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Bildungsministerin Bettina Martin: „Guter Journalismus ist wichtiger denn je“

Bildungsministerin Bettina Martin: „Guter Journalismus ist wichtiger denn je“
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Bettina Martin ist seit Mai des vergangenen Jahres Bildungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Die Sozialdemokratin und gebürtige Berlinerin hat zwei Söhne – und kennt daher auch beim Thema Schule, Bildung und Digitalisierung die Elternperspektive.

Lesen Sie Tageszeitungen?

Ja, am liebsten sonntags beim Frühstück. Wir hatten zu Hause immer eine Tageszeitung, die gehört für mich dazu. Als Politikerin schaue ich beruflich täglich in verschiedene Zeitungen, um zu wissen, was los ist. Ich nutze aber auch andere Medien wie das Internet, um mich zu informieren.

Was schätzen Sie an Zeitungen und was vermissen Sie in den Medien?

Regionale Tageszeitungen berichten darüber, was vor unserer Haustür passiert. Sie sind nicht abgehoben, sondern kümmern sich darum, was die Menschen im Alltag umtreibt. Das finde ich sehr gut. Zeitungen – egal ob digital oder auf Papier – haben insgesamt eine ganz wichtige Rolle in unserer Demokratie: Sie schauen mit ihrer Berichterstattung uns Politikern auf die Finger und halten die Bürgerinnen und Bürger auf dem Laufenden.

Manchmal wünschte ich mir, dass in den Medien weniger schwarz-weiß gemalt wird und öfter auch mal schwierige Zusammenhänge erklärt werden. Zeitungen sollten der Versuchung widerstehen, aus jeder politischen Meinungsverschiedenheit gleich einen Skandal zu produzieren. Das würde unserer Demokratie guttun.

Denken Sie, dass die jetzige Schülergeneration noch Journalismus braucht?

Absolut. Guter Journalismus ist wichtiger denn je – in einer Zeit, in der sich viele Menschen nur noch in ihren eigenen Filterblasen bewegen. Gerade auf die junge Generation prasselt über Smartphone und Computer täglich eine Fülle von Informationen ein. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, objektive Berichterstattung und platte Meinungsmache oder gar Fake News zu unterscheiden. Da sind heute auch die Schulen gefragt, diese wichtige Medienkompetenz zu vermitteln.

Deshalb haben wir in diesem Schuljahr das neue Fach Informatik und Medienkompetenz ab Klasse 5 eingeführt. Da lernen die Kinder, was die Chancen und die Gefahren im Internet sind. Richtig gut finde ich, dass die Ostsee-Zeitung mit ihrem Projekt MADS direkt in die Schule geht und Schülerinnen und Schülern näherbringt, wie Zeitung gemacht wird und welchen Sinn sie hat.

Können Sie sich erklären, warum nach Aussagen von Studien gut die Hälfte der Schüler Lesen als anstrengend und als Last empfindet?

Lesen, Schreiben, Rechnen – das sind die wichtigsten Grundlagen, die bei Kindern in der Schule gelegt werden müssen. Nur wer sicher lesen kann, wird auch beim digitalen Lernen erfolgreich sein können. Kinder und Jugendliche lesen heute zunehmend kurze Texthappen, oft digital in den sozialen Medien. Umso wichtiger ist es, dass Kinder in der Schule Freude am Lesen entwickeln und an das Lesen ganzer Bücher herangeführt werden.

Wir haben zum Schuljahr 2017/2018 in MV eine zusätzliche Deutschstunde eingeführt und damit mehr Raum und Zeit für die Leseförderung der Kinder geschaffen. Lesen muss geübt werden. Und da können auch Eltern viel tun. Wenn sie ihren Kindern regelmäßig vorlesen, erleichtern sie ihnen das Lesenlernen. Schon eine Viertelstunde am Tag macht da einen großen Unterschied.

Oft wird über „eine sich dramatisch verändernde Welt“ geredet. Stimmt Ihrer Meinung nach der Befund und muss die Schule darauf reagieren?

Die Digitalisierung hat unsere Welt schon heute sehr verändert – das hat viele Vorteile, aber natürlich müssen wir aufpassen, dass auch alle von den Chancen profitieren können. Wir wissen, dass es künftig keinen Beruf geben wird, der ohne Digitalisierung auskommt.

Kinder und Jugendliche müssen also lernen, sich in einer zunehmend digitalisierten Welt sicher zurechtzufinden. Auf diese Anforderung muss natürlich Schule eingehen. Deshalb ist es gut, dass wir vor wenigen Wochen den Digitalpakt Schule in MV gestartet haben. Damit stehen nun 110 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, mit denen wir schrittweise alle Schulen im Land mit digitaler Infrastruktur ausstatten werden.

Was halten Sie davon, wenn Schüler sich bei Youtube ihren Stoff, den sie in der Schule nicht verstanden haben, erklären lassen?

