Der Traum vom Work & Travel: Über diese Dinge spricht niemand
Abi durch und raus in die Welt? Gegen ein paar Stunden Arbeit am Tag kann man bei Gastgebern wohnen, essen oder sich sogar etwas dazu verdienen. Doch ist die Realität wirklich so traumhaft perfekt? MADS-Autorin Lotte listet sieben Dinge auf, die sie gerne vor Work & Travel gewusst hätte.
Das Konzept Work & Travel wird gern romantisiert. Doch natürlich hat auch diese besondere Art des Reisens ihre Schattenseiten – die bei den vielen begeisterten Erfahrungsberichten schnell mal etwas untergehen. Damit niemand naiv und mit unrealistischen Erwartungen in sein Reiseabenteuer starten muss, kommt hier der Faktencheck.
Arbeit zu finden ist ziemlich anstrengend
„Fruit Picking“ in Neuseeland oder Farmarbeit in Australien: Die Angebote klingen erst mal richtig gut. Doch so einen Job dann auch wirklich zu bekommen ist in Realität viel komplizierter und zeitaufwendiger als gedacht. Oft muss man erst zehn bis 20 Bewerbungen abschicken, bevor man überhaupt eine Antwort erhält. Hartnäckigkeit, aber auch Flexibilität zahlen sich hier aus. Direkt an seiner ursprünglichen Traumlocation zu landen ist nämlich eher unwahrscheinlich.
Teurer als gedacht
„Mit Work & Travel kannst du auch ohne Geld durch die Welt reisen“, heißt es häufig. Ganz so billig ist das Konzept tatsächlich gar nicht. Klar, durch die Arbeit bei verschiedenen Hosts bekommt man meist Unterkunft und Essen umsonst, doch all die anderen Reisekosten werden bei der Planung gerne mal vergessen. An- und Abreisekosten, Aktivitäten und Transportkosten vor Ort, außerdem hier und da mal einen Snack oder Souvenirs mitnehmen – da häufen sich die Ausgaben schnell. Allein der Anflug ins beliebteste Backpacker-Land Australien kostet mit Gepäck schnell schon mal and die 1000 Euro. Und irgendwann muss man ja auch wieder zurückkommen…
Billige Arbeitskräfte statt kultureller Austausch
Die Traumvorstellung von traditionellen Familienfesten oder spannenden Gesprächen über die verschiedenen Kulturen ist schnell verpufft, wenn man an einen Host gerät, der nur versucht, Profit aus den jungen Reisenden zu ziehen. Leider gibt es so etwas nicht mal so selten, Freiwillige werden eher wie billige Arbeitskräfte behandelt, und von kulturellem Austausch ist auch weit und breit nichts zu sehen.
Vor allem in beliebten Work-&-Travel-Ländern wie Australien und Neuseeland kommt es aufgrund der hohen Nachfrage von arbeitssuchenden Backpackern oft zu unschönen Erlebnissen und Ausbeutung. Immer wieder berichten ehemalige Freiwillige von dreckigen Unterkünften, unfairen Arbeitszeiten und zu niedrigen Löhnen. Das Problem: Die Jobsuche ist so schwer, dass es für die Reisenden oft unmöglich ist zu wechseln. Denn auf das Geld – auch wenn es meist nicht genug ist – sind sie angewiesen. Man sollte also immer gut aufpassen, die Angebote im Voraus sorgfältig prüfen und sich nicht über den Tisch ziehen lassen.
Englisch? Fehlanzeige!
Insbesondere in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern sind Englischkenntnisse sehr schlecht verbreitet, was die Kommunikation mit den Menschen vor Ort zu einer großen Herausforderung macht. Missverständnisse entstehen, man fühlt sich hilflos und alleingelassen – schnell wird unterschätzt, wie essenziell die Verständigung mit Mitmenschen doch ist, vor allem in einer fremden Umgebung. Auch die Jobsuche wird so natürlich sehr erschwert, was den ganzen Work-&-Travel-Gedanken ziemlich verkompliziert.
Plötzlich kein Kindergeld mehr?
Während der Schulzeit musste man sich über diese ganzen Dinge keine Gedanken machen und plötzlich soll man sich mit Bürokratie beschäftigen? Für viele Backpacker ist das Kindergeld als feste Geldquelle eingeplant und kann nun nicht einfach so wegfallen. Doch tatsächlich hat man abseits von Studium oder Ausbildung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die staatliche Zahlung. Praktika, Ausbildungssuche oder Freiwilligendienste gehören beispielsweise dazu. Work & Travel steht allerdings nicht auf dieser Liste.
Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie sich bei einer Fernuni einzuschreiben oder arbeitslos zu melden, um das Kindergeld dennoch weiter zu erhalten – und das auch nur, bis man 25 Jahre alt ist. Ganz unkompliziert ist das Ganze auf jeden Fall nicht und sollte sorgfältig durchdacht werden.
Mehr Work als Travel
Jeden Tag ein neues Abenteuer erleben, die verrücktesten Dinge sehen und nonstop herumreisen? Das kann man bei einem Workaway-Job ganz schnell vergessen. Um kostenlos zu wohnen, essen oder sogar Geld zu bekommen, werden natürlich auch Gegenleistungen erwartet. Freie Tage gibt es in der Regel natürlich auch, doch meist überwiegt die Arbeit. Bei Workaway werden beispielweise fünf Stunden Hilfe an fünf Tage der Woche erwartet. Und wenn die Arbeit dann auch noch über den Tag verteilt stattfindet, bleibt zumindest unter der Woche keine Zeit für andere Aktivitäten. Was natürlich toll sein kann, wenn man interessanten Tätigkeiten nachgehen kann – doch der Traum vom flexiblen Herumreisen ist es trotzdem nicht.
Das Zurückkommen
Glücklich die Familie in die Arme schließen, Freundinnen und Freunde wiedersehen und endlich das vertraute Heimatsgefühl spüren – die Erwartungen ans Zurückkommen sind ebenso hoch wie die für die Erlebnisse in der Ferne. Doch die Realität sieht auch hier oft nicht ganz so rosig aus.
Im Ausland konnte man sich sein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufbauen, und zurück zu Hause kollidieren die neuen Gewohnheiten plötzlich mit den Routinen des alten Lebens. Egal wie sehr man sich verändert oder weiterentwickelt hat, schnell bekommt man das Gefühlt, dass es niemandem auffällt und man sofort wieder in alte Muster verfällt.
Trotz all dieser Schwierigkeiten und Probleme kann Work & Travel natürlich trotzdem eine wundervolle und einzigartige Möglichkeit sein, die Welt zu erkunden. Man lernt neue Leute und Kulturen kennen, bereist außergewöhnliche Orte, sammelt Erfahrungen und entwickelt sich weiter. Doch vielleicht ist ein wenig Realismus vor dem großen Reiseabenteuer gar nicht so schlecht.
Von Lotte Tegethoff
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