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Studi-Klischees: So ist es wirklich Deutsch, Jura oder BWL zu studieren

Studi-Klischees: So ist es wirklich Deutsch, Jura oder BWL zu studieren
Foto: Samantha Franson

Mediziner sind Streber und Juristen lernen nur auswendig? MADS hat kurz vor dem Einschreibungsstart Studenten der beliebtesten Studiengänge zu den Klischees über ihre Fächer befragt.


Germanistik: Viel lesen

Kindern etwas beibringen und gemeinsam Texte von berühmten Autoren entschlüsseln: Dass ich Lehrerin werden möchte,­ war mir bereits nach meinem ersten Praktikum in einer Schule klar. Schon meine Mutter, die selbst als Deutschlehrerin arbeitet, hatte mich mit ihren Erlebnissen von der Arbeit begeistert. Deshalb studiere ich mittlerweile im zweiten Semester an der Uni Hannover Deutsch und Politik auf Lehramt. 


Lisanna Lichtenberg (19) studiert Deutsch auf Lehramt. Foto: Luisa Köhler

Viele Erwartungen hatte ich vor dem Studium nicht. Immerhin hatte ich zwölf Jahre lang Deutschunterricht, was sollte mich da schon überraschen? Doch das Klischee, das Germanistik-Studium sei nichts anderes als Deutschunterricht, stimmt definitiv nicht. Die Themen werden deutlich tiefgründiger behandelt. Statt mit einer ganzen Epoche beschäftigen wir uns ein Semester mit nur einem Autor – im letzten Semester war das der Autor Heinrich von Kleist. Überrascht haben mich außerdem die aufwendigen Nachbereitungen. Neben den Vorlesungen verbringe ich zwei bis drei Stunden täglich damit zu lesen. Eine Abneigung gegen Bücher habe ich trotzdem noch nicht entwickelt. Spätestens in der vorlesungsfreien Zeit stöbere ich wieder in der nächsten Buchhandlung.

Von Emma Schell

Medizin: Leistungsdruck

Einen Studienplatz in Medizin ohne Einserschnitt? Das wird nichts. Es sei denn, man sammelt Wartesemester oder geht an eine private Uni. Auch ich bekam meinen Platz in Hannover nur durch ein Auswahlgespräch – trotz einer Abinote von 1,3. Für mich war deshalb klar: Medizinstudenten interessieren sich ausschließlich für Naturwissenschaften und brüsten sich mit Mamas und Papas Arztpraxis. Deshalb durchforstete ich vorher Foren von Medizinstudenten – und siehe da: Viele engagierten sich sozial und politisch.


Jacqueline Niewolik (24) studiert Medizin.
Foto: Philipp von Ditfurth

Ich habe viele Freunde gefunden, mit denen ich auch außerhalb der Uni über alltägliche Themen reden kann. Meine zweite Erwartung hat sich jedoch bewahrheitet: Das Studium ist sehr anstrengend. Besonders die ersten zwei Jahre sind sehr leistungsorientiert. Erst ab dem dritten Jahr ist es zwar immer noch viel Stoff, aber der Leistungsdruck ist geringer und das Gelernte kann praktsich angewandt werden. Zu Studienbeginn haben wir zum Beispiel gelernt, wie man ein Anamnesegespräch führt – eine Art, wie man die Beschwerden eines Patienten erfasst. In meinen Praktika konnte ich das anwenden und hatte das erste Mal ein besseres Verständnis davon, wie es ist, Ärztin zu sein.

Von Amelie Rook

Maschinenbau: Zeichnen, sägen, fräsen

Dass ich ein Mädchen bin, passt schon nicht zu dem typischen Bild eines Maschinenbaustudenten. Zwar waren die Männer deutlich in der Überzahl, als ich am ersten Tag in den Hörsaal kam, doch war ich selbst überrascht, wie viele Mädchen ich dazwischen entdecken konnte. Vor Studienbeginn hatte ich besonders Respekt vor dem Mathe-Lernstoff. Ich hatte Angst, dass der Inhalt in den Vorlesungen zu schwierig ist. Doch auch hier wurde ich angenehm überrascht: Am Anfang wiederholt man viel Stoff aus der Schule. Und nicht nur Mathe: Maschinenbau „klaut“ viele Inhalte  aus anderen Studiengängen. Im ersten Semester hatten wir viele Mathe- und Mechanik-Module, später kommen noch Inhalte von Elektrotechnik und Informatik dazu. 


Yu Wang (18) studiert Maschinenbau in Berlin.foto: Qian Wang

Maschinenbau hat jedoch den angenehmen Vorteil, dass das Studium sehr lebensnah ist und wir uns weniger mit mathematischen Beweisführungen beschäftigen. Doch es sind nicht nur geistige Fähigkeiten gefragt, auch handwerklich müssen wir etwas draufhaben. Im Praktikum, das ich am Anfang und am Ende meines Bachelorstudiums machen muss, säge, bohre und fräse ich. Außerdem fertige ich technische Zeichnungen sowohl am Computer als auch per Hand an – was mich bis zum Ende meines Studiums begleiten wird.

Von Jeffrey Ji-Peng Li

BWL: Überraschend kreativ

Mit Hemd und Hornbrille und die Nase ganz oben – das ist BWL-Justus. Der Facebook-Account zum BWL-Klischee hat fast eine halbe Millionen Follower. Und er verkörpert den Grund, warum mir „Ich studiere BWL“ nie leicht über die Lippen kam. Geldgeil und arrogant: Diesen Klischees wollte ich ganz sicher nicht entsprechen. Gut, der Vorwurf, BWL sei einfach, lässt sich nicht ganz widerlegen. Trotz schwieriger Mathe-Fächer kann man es sich mit passender Kurswahl leicht machen.


