Die Referendarin: Streng und trotzdem beliebt?
Helena (25) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin.
„Moin“, ruft ein großer blonder Mann in Trainingsjacke einer Gruppe von 16-jährigen Jungs zu und gibt ihnen die Gettofaust. So begrüßt mein 50-jähriger Kollege mit Justin-Bieber-Frisur seine Schüler auf dem Pausenhof. Als ich diese Situation das erste Mal beobachte, bin ich beeindruckt von seiner lässigen Art. So eine Lehrkraft will ich auch werden! Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher. Natürlich wollen viele Lehrkräfte – wie die meisten Menschen – gemocht werden und beliebt sein, ich eingeschlossen. Das geht mit Gettofaust und ohne Hausaufgaben sicher schnell. Gleichzeitig jedoch noch als Chef im Klassenraum wahrgenommen zu werden ist die Kunst.
Am Anfang des Referendariats fiel es mir schwer, die gelangweilten Blicke auf die Uhr auszuhalten und das Betteln um Zombieball als Abschlussspiel im Sportunterricht zurückzuweisen. Obwohl ich keine Spielverderberin sein wollte, bin ich streng geblieben. Dafür habe ich versucht, die Epoche der Aufklärung und das Turnen im Sportunterricht so interessant wie möglich zu gestalten. Vor wenigen Tagen habe ich mir von meiner Klasse dann Rückmeldung geben lassen. Sie sagten, dass ich noch strenger sein könnte. Es helfe ihnen, sich zu konzentrieren. Ich war baff. Das kam von den größten Chaoten der Klasse.
Balance zwischen Nähe und Distanz
Mein Professor in Erziehungswissenschaft nannte die Gratwanderung immer „das Spiel zwischen persönlicher Nähe und professioneller Distanz“. Damit meinte er auch, dass wir nicht zu sehr in die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler eintauchen und ihre Probleme nicht zu unseren machen sollen, die wir mit nach Hause nehmen. Andererseits verbringen wir manchmal mehr Zeit mit ihnen als ihre Eltern und sind Vertrauenspersonen für sie.
Ich finde, dass professionelle Nähe und persönliche Distanz viel besser passen: Nähe und Hilfe vermitteln, wenn Lea Probleme zu Hause hat, aber genug Distanz wahren, um sich abends auf dem Sofa keine Sorgen darüber zu machen. Klingt im Hörsaal sicher super. Lehrkräfte, die das ohne Weiteres können, sind meine Vorbilder. Ob mit oder ohne Gettofaust.
Von Helena Fischer
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