Kommentar: Warum ein Kruzifix im Klassenzimmer diskriminierend ist
Ein Kruzifix in einem Klassenzimmer sei gerechtfertigt, wenn sich die Schulgemeinschaft mehrheitlich dafür ausspricht: So entschied kürzlich das oberste italienische Gericht. Eine seltsame Argumentation, meint MADS-Autorin Johanna Hausmann.
Die Schülerversammlung einer italienischen Berufsschule stimmt dafür, in allen Klassenzimmern Kreuze aufzuhängen – und ein Lehrer fühlt sich diskriminiert und in seiner Meinungsfreiheit verletzt. Das oberste Gericht in Italien hat nun nach jahrelangem Rechtsstreit entschieden, dass die Kruzifixe hängen bleiben dürfen.
Kruzifix-Pflicht in bayerischen Behörden
Solche Streitigkeiten um religiöse Symbole in Behörden und Schulen gibt es nicht nur im katholischen Italien. Auch in Deutschland brandet das Thema regelmäßig neu auf – zuletzt 2018, als der bayerische Ministerpräsident Markus Söder eine Kruzifix-Pflicht für alle bayrischen Behörden verkündete.
Sowohl in Italien als auch in Deutschland sind Staat und Kirche voneinander getrennt, der Staat ist verpflichtet, weltanschaulich und politisch neutral aufzutreten. Wie das zu Kreuzen in Klassenzimmern passt, erklären Kreuz-Befürworter gerne so: Ein Kruzifix sei nicht nur ein christliches Symbol, sondern stehe in der „kulturellen Tradition des Volkes“ (so die italienischen Richter und so ähnlich auch die CSU).
Dieses Argument kritisieren allerdings vor allem Vertreter der Kirche, die nicht wollen, dass das Kreuz aus politischem Kalkül heraus von einem religiösen zu einem kulturellen Symbol herabgewürdigt wird. Denn das wird es, wenn man verleugnet, dass ein Kreuz in erster Linie ein christliches Symbol ist und das Aufhängen dieses Symbols ein Bekenntnis zum Christentum. Dabei stellt sich auch die Frage, welchen Sinn Kruzifixe überhaupt haben, wenn man ihnen den religiös-spirituellen Wert abspricht. In einem Klassenzimmer, in dem sich alle Kinder und Jugendlichen mit ganz unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten wohlfühlen sollen, haben solche institutionellen Bekenntnisse nichts verloren.
Ein Mehrheitsbeschluss ist kein Schutz vor Diskriminierung
Besonders problematisch ist die Auffassung, das Aufhängen der Kreuze sei deshalb nicht diskriminierend, weil die Mehrheit der Schulgemeinschaft dafür gestimmt hat. Diskriminierte Gruppen sind ja meist gerade Angehörige von Minderheiten, die in einer Demokratie von Mehrheitsentscheidungen zu schützen sind. Auch der Einwand des Gerichts, es könnten auch andere religiöse Symbole aufgehängt werden, hilft an dieser Stelle nicht weiter. Angehörige von Minderheiten sollten nicht selbst für ihre Bedürfnisse einstehen müssen. Das ist Aufgabe des Staates.
Von Johanna Hausmann
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Diskriminierung? Was stimmt mi euch Deutschen nicht?
Als Atheistin fühle ich mich in keinster Weise diskriminiert, wenn ein Kruzifix im Raum hängt. Ich schliesse mich den italienischen Richtern an, dass Kruzifix steht auch für für die „Kulturelle Tradition des Volkes“. Das sogar auch andere religiöse Symbole verschiedener Glaubensrichtungen erlaubt sind, ist ja nun mehr als liberal. Schwierig wird es, wenn Menschen, wie Frau Hausmann, dem eigenen Kulturkreis so wenig Respekt und Achtung entgegen bringen und damit Konflikte zwischen den unterschiedlichen Religionen und Kulturen befeuert.