„Ich sehe keinen Grund, mich impfen zu lassen“: Funktioniert Präsenz-Uni ohne Impfung?
Zum Wintersemester starten viele Unis mit dem 3-G-Prinzip in die Präsenzlehre. Corona-Tests sind ab dem 11. Oktober allerdings nicht mehr kostenlos erhältlich. Studierende, die die Impfung ablehnen, stehen vor einem Problem. Zwei Studentinnen berichten.
Im Oktober startet für viele junge Menschen nach drei Onlinesemestern wieder die Präsenzlehre an den Unis – zumindest in Teilen. „Die wichtigste Voraussetzung für den Präsenzbetrieb ist eine möglichst hohe Impfquote bei den Studierenden“, sagte Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Laut offizieller Impfquotenstatistik des RKI haben bis Anfang Oktober knapp 80 Prozent der über 18-Jährigen eine erste Dosis bekommen, gut 75 Prozent bereits die zweite. Es wird davon ausgegangen, dass „bis zum neuen Semesterstart knapp 90 Prozent der Studierenden geimpft sind“, so Alt.
Studierende fordern 2-G-Regel
Doch es gibt auch Studierende, die nicht geimpft sind. Eine von ihnen ist Marie (Name von der Redaktion geändert). Sie studiert Film in Kiel – und das bislang nur online. Seit Beginn des Masterstudiums hat sie kein einziges Mal den Campus ihrer Universität betreten. Zwar möchte sie unbedingt in die Präsenzlehre zurückkehren. Impfen lassen will sie sich dafür aber nicht. „Ich habe mich gegen die Impfung entschieden, weil ich keinen Grund sehe, mich impfen zu lassen. Da ich noch relativ jung bin und nicht zur Risikogruppe gehöre, sehe ich keine Notwendigkeit für mich“, sagt die 23-Jährige.
Mit ihrer Entscheidung gegen die Corona-Impfung könnte es aber im nun anstehenden Semester sehr schwierig für Marie werden. So forderte Jonathan Dreusch, Vorstandsmitglied im „Freien Zusammenschluss von Student*innenschaften“ (FZS), bereits im Gespräch mit dem RND, dass „Präsenzveranstaltungen nur für Geimpfte, Genesene und Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, angeboten werden sollten“.
„Die Impfung ist für mich noch nicht ausgereift genug“
Studentin Marie betont, dass sie Corona durchaus ernst nehme. „Ich finde auch das Impfangebot für Risikogruppen nicht schlecht, da diese besonders gefährdet sind und entsprechend geschützt werden sollten. Der Rest der Bevölkerung sollte aber nicht gezwungen werden, sich impfen zu lassen.“ Ähnlich wie Marie geht es auch Kaja (Name geändert), ebenfalls 23 Jahre alt, die in Magdeburg studiert. Kaja ist skeptisch, will zunächst noch auf neue Impfstoffe warten, etwa auf Novavax. „Ich bin offen für die Impfung, aber nicht mit den Impfstoffen, die momentan auf dem Markt sind“, sagt sie. Die seien ihr noch nicht sicher genug. „Bei jedem Impfstoff gab es bisher Komplikationen. Die Impfung ist für mich einfach noch nicht ausgereift genug.“
Die Familien der beiden Studentinnen akzeptieren ihre Entscheidungen. In Kajas Freundes- und Familienkreis sind fast alle geimpft, dennoch verstehen sie Kajas Beweggründe. Ihre Kommilitonen wiederum nicht, sie muss sich immer wieder rechtfertigen. Maries Eltern sind genau wie sie nicht geimpft.
Impfpflicht ja oder nein?
Die Forderung nach einer Impfpflicht, wie sie etwa der FZS stellt, ist für Kaja und Marie nicht vertretbar. „In einem demokratischen Land wie Deutschland sollte die Regierung der Bevölkerung nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Körper tun soll“, sagt Marie. Sie betont, dass sie weiterhin Abstand halte und ihre Hände desinfiziere, um sich und andere vor dem Virus zu schützen. Kaja wiederum lässt sich regelmäßig testen. „Es ist aktuell immer noch die einzige Maßnahme, die wirkliche Sicherheit bietet“, meint sie.
Kaja ist auch davon überzeugt, dass das Modell der Präsenzlehre veraltet ist. „Man sollte aus den Erfahrungen, die wir in den vergangenen anderthalb Jahren gemacht haben, eine Lehre ziehen und Hybridvorlesungen anbieten.“ Dem widerspricht HRK-Präsident Alt. Zwar sollen große Vorlesungen weiterhin online stattfinden, doch es sei nicht möglich, „für Studierende, denen es nicht möglich ist, an Präsenzveranstaltungen teilzunehmen, eine zusätzliche digitale Lehre anzubieten“.
„Zwangsimpfung durch die Hintertür“
Wenn diese Option ausgeschlossen ist, bleibt nur die 3-G-Regel. Die Studentinnen müssten also jedes Mal, wenn sie eine Vorlesung besuchen wollen, einen Test zahlen. Marie hält das für eine „Zwangsimpfung durch die Hintertür“. Auch dass sich Geimpfte nicht mehr testen lassen müssen, halten beide Studentinnen für unsinnig. Schließlich können auch Geimpfte das Virus übertragen.
Beide Frauen würden sich wünschen, dass ihrer Entscheidung mehr Verständnis entgegengebracht wird. Marie kritisiert, dass Ungeimpfte in der Öffentlichkeit stigmatisiert würden. Sie weiß noch immer nicht, wie sie mit der Situation umgehen soll. „Ich habe schon von anderen gehört, dass sie deshalb ihr Studium sogar abbrechen wollen“, sagt Marie. „Letztendlich sind das die zwei Optionen für Ungeimpfte: sich impfen lassen oder nicht studieren können.“
Das sieht auch Kaja so – weshalb sie sich nun doch noch vor Semesterbeginn impfen lassen hat. Mit dem Impfstoff von Biontech, da die Novavax-Zulassung für sie zu lange gedauert hat. „Es ist halt echt schwierig, das aufrechtzuerhalten, weil ich viel unternehme“, sagt sie. „Ich bin schon dem Druck erlegen.“
Von Alexandra Schaller
Mich würde mal interessieren, wieso die verfügbaren Impfstoffe, die millionenfach verabreicht wurden, als nicht ausgereift betrachtet werden und stattdessen einen neuen Impfstoff, der noch keine Zulassung hat, mehr vertraut wird.
“Ihr Kommentar wartet auf Modertaion“ – da ist ein Buchstabendreher 🙂
Das war genau mein Gedanke… Novavax wird außerdem genauso wie Biontech auch im Rolling Review Verfahren geprüft. Ich frage mich, ob die Ungeimpften die jetzt auf den Intensivstationen liegen, auch so genau hinterfragen was sie dort alles bekommen?