Black History Month: „Meine Haare sind keine Attraktion“
Auch in diesem Jahr feiern schwarze Menschen weltweit im Februar den Black History Month. Warum dieser Monat auch in Deutschland wichtig ist, erklärt MADS-Autorin Sarah (20) in einer Serie. Sie erzählt über eigene Erfahrungen aus ihrem Alltag.
Egal ob in der Bahn, in der Schule oder in dem Restaurant, in dem ich arbeite – ständig fassen mir Leute in meine Haare. Klingt komisch? Finde ich auch. Ist es auch.
Ich gehöre zu den schwarzen Frauen in Deutschland, die ständig ihre Frisur wechseln. Perücken, geflochtene Zöpfe aus Kunsthaar oder meine normalen Afrohaare – ich hatte schon viel auf dem Kopf. Die unterschiedlichen Frisuren dienen aber nicht nur modischen Zwecken und sehen cool aus, sondern schützen auch die natürlichen krausen Afrohaare vor dem Verknoten, Abbrechen und Verfilzen.
Black History Month erinnert auch an unschöne Erlebnisse
Einige meiner Arbeitskollegen nennen mich wegen meiner vielen Frisuren mittlerweile Chamäleon, nur dass ich nicht meine Hautfarbe, sondern eben meine Haare ständig ändere. Obwohl das Hautfarbeanpassen in manchen Situationen ehrlich gesagt auch gar nicht mal so schlecht wäre. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Hautfarbe. Jedoch bringt mein Erscheinungsbild manchmal einfach unangenehme Situationen mit sich. Unter anderem wird aus diesem Grund der Black History Month gefeiert. Neben dem Zelebrieren schwarzer Geschichte, Kultur und Traditionen, wird auch an die unschönen Erlebnisse erinnert, die das Schwarzsein mit sich bringen kann. Und davon gibt es viele.
Ich bin ein relativ offener Mensch und umgebe mich gerne mit den unterschiedlichsten Menschen. Eines haben einige von ihnen dann aber doch gemeinsam: das Interesse an meinen Haaren. „Wow, schon wieder eine neue Frisur“ oder „Deine Haare sind mega cool“, – das sind Komplimente, die ich schon im Kindergarten bekommen habe. Und ich fühle mich auch heute noch geschmeichelt.
Meine Haare und ich sind keine besondere Attraktion
Manchmal geht es dann doch über die schönen Worte hinaus. Fremde Menschen verbinden ein Kompliment mit dem Recht, mich und meine Haare anfassen zu dürfen. Ich fand das schon blöd, als ich jünger war. Aber da waren es noch Kinder in meinem Alter – und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Mittlerweile arbeite ich nebenbei als Kellnerin in einem Restaurant. Ich bin die einzige schwarze Kellnerin. Wenn heute ein Arbeitskollege oder Menschen in der Bahn, in meine Haare greifen, reagiere ich immer genervt. Ich möchte nicht von Fremden angefasst werden. Meine Haare und ich sind keine besondere Attraktion, sondern etwas ganz Normales. Immerhin leben laut Schätzungen der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) etwa 500 000 Afrodeutsche in diesem Land.
Wenn ich die Leute frage, wie sie denn auf die Idee kommen, einfach meine Haare anzufassen, ist die Begründung meistens, dass meine Haare so weich aussehen. Ich finde es nett, dass Menschen meine Haare interessant finden, aber meine Mama hat mir damals schon gesagt, dass ich nicht alles anfassen soll, was ich toll finde oder nicht kenne.
Klar sage ich dann, dass ich nicht möchte, dass jemand einfach in meine Haare fasst. Oft stoße ich dabei aber auf Unverständnis und fragende Blicke – weil man ja einfach mal wissen wollte, wie meine Haare sich anfühlen. Dass es richtig wäre, mich vorher zu fragen und ein Nein zu akzeptieren, verstehen viele nicht. Einige schwarze Frauen und Männer tragen vor allem ihre Afrohaare stolz wie eine Krone. Die Haare erfordern nämlich besonders viel Pflege und Zeit. Cremes und Öle sind ein Muss für die Haarpflege. Aus diesem Grund trifft es häufig einen besonderen Nerv, wenn Leute in die Haare einer schwarzen Person greifen. Ich meine, niemand würde auf die Idee kommen, die Krone der Queen auch nur zu berühren, oder?
Rassistische Sprüche sind verletzend
Ungefragt in meine Haare zu fassen ist genau so grenzüberschreitend, wie rassistische Witze es sind. Wenn meine Freunde mal Witze über Schwarze machen, habe ich kein Problem damit. Es sind schließlich meine Freunde, da neckt man sich mal. Wenn aber fremde Menschen oder Arbeitskollegen Witze über mein Erscheinungsbild machen, ist das Alltagsrassismus. Ich weiß, dass es meistens nur als Späßchen gemeint ist, aber diese Späße werden von Mal zu Mal unlustiger. Es ist ja nicht so, dass ich sie noch nie gehört habe. Ehrlich gesagt tun diese Sprüche auch weh. Und wie verletzend rassistische Sprüche sein können, zeigten auch schon die Tränen von Hertha-BSC-Fußballprofi Jordan Torunarigha oder dem italienischen Fußballer Mario Balotelli, die auf dem Spielfeld von Fans beleidigt wurden.
Nicht schweigend hinnehmen
Wenn ein Spruch mal unter die Gürtellinie geht, sage ich, dass ich sowas nicht so witzig finde. Deshalb bin ich aber noch lange nicht spießig, verklemmt oder humorlos. Für einige Schwarze mögen solche Witze okay sein – und für manche eben nicht. Ich sage nicht, dass man nicht über sich selbst lachen sollte, keineswegs. Aber wenn es mich stört, habe ich ein Recht darauf, das anzusprechen und nicht immer schweigend hinzunehmen.
Black History Month auch in Deutschland wichtig
Solche und viele andere Zwischenfälle passieren täglich in Deutschland und das sind keine Einzelfälle. Egal ob Menschen, die sich in der Bahn von jemandem wegsetzen, einem in die Haare fassen oder laut rassistische Sprüche sagen: Ich bin mir ziemlich sicher, dass eines der aufgezählten Erlebnisse schwarzen Menschen in Deutschland schon widerfahren ist. Und genau deshalb ist der Black History Month auch in Deutschland wichtig. Wir müssen solche Probleme in der Gesellschaft aufzeigen, darüber reden und somit dann besser machen.
von Sarah Danquah
Dieser Artikel erschien erstmals am 20. Februar 2020.