Die Referendarin: Ein Prüfungstag im Corona-Modus
Helena (26) ist eine von rund 30.000 Lehramtsanwärtern in Deutschland. Was passiert eigentlich hinter der sagenumwobenen Lehrerzimmertür? Wie ist es, Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, die nur ein paar Jahre jünger sind als man selbst? Und wie kommt Helena mit dem Druck klar? Davon erzählt sie – unter Pseudonym – in ihrer MADS-Kolumne: die Referendarin.
„Mit rechtsextremen Jugendlichen müssen ich diskutieren, mit Ausnahme der Grundrechte.“ Wow, da ist mir gerade die Grammatik in meinem Satz voll weggerutscht. Konzentrier dich. Noch mal von vorn. Die Hälfte meiner mündlichen Prüfung ist vorbei. Mir bleiben noch 30 Minuten – und ich schalte in den Robotermodus.
Der Tag meines Prüfungsunterrichts (PU) war einer der anstrengendsten meines Lebens. Er besteht normalerweise aus zwei Unterrichtsbesuchen an einem Tag, nur dass hinten im Klassenraum nicht nur meine drei Fachleiterinnen und Fachleiter sitzen, sondern auch die Schulleitung sowie Referendarinnen und Referendare jüngerer Jahrgänge. Jede Stunde wird besprochen, danach kommt die 60-minütige mündliche Prüfung. Während Corona fand der PU teils als Kolloquium statt, im Lockdown und in Phasen, in denen die Präsenzpflicht aufgehoben war.
Schüler fehlen der Referendarin am Prüfungstag
Auch ich hatte ein Kolloquium. Dabei saßen die Prüfenden in einem Halbkreis wie bei einem Tribunal um mich herum. Zuerst stellte ich meine Stunde vor – ohne Notizen. Es folgte die Fragerunde. Auch ohne Schülerinnen und Schüler gab es schräge Zwischenfragen: „Nehmen Sie an, die Klasse interpretiert die Kurzgeschichte so, dass der Hausvater aus Eifersucht handelt. Was machen Sie dann?“ Nach einer Minute, die ich mit Floskeln füllte, fiel mir endlich eine helfende Impulsfrage ein.
Was wir durch das Kolloquium gewinnen, ist Sicherheit. Wir sind nicht darauf angewiesen, dass sich Schülerinnen und Schüler benehmen. Mein Friseur erzählte mir mal, dass er mit seinen Kumpels betrunken in den PU seiner Lehrerin torkelte und aus dem Fenster fiel. Was wir verlieren, sind aber eben auch die Schülerinnen und Schüler. In früheren Unterrichtsbesuchen haben sich meine Klassen unheimlich angestrengt. Sie kamen in der präsenzbefreiten Zeit einmal sogar freiwillig in die Schule, damit ich meinen Besuch durchführen konnte. Wie sie aufgeregt nach der Stunde zu mir nach vorn kamen und mich mit großen Augen gefragt haben, ob alles gut gelaufen ist – das habe ich total vermisst. Es ist das, was für mich das Lehrerinsein ausmacht.
Von Helena Fischer
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