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Annie Ernaux bis Patricia Highsmith: Gute Bücher können auch kurz sein

Annie Ernaux bis Patricia Highsmith: Gute Bücher können auch kurz sein
Foto: Unsplash/Henry Be

Viele nehmen sich vor, mehr zu lesen – und sind dann schnell überfordert, wenn sie ein 500-Seiten-Buch vor sich haben. MADS-Autorin Marie stellt fünf kurze Bücher vor.


Mehr Sport machen, weniger am Handy sein, mehr Bücher lesen – Neujahrsvorsätze gibt es in allen Formen und Farben. Spätestens im Frühling verabschieden sich die meisten dann wieder von ihren Zielen. Das muss aber nicht sein: Wessen Vorsatz das Lesen war, der kann auch mit kurzen Büchern sein Leseziel erreichen.

Annie Ernaux: „Erinnerungen eines Mädchens” (2018)

Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux ist bekannt für ihre autobiografischen Bücher – und dafür, dass sie vergangenes Jahr den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat. In „Erinnerungen eines Mädchens” setzt sich Ernaux mit einer besonders prägenden Episode ihres Lebens auseinander: Mit 18 macht sie als Betreuerin in einer Ferienkolonie ihre ersten sexuellen Erfahrungen, darauf folgen Scham, Hohn und Ausgrenzung.

Foto: Suhrkamp Verlag

Auf rund 160 Seiten taucht sie in die Vergangenheit ein und stellt sich dieser. Sexualität, Essstörungen, die eigenen Erfahrungen: Eloquent und prägnant geschrieben, lädt Ernaux dazu ein, für wenige Stunden mit ihr in das Frankreich der 50er und 60er verschwinden.

Oscar Wilde: „Das Bildnis des Dorian Gray” (1890)

Auch wenn viele vor den Klassikern der Literatur aufgrund vermeintlicher Komplexität zurückschrecken, gibt es auch hier eine Reihe an kurzen, gut lesbaren Werken. Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray” gehört dazu. Der titelgebende Protagonist lässt sich von seinem Künstlerfreund Basil portraitieren, gerät schnell an falschen Einfluss und findet sich in einer Geschichte über Skandal, Schönheit, hedonistischen Ausschweifungen und Dekadenz wieder.

Das Buch wurde bereits mehrmals verfilmt, unter anderem mit Ben Barnes in der Hauptrolle, und ist Teil des Kanons der Weltliteratur. Wildes einziger Roman bleibt trotz der rund 130 Jahre seit der Veröffentlichung auch aus moderner Perspektive relevant – und lässt sich mit rund 230 Seiten schnell durchlesen.

James Baldwin: „Giovannis Zimmer” (1956)

Wem die homoerotischen Untertöne in „Das Bildnis des Dorian Gray” nicht explizit genug sind, der wird bei James Baldwins „Giovannis Zimmer” fündig. David, ein junger Amerikaner, wartet im Paris der 1950er auf die Rückkehr seiner Verlobten aus Spanien. Doch als er den Italiener Giovanni kennenlernt, beginnen sie eine Affäre – und damit beginnt auch eine Tragödie.

Foto: dtv

Was bei Baldwins Schreibstil auffällt, ist, wie sorgsam Syntax und Sprache eingesetzt werden. Man merkt, dass kein Wort zufällig seinen Platz gefunden hat. Mit knapp 150 Seiten zählt „Giovannis Zimmer” zweifellos zu den kürzesten Romanen.

Tschingis Aitmatow: „Dshamilja” (1958)

„Ich schwöre es, die schönste Liebesgeschichte der Welt“, hat der französische Schriftsteller Louis Aragon über Aitmatows „Dshamilja” gesagt. Die Novelle spielt während des Zweiten Weltkriegs und erzählt aus Perspektive des 15-jährigen Said eine Liebesgeschichte zwischen seiner Schwägerin Dshamilja und dem Frontheimkehrer Danijar.

Foto: Suhrkamp Verlag

Auf gerade mal 120 Seiten entfaltet sich inmitten poetischer Naturbeschreibungen der kirgisischen Landschaft Aitmatows Geschichte. Sowohl leicht als auch schnell zu lesen, kann „Dshamilja” mit liebenswerten Charakteren überzeugen.

Patricia Highsmith: „Der talentierte Mr. Ripley” (1955)

In eine ganz andere Richtung geht Patricia Highsmiths „Der talentierte Mr. Ripley”. In dem Kriminalroman geht es um den titelgebenden Tom Ripley, der sich auf den Weg nach Italien macht, wo er Richard „Dickie” Greenleaf, den Sohn eines wohlhabenden Unternehmers, zurück in die USA holen soll. Doch im fiktiven Mongibello angekommen, findet der ärmliche New Yorker schnell Gefallen an Dickies unbesorgtem Lebensstil und seiner Freundin Marge – und verwickelt sich in eine Kriminalgeschichte, die eine Flucht aus seiner alten Existenz darstellt. Mit knapp 260 Seiten und Handlungsorten wie Paris, Neapel und der italienischen Provinz ist Highsmiths Roman sowohl ein Einblick in die Psyche eines Kriminellen als auch eine Reise durch den Süden Europas.

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Die Verfilmung der Geschichte mit Matt Damon, Jude Law, Gwyneth Paltrow und Cate Blanchett schafft es zudem, die Ästhetik der Welt rund um Tom Ripley auf besondere Art einzufangen – denn beginnt der Film noch mit einer an „Call Me by Your Name” erinnernden Bildsprache, entwickelt er sich mit der Zeit immer mehr in Richtung Film Noir.


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Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

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