantwortung übernimmt der Chef der Freien Wähler aber nicht, kommentiert MADS-Autor Tim.


Hubert Aiwanger versichert der Öffentlichkeit, dass er „seit dem Erwachsenenalter“ kein Antisemit und kein Extremist sei. Die Jugendzeit dagegen könne „so oder so interpretiert werden“. Der bayerische Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister stand nach Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ unter Verdacht, während seiner Schulzeit ein antisemitisches Flugblatt geschrieben und verteilt zu haben. Die Erklärung des heute 52-Jährigen: Sein Bruder soll das Pamphlet verfasst haben, das er wiederum nur im Schulranzen gehabt habe. Die Flugblattaffäre schlägt hohe Wellen, trotzdem hält Ministerpräsident Markus Söder (CSU) weiter an seinem Vize fest.

Aiwanger: Halbgare Reaktion auf Vorwürfe

Aiwanger reagierte nach viel öffentlichem Druck auf die Vorwürfe, ließ dabei jedoch alles vermissen, was man von einem seriösen Politiker erwarten kann. Statt sich aufrichtig zu entschuldigen, folgten Rechtfertigungen. Auch Parteikollegen und weitere Personen der Öffentlichkeit verteidigten Aiwanger: Wenn man ihn jetzt seines Amtes entheben würde, könnte man Aussteigerprogramme aus rechten Kreisen ja gleich sein lassen, heißt es. Es würde das falsche Signal senden. Dabei ist es doch genau andersherum.

Die ganze Affäre rund um den Politiker der Freien Wähler ist gerade in einem Land mit Deutschlands Vergangenheit gefährlich. Gerade an junge Menschen sendet der Umgang mit den Vorwürfen ein falsches Signal. Und das gleich aus mehreren Gründen:

Sicher: Alle machen in ihrer Jugend Fehler. Mit mehr Erfahrung und Reife schaffen es aber viele, diese Fehler zu erkennen und daraus zu lernen. Die Chance dazu sollte sollte Menschen nicht verwehrt bleiben, es ist ein großer Teil der Persönlichkeitsentwicklung.

Selbstviktimisierung statt Einsicht

Dazu gehört jedoch, die Fehler einzugestehen, Reue zu zeigen und sich angemessen zu entschuldigen. Aiwanger zeigte in den vergangenen Tagen nichts davon. Außerdem geht es in diesem Fall auch nicht um ein paar unbedachte Sprüche zwischen Freunden, sondern um das potentielle Verbreiten und Aufbewahren von Botschaften, die Aiwanger selbst gegenüber dem „Spiegel“ als „ekelhaft und menschenverachtend“ bezeichnete. Fehlendes Verantwortungsbewusstsein reichte Aiwanger wohl noch nicht, also bezeichnete er die Berichterstattungen und die darauffolgenden Rücktrittsforderungen an ihn als „mediale Hetzjagd“. Damit stellt er sich in der Angelegenheit nicht nur unschuldig, sondern auch als Opfer dar. An vieles will er sich nicht erinnern können, trotzdem bezeichnet er den Flugblatt-Vorfall als „einschneidendes Erlebnis“.

Aiwanger, Söder und Merz: Auf Volksfest gefeiert

Gerade in einem Land mit Deutschlands Vergangenheit sollte man meinen, dass solche Taten und Aussagen Folgen haben. Doch Aiwanger, Söder und Merz werden auf dem bayrischen Volksfest Gillamoos wie Freiheitskämpfer gefeiert. Die drei alten weißen Männer, die sich gegen die Cancel Culture stellen.

Was ist das für ein Signal, vor allem an junge Menschen? Was sollen sie daraus lernen? Wenn es nach Aiwanger und Söder geht, gibt es für Jugendsünden offenbar einen Freifahrtschein. Das signalisiert Heranwachsenden, dass Fehlverhalten keine Konsequenzen nach sich zieht.


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1 Kommentar

  1. Mads-Leserin

    Das sehe ich ganz genauso. Es ist unfassbar, was mittlerweile wieder sagbar ist in Deutschland. Ohne, dass Aiwanger hier karrieretechnisch Konsequenzen zu drohen scheinen.
    Umso wichtiger finde ich es, dass das Dritte Reich besonders in der Schule thematisiert wird und mit verpflichtenden Besuchen von Gedenkstätten einhergeht, die die Gräueltaten der Nazis sichtbar machen.
    Menschen wie Aiwanger scheint es auch völlig egal zu sein, was diskriminierte Minderheiten auch heutzutage an Diskriminierung erfahren. Hauptsache, man(n) ist „bayerisch“, trinkt im Oktoberzelt sein Bier und verhält sich seiner Ansicht nach „deutsch“, was auch immer das sein mag.
    Hoffentlich kriegt er bei den nächsten Wahlen in Bayern die Quittung für sein Handeln.

    Antworten

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