„Indianer-Kostüme sind auch an Halloween rassistisch“
Alte Fotos zeigen: MADS-Autorin Nina hat sich bereits einige Verkleidungs-Fehltritte geleistet. Als Chinesin oder Indianerin würde sie sich heute nicht mehr verkleiden. Woran das liegt, erklärt sie im Artikel.
Einfach mal jemand anders sein – das hat mich am Verkleiden schon immer fasziniert. Im Kindergarten war ich großer Faschings- und Halloween-Fan. Mal war ich eine Fee, mal eine Biene und ein anderes mal eine Chinesin. Moment – eine Chinesin?
Heute schrillen meine Rassismus-Alarmglocken, sobald ich manche Fotos meiner damaligen Verkleidungen betrachte. Ein gelber, spitz zulaufender Kegelhut und ein langes Kleid mit aufgedruckten chinesischen Schriftzeichen: Daraus setzte sich mein Chinesinnen-Kostüm zusammen, in dem ich mich stolz in der Grundschule präsentierte. Ich schäme mich. Und werde gleichzeitig ein bisschen nostalgisch. Auch als Indianerin verkleidete ich mich – mit Federschmuck und braunem Shirt. Heute würde ich diese Kostüme nicht mehr wählen.
Ich habe nicht das Recht, nur für einen Tag in die Rolle einer anderen Ethnie oder Kultur zu schlüpfen. Und mit dieser Einstellung bin ich nicht allein.
Rassismus an Fasching?
Die Leitung eines Erfurter Kindergartens hat einmal eine Bitte an die Eltern herausgegeben, ihre Kinder weder an Rosenmontag noch an Karnevalsdienstag verkleidet in die Kita zu schicken. Der Grund: Die Kinder sollen lernen, sensibler mit Kulturen umzugehen.
Auf die Entscheidung folgte eine breite, nicht ganz neue Diskussion: Können Kostüme rassistisch sein? Ja, sagt das Forum gegen Rassismus und Diskriminierung Köln. „Einige Kostüme stärken rassistische und stereotype Bilder“, heißt es auf deren Seite. Das betrifft in etwa Blackfacing-Kostüme.
Das ist Blackfacing:
Wenn sich weiße Menschen dunkler schminken, um schwarze Personen zu imitieren, nennt sich das Blackfacing. Bereits im 19. Jahrhundert stellten weiße Schauspieler in den USA schwarze Sklaven dar – damals in den sogenannten „Minstrel-Shows“. Die nachgeahmten Schwarzen wurden als dümmlich, gelegentlich als fies und immerzu als fröhlich dargestellt. Seinen Ursprung hat das Blackfacing im europäischen Kolonialismus, der vor allem von grausamer Gewalt und Gräueltaten geprägt war. Auch im Karneval findet das Blackfacing noch immer statt.
2017 hat das Forum die Plakatkampagne „Ich bin kein Kostüm!“ in Deutschland ins Leben gerufen – inspiriert von einer Studierendengruppe of Color aus Ohio. Auf Infoscreens der U-Bahn zeigten sich Betroffene, deren Ethnie vielen zu Karneval als Kostüm dienten – begleitet von dem Satz „Ich bin kein Kostüm“.
Deutlich wird durch Kampagnen wie diese, dass viele Menschen Kostüme durchaus als rassistisch empfinden – und nicht wollen, dass sich andere an Karneval aus Spaß als Mitglied ihrer Kultur oder Ethnie verkleiden.
Auch die Kostüme meiner Kindheit können also bereits die Gefühle anderer verletzt haben. Mein guter Wille spielt dabei keine Rolle.
„Aber es ist doch nett gemeint…“
Yakari, Pocahontas und Winnetou prägten das Bild, das ich während der Grundschulzeit von indigenen Völkern hatte. Naturverbunden und unabhängig stellte ich sie mir vor. Auch die chinesische Kultur faszinierte mich.
Mit meinen Kostümen versuchte ich also, einen Tag in die Rolle meiner Helden zu schlüpfen. Genau das gilt im Karneval oft als Argument für eigentlich ziemlich rassistische Kostüme: Es sei doch ein schönes Kompliment für die Indianerin, wenn man sich nach ihrem Ebenbild verkleide.
