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Diese Pastorin bloggt auf Instagram für Feminismus und Digitalisierung

Diese Pastorin bloggt auf Instagram für Feminismus und Digitalisierung
Foto: instagram/@seligkeitsdinge

Auf ihrem Account @seligkeitsdinge setzt sich die junge Pastorin Josephine für Body Positivity ein und kritisiert die Bibel: „Maria, die niemals Sex hatte, gilt als Vorbild für Frauen – das ist absolut patriarchalisch“. MADS-Autorin Jacky hat mit ihr über Social Media und Sex gesprochen.


Hi Josephine, warum machst du dein Leben als Pastorin auf Social Media öffentlich?

Wir wissen alle, wo Menschen unterwegs sind – im Internet. Wer hat noch Lust, Sonntag morgen zum Gottesdienst zu gehen? Social Media ist ein anderer Verkündigungsort für die Message der Kirche. Hier sehen die Leute: Ich bin keine heilige Pastorin, sondern mega menschlich. Ganz anders, als das Pfarrbild sonst gezeigt wird. Hier gibt es keine Schwelle und die Leute kommen direkt auf mich zu.

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Eva und das Patriarchat. Oder: die Frau und die Sünde. Die Bibel ist ein patriarchal geprägtes Buch. Daran lässt sich nicht rütteln. Der Stempel, der ihr damit aufgedrückt ist nicht mehr rückgängig machen. Das führte dazu, dass unsere gesamte christliche Kultur- und Kirchengeschichte geprägt ist von einem ganz bestimmten Bild der Frau: sie ist eine Sünderin. Oder: Verführerin. Eva, als Prototypin dessen wird mit ihrer Nacktheit und Schönheit erotisiert. Kommt uns bekannt vor, oder? Und damit zur Gefahr für den Mann. Adam wird verführt, kann nichts dagegen tun, weiß nicht, wie ihm geschieht.(kommt mir auch bekannt vor!).Eva wird zur Verführerin stilisiert und von dort ist es nur ein kleiner Schritt, um die Frau grundsätzlich mit dem Bösen in Verbindung zu bringen. Eva als Frau mit einer sexuellen Begierde wird zum Eingangstor für das Böse für die Welt. Bumm. Da sind sie, die Argumente der Männer, die Frauen im christlichen Gottesdienst zurückdrängen zu können ( vgl. 1 Tim 2,9-15). Und das alles und viel mehr führte zu einer kirchlichen und gesellschaftlichen Nachordnung der Frau hinter den Mann. Wir alle können es spüren. Bis heute. Ob wir was mit Kirche zu tun haben, oder nicht. Aber! Der Verfasser dieses Bibeltextes, der meinte etwas ganz anderes, als die kirchlich- theologische Tradition dann daraus gemacht hat. Der sog. Schöpfungsbericht sagt vielmehr, dass Mann und Frau gleich sind! Beide sind gleichwertige Partner. Beide von Gott geschaffen. Beide auf einer Stufe. Nebeneinander. Und nach der Vertreibung aus dem Paradies? Da ist es faktisch nicht mehr so. Aber trotzdem so nicht von Gott gewollt. Btw: sie soll unter Schmerzen gebären, steht in der Bibel. Das ist eine Zustandsschilderung. Keine Strafe. Dem Verfasser dieser Textstelle geht es nicht um die Dämonisierung der Frau. Oder darum, sie klein zu machen, zurückzudrängen. Es geht ihm um die volle Menschlichkeit der Frau. Erst die frauenfeindliche Geschichte hat Eva den Platz der Sünderin zugewiesen. Und somit alle Frauen abgewertet. Ihnen bestimmte Rollen zugewiesen. Oder verweigert. Das Wort Gottes beinhaltet keine Unterdrückung oder Abwertung der Frau. Vor Gott sind wir alle gleich!

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Wie können wir uns das vorstellen?