Der Anspruch muss sein, dass Kinder den Unterrichtsstoff in der Schule verstehen. Aber ich habe das selbst bei meinen Söhnen erlebt. Wenn sie doch mal etwas in Physik oder Deutsch nicht verstanden haben, haben sie sich oft mit klugen Youtube-Tutorials weitergeholfen. Da gibt es auch pädagogisch gute Ansätze und neue Möglichkeiten, die das digitale Lernen bietet. Hier sehe ich viel Potenzial. Aber natürlich gilt auch hier, dass Kinder im Netz nicht alleine gelassen werden dürfen und Eltern wissen sollten, auf welchen Internetseiten sie sich bewegen.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagt: „Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein. Denn jedes Kind, jeder Mensch hat Anspruch auf gute Bildung. Und außerdem ist unser Wohlstand in Deutschland auf Innovation, Erfindergeist, Exzellenz und nicht auf Mittelmaß gegründet.“ Haben Sie den Eindruck, dass die Kinder bald schon unter Bildungsarmut leiden werden oder schon davon betroffen sind?

Nein, aber wir müssen alles dafür tun, dass das auch zukünftig nicht eintritt. Der Bildungserfolg der Kinder darf nicht davon abhängen, ob ihre Eltern arm sind oder reich. Das ist nicht nur ein Gebot der Chancengleichheit. Deutschland kann es sich auch als Wirtschaftsstandort gar nicht leisten, auf zukünftige Fachkräfte zu verzichten. Dafür ist es auch wichtig, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Kind in Greifswald, Bremerhaven oder München zur Schule geht.

Wir brauchen mehr Vergleichbarkeit bei der Bildung in den verschiedenen Bundesländern – dafür werde ich mich in der Kultusministerkonferenz einsetzen. Denn ich habe großes Verständnis dafür, dass viele Eltern erwarten, dass man hier schneller vorankommt. Ich erhoffe mir da von dem geplanten Bildungsrat einen Fortschritt.

Könnte man nicht auf die viel zitierte schwarze Null im Bundeshaushalt verzichten, wenn man mehr in Bildung investiert? Sowohl in die Hardware – Schulgebäude, Technik, Lehrer – als auch in die Software: zum Beispiel weniger reformistisch, sondern mehr inhaltlich denken, die Autorität der Lehrer stärken, Lehrplänen bereinigen.

Die Landesregierung hat für die nächsten vier Jahre viel Geld obendrauf gepackt, damit wir unsere Schulen gut aufstellen können. Ich bin froh, dass wir mit dem 200-Millionen-Euro-Schulpaket in den kommenden vier Jahren mehr Spielräume für Verbesserungen an unseren Schulen haben werden. Wir werden zum Beispiel Grundschullehrkräfte besser bezahlen können und damit den Beruf attraktiver machen. Wir werden in die Lehrerausbildung und -gewinnung investieren. Denn wir haben zukünftig einen sehr großen Bedarf an neuen Lehrkräften. Und wir werden auch Schulen entlasten können, die mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben.

All das kommt zusätzlich zum Digitalpakt und zu dem, was sowieso schon verhandelt war. Damit werden wir ein gutes Stück vorankommen. Fangen wir also an und schreien nicht gleich wieder: „Es reicht nicht!“. Schuldenmachen geht nämlich auf die Kosten der jüngeren Generation.

Stichwort Digitalpakt: Hängt erfolgreicher Unterricht vom Einsatz von iPads ab?

Nein, noch einmal: Grundlage für einen erfolgreichen Bildungsweg ist, dass Kinder lesen, schreiben, rechnen lernen. Dafür braucht man keine iPads. Aber wir können in dieser Zeit, in der die Digitalisierung immer mehr Lebensbereiche umfasst, nicht auf moderne Technik und vor allem moderne Lernmethoden in der Schule verzichten.

Was benötigen wir, um dem Nachwuchs Medienkompetenz zu vermitteln?

Medienkompetenz ist nicht nur das Bedienen von Technik. Schülerinnen und Schüler müssen mehr wissen. Es geht darum, dass sie einschätzen können, was seriöse Informationen sind und wo Gefahren im Netz lauern. Dazu müssen wir sie befähigen.

Brauchen Lehrer mehr Vertrauen von der Gesellschaft?

Ja, sie haben die schwierige Aufgabe, unsere Kinder zu unterrichten und auf das Leben vorzubereiten. Dafür verdienen sie mehr gesellschaftliche Wertschätzung und Unterstützung. Bei all meinen Schulbesuchen treffe ich hochengagierte Lehrerinnen und Lehrer, die sich tagtäglich für eine gute Bildung für ihre Schüler einsetzen.

All die Probleme, mit denen unsere Gesellschaft zunehmend konfrontiert ist, landen auch in der Schule und unweigerlich in den Klassenräumen. Lehrkräfte sind Profis und kennen ihre Kinder – Eltern können auf den Rat der Pädagoginnen und Pädagogen vertrauen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer von Eltern infrage gestellt werden, haben sie es schwer.

Sie haben zwei Söhne, haben also das Thema Schule sehr direkt in der Familie. Wenn Sie etwas sofort ändern könnten, was wäre das? Und was schätzen Sie an unserem Bildungssystem?

Es ist eine große Errungenschaft, dass Bildung in Mecklenburg-Vorpommern kostenfrei ist – von der beitragsfreien Kita über Schule bis zur Hochschule. Gute Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass alle Schülerinnen und Schüler die Schule mit einem Abschluss verlassen und wir auch in Zukunft problemlos jede freie Lehrerstelle mit ausgebildeten Lehrkräften besetzen können. Das sind die zentralen Herausforderungen. Und dafür arbeite ich.

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Von Klaus Amberger

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