Auf ihrem Account @seligkeitsdinge setzt sich die junge Pastorin Josephine für Body Positivity ein und kritisiert die Bibel: „Maria, die niemals Sex hatte, gilt als Vorbild für Frauen – das ist absolut patriarchalisch“. MADS-Autorin Jacky hat mit ihr über Social Media und Sex gesprochen.
Hi Josephine, warum machst du dein Leben als Pastorin auf Social Media öffentlich?
Wir wissen alle, wo Menschen unterwegs sind – im Internet. Wer hat noch Lust, Sonntag morgen zum Gottesdienst zu gehen? Social Media ist ein anderer Verkündigungsort für die Message der Kirche. Hier sehen die Leute: Ich bin keine heilige Pastorin, sondern mega menschlich. Ganz anders, als das Pfarrbild sonst gezeigt wird. Hier gibt es keine Schwelle und die Leute kommen direkt auf mich zu.
Wie können wir uns das vorstellen?
Ich kriege richtig viele Nachrichten am Tag mit persönlichen Anliegen und Fragen. So viele, dass ich sie gar nicht beantworten kann. Weil ich mich sehr nahbar auf Instagram zeige, vertrauen mir die Menschen enorm. Das ist ein großes Geschenk für mich. Gerade fange ich auch mit Tellonym an, das ist eine anonyme telefonische Seelsorge.
Du zeigst dich online ziemlich kritisch gegenüber der Kirche – wieso?
Die Kirche ist durch patriarchalische Strukturen geprägt. Auch die Bibel ist von Männern geschrieben. Man muss sich nur mal ansehen, wie Eva dargestellt wird oder Maria – als Vorbild für alle Frauen muss sie nicht einmal Sex gehabt haben, um ein Kind zu gebären. Wow. Dieses Bild wurde jahrelang weitergegeben. Männer haben höhere Positionen und die meisten Lehrstühle. Deshalb spreche ich auch oft Feminismus an, dabei geht es nicht nur um Frauen. Auch Transgender und Homosexuelle brauchen mehr Platz im kirchlichen Narrativ.
Warum bist du trotzdem Pastorin geworden?
Als Kind war ich viel in der Kirchengemeinde unterwegs und habe angefangen, Theologie zu studieren. Eigentlich wollte ich das Studium abbrechen, mir war das viel zu theoretisch. Dann ist mein Kind gestorben. Ich hatte eine Glaubenskrise, habe Gott dafür gehasst. Aber Gott war auch mein einziger Trost und ich dachte: Vielleicht ist das meine Aufgabe. Vielleicht kann ich Menschen trösten.
Wie kann Glaube denn zu Trost verhelfen?
Glaube macht Mut. Vor allem in einer Gemeinschaft. Besonders bei Zweifeln ist eine Glaubensgemeinschaft eine starke Stütze – das habe ich selbst erlebt. Auch Musik hilft, wieder Mut zu schöpfen.
Die Kirche macht also Mut?
Das sehe zumindest ich als meine Aufgabe an. Ich kann meinen Konfirmanden sagen, das alles richtig ist was sie sagen, weil es ihre Gedanken sind. Ich kann ihnen Zeit geben, in der sie nichts tun und nichts leisten müssen. So haben sie einen Ort, an dem sie genau sein können, wie sie sind – abseits des Drucks von sozialen Medien und der Gesellschaft.
Was muss die Kirche verändern, um abseits von Social Media attraktiv für junge Menschen zu sein?
Wir müssen uns fragen: Wie erreichen wir die Menschen zwischen 20 und 40 Jahren vor Ort? Damit meine ich nicht nur den Gottesdienst am Sonntag, sondern auch zu gestalten und zu feiern wie bestimmte Altersgruppen das auch mögen. Ich versuche das zum Beispiel das ganze Jahr lang mit Projekten. Dazu gehören eine Reise nach Auschwitz, Konzerte und Ausstellungen.