Ich kriege richtig viele Nachrichten am Tag mit persönlichen Anliegen und Fragen. So viele, dass ich sie gar nicht beantworten kann. Weil ich mich sehr nahbar auf Instagram zeige, vertrauen mir die Menschen enorm. Das ist ein großes Geschenk für mich. Gerade fange ich auch mit Tellonym an, das ist eine anonyme telefonische Seelsorge.

Du zeigst dich online ziemlich kritisch gegenüber der Kirche – wieso?

Die Kirche ist durch patriarchalische Strukturen geprägt. Auch die Bibel ist von Männern geschrieben. Man muss sich nur mal ansehen, wie Eva dargestellt wird oder Maria – als Vorbild für alle Frauen muss sie nicht einmal Sex gehabt haben, um ein Kind zu gebären. Wow. Dieses Bild wurde jahrelang weitergegeben. Männer haben höhere Positionen und die meisten Lehrstühle. Deshalb spreche ich auch oft Feminismus an, dabei geht es nicht nur um Frauen. Auch Transgender und Homosexuelle brauchen mehr Platz im kirchlichen Narrativ.

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Ich sah sie. Und musste sie haben. Diese mega Jacke. Auf der so viel zu sehen ist, wofür ich stehen will. Und für die ich nun von Gläubigen angegangen werde. Wie ich diese Symbole, die Regenbogenfarben mit meinem Glauben vereinbaren kann, werde ich gefragt. Ich sag’s euch. Dass ich meinen gläubigen Geschwistern zeige, dass ich ihnen zur Seite stehe, wenn es sein muss. Dass ich im Dialog mit ihnen sein möchte. Das spricht mir doch nicht mein Christin sein ab. Gläubig sein, Religion ausüben, das ist ein Grundrecht in unserem Land! Wir alle wissen, wie stark Rassisten sind. Wie laut ihre Stimmen. Wut. Angriffe. Antisemitismus ist in vielen Regionen salonfähig! Anschläge auf jüdische Gläubige werden abgetan. Die #gamerszene ist schuld. Nicht Nazis, wird uns gesagt. Muslime werden auf offener Straße angegriffen. Es wird weggesehen. Queere Christ*innen in Gemeinde ausgegrenzt und beschimpft. Und ich soll mich fragen, wie ich diese Jacke mit meinem Glauben zusammenkriege? Ich bin so froh, dass es Menschen gibt, die für eine tolerante, offene Welt auf die Straße gehen und sich jeden Tag für Gerechtigkeit einsetzen. Ich möchte eine von ihnen sein. Auch durch meinen Glauben. Eine Gesellschaft ist viel stärker, wenn verschiedene Religionen Seite an Seite sein dürfen. Zufälligerweise wurde ich in einem Land geboren, in dem ich als Christin nicht verfolgt werde und ganz selbstverständlich meine Religion ausüben darf. Denkt doch mal an Christ*innen in anderen Ländern. Die verfolgt, bestraft, getötet werden. Wünschen wir uns für sie nicht auch ein Leben, in dem Freiheit möglich ist? Wieso also nicht für alle Gläubigen hier auch? Stellt euch nur vor was geschieht, wenn wir uns nicht mehr unter den verschiedenen Religionen anfeinden, sondern füreinander da sind. Wie klein der Hass der anderen dann ist gegen unsere Gemeinschaft aller Gläubigen. Denn wir alle, egal wie unser Gott heißt, wir reden von der Liebe! Lasst uns Liebe schaffen.Das ist einfach. Übrigens: wir können füreinander da sein, miteinander reden und trotzdem unterschiedlich sein. Nicht alles verstehen, was die anderen da glauben. Aber so ist das Leben. In jeder Beziehung, oder?

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Warum bist du trotzdem Pastorin geworden?

Als Kind war ich viel in der Kirchengemeinde unterwegs und habe angefangen, Theologie zu studieren. Eigentlich wollte ich das Studium abbrechen, mir war das viel zu theoretisch. Dann ist mein Kind gestorben. Ich hatte eine Glaubenskrise, habe Gott dafür gehasst. Aber Gott war auch mein einziger Trost und ich dachte: Vielleicht ist das meine Aufgabe. Vielleicht kann ich Menschen trösten.

