Von Saufgelagen und Rassismus – Leon Montero über seine Erfahrungen mit Verbindungen
Studentenverbindungen genießen in der Gesellschaft nicht den besten Ruf. Der freiberufliche Fotograf und Journalist Leon Enrique Montero (25) hat sich trotzdem dazu entschieden, einer solchen beizutreten. Jetzt geht er mit einer Vortragsreihe über seine Erlebnisse auf Tour.
Zimmer in großer Villa frei, Sechser-WG in Uni-Nähe, nur Jungs, 200 Euro warm. Wer in einer typischen Studentenstadt auf Wohnungssuche geht, stößt nicht selten auf eine Anzeige dieser Art. Eigentlich ein gutes Angebot. Was jedoch auf den ersten Blick kaum ersichtlich ist: Dahinter verbergen sich in den meisten Fällen Studentenverbindungen.
Diese Zusammenschlüsse von aktiven und ehemaligen Studenten werben meist mit Gemeinschaft, Tradition und Feierei. Doch heutzutage stehen sie auch oft in der Kritik. Gerade einige Burschenschaften – eine besonders traditionelle Form der Studentenverbindung – fielen in der Vergangenheit durch rechtsextreme Tendenzen auf.
Leon auf „Reise nach Germania“
Leon Enrique Montero ist 2019 für sein Studium nach Hannover gezogen und dort einer katholischen Studentenverbindung beigetreten. Im Anschluss hat sich der freiberufliche Fotograf und Journalist aus Recherchezwecken auch bei rechtsextremen Burschenschaften beworben. Was er dort erlebt hat, dokumentierte Leon in seiner Reportage „Reise nach Germania“. Jetzt geht der 25-Jährige mit einer Vortragsreihe zu diesem Thema auf Tour.
Leon ist damals aber nicht etwa aus Versehen in einer Verbindung gelandet. Die Gründe für seinen Eintritt waren vielfältig. „Ich fand das einfach interessant. Man läuft mal an deren Häusern vorbei oder ist durch Zufall mal auf einer Party in einer Verbindung, aber so richtig kennt man das Leben dann doch nicht. Und ich habe damals schlichtweg ein Zimmer gesucht, und das ist eben sonst nicht so leicht in einer Studentenstadt.“ Trotz seines Interesses habe Leon den Verbindungen aber von vornherein kritisch gegenübergestanden, wie er betont. „Es war mir klar, ich will die Anfangszeit mitnehmen, aber nicht mein ganzes Leben dort verbringen. Viele Verhaltensweisen und Prinzipien lehne ich eigentlich kategorisch ab.“
Studentenverbindung als „Freundschaft auf Kommando“
Sein Alltag in der katholischen Verbindung war geprägt von verschiedenen Verpflichtungen. „Es gibt da den Convent, wo man sich alle zwei Wochen trifft und Verbindungsangelegenheiten klärt. Oder ‚die Kneipe‘, ein rituelles Trinkgelage, wo gemeinsam gesungen wird. Das läuft meist nach strengen Regeln ab, kann aber natürlich trotzdem Spaß machen“, erzählt Leon. „Und dann musste man bei uns auch verschiedene Gottesdienste besuchen. Grundsätzlich ist man eben in einer Gemeinschaft und hängt viel mit den eigenen Bundesbrüdern rum oder besucht andere Verbindungen.“
Es sei ein bisschen wie „Freundschaft auf Kommando“, sagt Leon. Was er aber nicht unbedingt verurteile. „Das hat mich auch an mir selbst überrascht. Ich stand dem Verbindungswesen ja erst kritisch gegenüber. Aber dieses Gemeinschaftsgefühl, das ist vielleicht etwas, was bei uns Menschen inhärent ist. Man ist in Gesellschaft, versteht sich mit den Leuten gut und möchte dann auch irgendwie gefallen und akzeptiert werden.“
„Dann kotzt man sich lieber die Seele aus dem Leib“
Doch zur Gemeinschaft gehört in vielen Verbindungen auch exzessiver Alkoholkonsum. „Ich bin selbst jemand, der auch mal einen über den Durst trinkt, aber es gab einige Abende, die schon eklig und unangenehm waren“, meint Leon. Einen aktiven Trinkzwang gebe es in den Verbindungen zwar nicht, doch durch das Gemeinschaftsgefühl, den Willen dazuzugehören und um dem Ansehen seiner Verbindung nicht zu schaden, trinke man trotzdem mit. „Es gab auch Abende, wo Leute zur Sau gemacht wurden, wenn sie nicht getrunken haben. Dann kotzt man sich eben lieber die Seele aus dem Leib und wacht am nächsten Morgen ohne Erinnerungen auf.“
Das war schlussendlich auch einer der Gründe für Leons Austritt. Doch das Kapitel Studentenverbindung sollte für ihn noch nicht vorbei sein. Aus Recherchezwecken bewarb er sich im Anschluss noch bei einigen Burschenschaften am rechten Rand. Was Leon, dessen Vater aus der Dominikanischen Republik stammt, dort erlebte, war blanker Rassismus. „Da saß ich mit offenen Neonazis zusammen, die mir ins Gesicht gesagt haben, dass sie mich wegen meiner Herkunft nicht aufnehmen.“
In seiner Reportage erzählt Leon von weiteren Burschenschaften, die nach dem Abstammungsprinzip rekrutieren, von Antisemitismus und seinen Erlebnissen in einer dunklen Kellerbar mit Reichskriegsflagge an der Wand. Aber er berichtet auch von liberaleren Bünden, die sich deutlich von rechtsextremen Meinungen distanzieren. Trotz seiner vielen schlechten Erfahrungen habe er auch oft gute Zeiten in seiner Verbindung gehabt, sagt Leon.
Von Benjamin Wätzold
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