Das stimmt aus zwei Gründen nicht: Nicht-betroffene Menschen können weder wissen, wie sich anfühlt, wenn sich fremde Menschen auf einmal launig als Teil ihrer Ethnie oder Kultur verkleiden. Noch können sie einfach davon ausgehen, dass es die Betroffenen schon freuen wird. Zum anderen ist Wertschätzung keine Rechtfertigung für verunglückte Kostüme, die auch als Parodien durchgehen könnten. Ethnien und Gruppierungen, die womöglich selbst lange Zeit unterdrückt wurden, zum Spaß auf stumpfe Stereotype herunter zu brechen, bleibt unsensibel.
Mein Grundschul-Ich würde ich deshalb nicht als Rassistin bezeichnen – genauso wenig meine Eltern. Eigene Handlungen zu reflektieren und sich zu fragen, wessen Gefühle durch bestimmte Kostüme verletzt werden, hat sich eben erst später etabliert. Rassistisch waren die Kostüme trotzdem.
Statt in die Rolle einer fremden Kultur zu schlüpfen, trage ich deshalb dieses Jahr ein Katzenkostüm. Verkleiden geht eben auch, ohne die Gefühle anderer Menschen zu verletzen.
Zum Weiterlesen:
Ich als Imker spreche im Namen meiner Bienen: Wir fühlen uns mit dem letzten Foto extrem diskriminiert!!!
Mein Gott – was für ein bescheuerter Artikel!!
Bieninnen und Bienen, wenn ich bitten darf!
oder Bienende.
Kinder verkleiden sich als das, was sie bewundern. Ich war Indianerhäuptling, Clown, Dame, weil ich diese Charaktere bewunderte und selber so sein wollte. Am Fasching ergab sich eben eine solche Gelegenheit. Später als ich erwachsen wurde, war Fasching für mich nicht mehr interessant, da ich mich nur noch verkleidete, weil es sich so gehört und nicht weil ich jemand anderes sein wollte. Wenn sich Erwachsene als Indianer verkleiden, machen sie dies, um sich darüber lustig zu machen, ganz anders als in der Kindheit.
Ich bin der Meinung das Kinder erstmal keine Rassisten sind. Die kleinen machen sich darüber bestimmt keine Gedanken die wollen Spaß haben frei sein! Warum müssen die Erwachsenen das kaputt machen? Was dürfen wir denn dann noch bald sagen oder machen um nicht den nächsten irgendwie zu verletzen?! Oft ist doch auch zu lesen das es denn einzelnen gar nicht stört. Ist es dann auch rassistisch wenn man ins Solarium geht um braune Haut zu haben oder Ausländer kommen und eine Tracht tragen auf der Wiesen oder Ausländer sich blond färben bzw die Haut aufhellen um europäische zu wirken?
Früher gab es Freiflächen, auf denen man einfach irgendwie spielen konnte, diese Möglichkeiten sind fast komplett verschwunden und auch im gesellschaftlichen Bereich ist man dabei, jegliche „Freifläche“ abzuschaffen, in jeden Bereich mit dem erhobenen Zeigefinger hineinzurauschen um auch noch das letzte bißchen Spaß und Unbefangenheit auszutreiben.
Es ist eine Art „Überregelungswahnsinn“, eine Sprachhygiene, die mir wie „Neusprech“ vorkommt.
Mit dem Verkleiden soll niemand verunglimpft werden, man probiert einen Rollentausch, einmal anders sein, irgendwie, als Tier, als anderer Mensch, vielleicht sogar als Blümchen. Man kann sich durch alles mögliche beleidigt fühlen, vielleicht gehört die empörte Empfindlichkeit auch mal auf den Untersuchungstisch.
All diese Verkleidungsaktionen sind naturgemäß unvollkommen, nie ganz korrekt, vielleicht auch unbeholfen, aber in der bunten Feier ja auch nicht weiter dramatisch – an sich – wenn man nicht daraus wieder ein Begängnis macht, das dringend der Korrektur und Richtigstellung bedarf. Es sind unsere „komischen“ hier üblichen Feiern, die mehr dem Austoben und Bespaßen dienen und auch so verstanden werden sollten und wo nicht wieder mit der Lupe das „Unheil“ gesucht werden muss, um auch die letzte politisch unkorrekte Feier und das letzte „falsche“ Wort abzuschaffen.
Oma Dietlinde fragt: Früher hatte ich lange, schwarze Haare. Nun, mit 67 Jahren sind sie fast schlohweiß. Eigentlich wollte ich sie nun wieder schwarz färben zu lassen, ich finde, weiße Haare machen alt. Aber ich möchte nicht als rassistisch gelten mit schwarzgefärbten Haaren?