Wie kann Glaube denn zu Trost verhelfen?

Glaube macht Mut. Vor allem in einer Gemeinschaft. Besonders bei Zweifeln ist eine Glaubensgemeinschaft eine starke Stütze – das habe ich selbst erlebt. Auch Musik hilft, wieder Mut zu schöpfen.

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Nö! Ich hör nicht auf! Noch nie habe ich so viele Rückmeldungen bekommen wie nach meinem letzten Post. Von „Frauen wie du sind der Grund, warum ihr keine Priesterinnen werden solltet!“ über „Was erzählst du da für einen Scheiß. Hab dich nicht so!“ bis hin zu äußerst hässlichen Penisbildern. Beste Beispiele für #metoo . Scheinbar haben es einige Menschen immer noch nicht begriffen. Wir werden immer stärker, je mehr ihr uns stoppen wollt. Wir lassen uns nicht mehr in Schubladen stecken. Wir lassen uns nicht abhalten von einem Leben, wie wir es führen wollen. Mit Karriere. Oder ohne. Mit Kindern. Oder keinen. Als Single. Oder für immer und ewig verheiratet. Und selbstverständlich mit allem, was es dazwischen gibt. Wir sind nicht mehr still und nehmen hin. Wir werden lauter, je mehr von uns gefordert wird, still zu sein. Ich hab mich so. Weil ich so bin. Für meine Kinder. Für die Menschen in meinem Leben. In meiner Gemeinde. Und auch für mich. Ich will Teil davon sein, unsere Welt zu verändern. Dabei bin ich in bester Gesellschaft, das liebe ich. Mehr noch. Ich kann auf viele Frauen in der Bibel schauen, die dort für sich selbst kämpfen, für ihre Kinder oder ein ganzes Volk. Auf Frauen, die so stark sind und leben, obwohl sie jahrelang Blutungen haben und aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Ich lese von alleinerziehenden Müttern, die von den Vätern verstoßen werden und solchen, die leiden, weil sie kinderlos bleiben. Von Judith, die einem Mann den Kopf abschlägt (bitte nicht nachmachen!).Von Frauen, die sich verlieben und dafür bestraft werden sollen. Von Frauen, die ihre Kinder verlieren und weiter machen müssen, niemand fragt wie. Wir sind das! Diese Frauen. Und wir kennen sie! Diese Frauen. Die Frauen aus der Bibel erzählen auch von unserem Leben. Bei ihnen kann sich jede von uns wiederfinden, ganz egal wo. In den nächsten Wochen möchte ich von diesen Frauen erzählen. Weil ich mich so habe. Und nicht übertreibe. Weil es nie zu viel sein kann Frauen zu stärken und zu unterstützen. Weil es nie übertrieben sein kann auf Ungerechtigkeiten hinzuweisen und den Finger auf gesellschaftliche Probleme zu legen. Es sei denn, ich habe Jesus vollkommen falsch verstanden.

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Die Kirche macht also Mut?

Das sehe zumindest ich als meine Aufgabe an. Ich kann meinen Konfirmanden sagen, das alles richtig ist was sie sagen, weil es ihre Gedanken sind. Ich kann ihnen Zeit geben, in der sie nichts tun und nichts leisten müssen. So haben sie einen Ort, an dem sie genau sein können, wie sie sind – abseits des Drucks von sozialen Medien und der Gesellschaft.

Was muss die Kirche verändern, um abseits von Social Media attraktiv für junge Menschen zu sein?

Wir müssen uns fragen: Wie erreichen wir die Menschen zwischen 20 und 40 Jahren vor Ort? Damit meine ich nicht nur den Gottesdienst am Sonntag, sondern auch zu gestalten und zu feiern wie bestimmte Altersgruppen das auch mögen. Ich versuche das zum Beispiel das ganze Jahr lang mit Projekten. Dazu gehören eine Reise nach Auschwitz, Konzerte und Ausstellungen.

Von Jacqueline Hadasch


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