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Youtuber Joey’s Jungle outet sich: Wieso müssen Menschen sich öffentlich bekennen?

Youtuber Joey’s Jungle outet sich: Wieso müssen Menschen sich öffentlich bekennen?
Foto: Youtube/ Screenshot/ Joey's Jungle

Sich zu seiner sexuellen Orientierung öffentlich zu bekennen, ist doch gar nicht mehr wichtig – oder doch? Diese Frage wird im Netz immer wieder diskutiert. MADS erklärt, wieso öffentliche Coming-Outs immer noch wichtig sind.


Videos über Coming-Outs bekommen viel Aufmerksamkeit. Sie werden zahlreich geklickt und landen sogar in den Youtube-Trends, wie das aktuelle Video von Joey’s Jungle zeigt. In dem Video mit dem Titel „Coming-Out“ erzählt der 25-jährige Comedy-Youtuber von seinem langen Weg, sich selbst und seine Homosexualität zu akzeptieren. Doch wieso sind Coming-Outs überhaupt wichtig? Sind solche Videos in einer toleranten Gesellschaft überhaupt noch notwendig? Unter öffentlichen „Coming-Out“-Videos findet man solche Fragen immer wieder. MADS sucht nach einer Antwort.

Einfach sei es nicht gewesen, die eigene Homosexualität zu akzeptieren, betont Joey’s Jungle, bürgerlich Josef Buchholz. Doch letztlich habe er es geschafft – auch dank seiner unterstützenden Community. Mittlerweile lebe er mit seinem Freund zusammen, erzählt Joey in seinem neuen Video. Für viele ist das keine große Überraschung. Gerüchte darüber, dass Joey schwul sein könnte, gab es schon länger. Wieso also überhaupt noch ein öffentliches Coming-Out?

Diese Frage stellen sich nicht nur manche Kommentatoren unter Joeys Video. Auch nach der SZ-Aktion unter dem Hashtag #actout, diskutierten viele Menschen darüber. 185 Schauspieler und Schauspielerinnen hatten im aktuellen SZ-Magazin ihr Coming-Out. In den Kommentarspalten diskutierten einige Leser, was die Aktion überhaupt nütze. Ein häufiges Argument: Die Sexualität sei etwas Privates, das niemand öffentlich bekunden müsse. Außerdem sei so ein Coming-Out in der modernen Gesellschaft gar nicht mehr notwendig. „Gut gemeint, aber wen interessiert denn auf wen die stehen?“, schreibt etwa ein User auf Facebook.

Auch Joey scheint Diskussionen wie diese vorhergesehen zu haben. „Ich habe gelernt, dass meine Sexualität nur ein winzig kleiner Bruchteil von all den vielen Tausend Dingen ist, die aus mir eine Person machen, die wertvoll ist – genau so wie sie ist“, sagt Joey in seinem Coming-Out-Video. Das Wissen darüber, dass er auch als junger Mann, der einen Mann liebt, immer noch wertvoll ist, war also ein Lernprozess. Und genau der stünde vielen noch bevor, sagt der 25-Jährige. „Auch, wenn es für viele nicht mehr so scheint, ich weiß, dass es noch so viele unter uns gibt, die die gleichen Gefühle, wie ich sie hatte, jeden Tag spüren“, erklärt Joey. „Die sich verstoßen fühlen – einsam und ungeliebt.“

Gewalt und Abneigung gegen Homosexuelle

Doch woher rühren solche Empfindungen? Statistiken zeigen: Homophobie ist längst kein abgeschlossenes Kapitel, wie viele der Kommentatoren unterstellen. 576 Delikte gegen die sexuelle Orientierung erfasste die Polizeistatistik 2019, darunter 151 Gewaltdelikte. Der Aussage „Mit dem Thema Homosexualität möchte ich möglichst wenig in Berührung kommen“ stimmten knapp 27 Prozent der Befragten einer 2017 veröffentlichten Umfrage zu. In Auftrag gegeben wurde die telefonische Umfrage von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Im Fokus stand vor allem die moderne Homophobie. Also die etwas subtilere Abneigung gegen queere Personen. Die zeigt sich etwa, wenn Menschen betonen, sie hätten nichts gegen Schwule, wollten aber auch nicht auf der Straße sehen, wie sie sich küssen.

Aussagen wie diese implizieren, Homosexualität sei noch immer etwas Ungewöhnliches. Etwas, das von der Norm abweiche und gesellschaftlich weniger angesehen sei. Wichtig ist deshalb, dass Minderheiten und Diversität sichtbar gemacht werden. Darum geht es vielen Coming-Out-Videos. Denn auch wenn zahlreiche Menschen Homosexualität oder Transsexualität als normal erachten, gilt das eben längst nicht für die Gesamtgesellschaft.

Einfach nicht mehr darüber zu sprechen, dass eine sexuelle Orientierung abseits der Heterosexualität existiert, würde gerade jungen, ungeouteten Menschen das Gefühl vermitteln, sie seien abnormal. Gerade sie benötigen Vorbilder, die ihnen zeigen, dass es völlig okay ist, die eigene Sexualität auszuleben. „Durch solche Videos finden sehr viele Menschen den Mut, ebenfalls zu sich zu stehen. Du bist klasse, wie du bist“, schreibt etwa der schwule Youtuber Tommy Toalingling unter Joeys Video. Aussagen wie diese zeigen, dass gerade Homosexuelle selbst wissen, wie groß die Hürde des Coming-Outs nach wie vor für viele ist.

Das ist der Unterschied zwischen „Coming-Out“ und „Outing“:

Noch immer verwenden viele Menschen die Begriffe „Coming-Out“ und „Outing“ synonym. Dabei gibt es einen zentralen Unterschied: Während das „Coming-Out“ den freiwilligen Entschluss, die eigene sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität öffentlich zu verkünden, meint, verbirgt sich hinter „Outing“ die unfreiwillige beziehungsweise erzwungene Verkündung. Ende der 80er-Jahre machten Homosexuellengruppen etwa die Homosexualität Prominenter öffentlich, die ihre sexuelle Orientierung bis dahin geheim hielten. Der Aktivist Rosa von Praunheim outete im Fernsehen beispielsweise Hape Kerkeling und Alfred Biolek. Gegner des unfreiwilligen „Outings“ betonen, dass sich jeder Mensch selbst dazu entscheiden muss, wann und ob er öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung stehen möchte.


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Über den Autor/die Autorin:

Nina Hoffmann

Nina (24) studiert Soziologie und kennt somit alle Sprüche über eine Karriere als Taxifahrerin. Statt an ihren Fahrkünsten zu feilen, liest sie lieber Texte über Gender-Fragen und Emanzipation - oder noch besser: Die dazugehörigen Kommentare der Facebook-Nutzer/innen.

1 Kommentar

  1. nico ettrich

    Homo sapiens der Mensch und schon im Latein darf der Mensch Mensch sei.

    nfg nico?-]

    Antworten

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