Jacqueline Hadasch (24) studierte BWL in Jena.
Foto: privat

Trotzdem: Es gibt auch anspruchsvolle Kurse wie Unternehmensgründung und Projektmanagement. Dank des ganzen Klischee-Geredes fand ich mein Studium trotzdem lange Zeit uncool. Erst spät fiel mir auf: Unser Studium ist die Zutatenliste für die Start-up-Gründung. Kaum verwunderlich, dass auch der Gründer der nachhaltigen Suchmaschine Ecosia ein BWLer ist. Auch meine Kommilitonen sind nicht wie BWL-Justus: Da war Nicole, die über Modedesign bloggt oder Alexa, die nach dem Masterstudium Künstler für Musiklabels vermarkten möchte. Und ich? Ich habe mich nach dem BWL-Studium dem Journalismus gewidmet. Das BWL-Studium öffnet euch viele Türen. Ihr müsst kein schnöder Justus sein.

Von Jacqueline Hadasch

Jura: Fleiß und Verstand

Dass ich es bis ins zwölfte Semester schaffen würde, war mir während meines Jurastudiums nicht immer klar. Denn bis hierhin haben mich jede Menge Zweifel begleitet – vor allem an mir selbst. Dass das Studium hart wird und ich viel lernen muss, damit habe ich gerechnet. Trotzdem wollte ich meinen Kindheitstraum, Jura zu studieren, umsetzen und redete mir ein, es wird wie in der Schule: Mit viel Fleiß ist alles machbar.


Olivia Rzasa (24) studiert Jura in Hannover.
Foto: Olivia Rzasa

Damit flog ich gehörig auf die Nase. Man kann nicht alles lernen, was im Staatsexamen, der großen juristischen Prüfung, abgefragt werden könnte. Das musste ich durch viele frustrierende Probeklausuren erst verstehen. Zum Jurastudium gehört mehr als stumpfes Herunterbeten und Auswendiglernen. Klar, die Definitionen und Theorien habe ich drauf, doch viel wichtiger ist, mein Wissen auch auf unbekannte Fälle anwenden zu können.  Erst während meiner Praktika habe ich gemerkt, wie gerne ich das mache. Dabei ist Jura alles andere als lebensfern: Beispielsweise kenne ich bei Abo-Fallen und Reklamationen meine Rechte. Durch das Studium bin ich viel kritischer geworden. Gerne diskutiert habe ich immer schon – jetzt bin ich fast eine Expertin darin.

Von Carlotta Hartmann


Berufsberaterin Anke Panhorst: „Ein Studienabbruch ist kein Beinbruch“

Frau Panhorst, wie finde ich unter Tausenden von Studiengängen heraus, welcher der richtige für mich ist?

Die Studiensuche ist heute die Qual der Wahl und kann schnell überfordern. Wichtig ist, sich einen langfristigen Plan zu machen – und seine Entscheidung nicht von heute auf morgen zu fällen. Die Berufswahl ist ein Prozess. Die Zeit zwischen Abiprüfungen und den Einschreibungsfristen der Unis ist knapp. Deshalb sollte man das Thema immer wieder aufgreifen und reflektieren: Wer bin ich? Was kann und will ich? Auch wenn das nicht leicht ist. Es gibt neben der individuellen Beratung mit einer Potenzialanalyse bei der Agentur für Arbeit auch noch viele weitere Hilfestellungen. Zum Beispiel Internetseiten wie berufenet.arbeitsagentur.de, bei denen man Berufsgruppen eingrenzt oder studienwahl.de, wo es über 18000 Studiengänge gibt.

Was mache ich, wenn meine Erwartungen im Studium nicht erfüllt werden?

In dieser Situation ist man nicht allein: Rund ein Drittel aller Studienanfänger beenden ihr Studium nicht.  Nicht nur Unis bieten Unterstützung und Beratungsangebote an, auch wir haben ab Mai eine offene Sprechzeit bei Studienzweifeln. Ein Studienabbruch ist kein Beinbruch.


Wer seinen Traumberuf finden will, braucht Zeit. Doch auch, wer ihn nicht auf Anhieb findet und Umwege geht, wird auf dem Arbeitsmarkt gesucht, meint Anke Panhorst (40), Berufsberaterin für Abiturienten und Hochschüler bei der Agentur für Arbeit in Hannover.

Ist ein abgebrochenes Studium im Lebenslauf für Arbeitgeber unattraktiv?

Nein, auf keinen Fall bedeutet es das Scheitern der beruflichen Karriere! Die meisten Studierenden brechen in den ersten beiden Semestern ab, doch grundsätzlich sind Abbrecher auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Sie bringen Erfahrung mit: Ganzheitliches Denken, Analysekompetenzen – Unternehmen schätzen Lebenserfahrung. Dabei spielen Alter und Semesteranzahl selten eine Rolle. Wichtig ist: Überzeuge das Unternehmen, dass du eine neue Perspektive in diesem Job gefunden hast.Hat ein Studium heute überhaupt noch einen Mehrwert gegenüber Ausbildungen?Es gibt einen Trend zur Akademisierung. Dennoch ist die Arbeitslosenquote unter Akademikern niedriger als in anderen Berufsgruppen. Außerdem: Es muss nicht immer eine Entscheidung von „entweder – oder“ sein. Wer vor seinem Studium eine passende Ausbildung macht, kann später auch finanziell Vorteile haben. Grundsätzlich gilt: Man ist vor allem gut und erfolgreich in den Dingen, an denen das Herz hängt.

Von Sarah Seitz


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