MADS erklärt: Gender Health Gap – wie die Medizin Frauen vergisst
Der Gender Pay Gap ist seit einigen Jahren immer wieder Thema: Frauen machen den gleichen Job wie Männer, aber werden schlechter bezahlt. Das ist nicht fair. In anderen Bereichen hat die ungleiche Behandlung der Geschlechter noch viel weitreichendere Folgen. Der Gender Health Gap beschreibt das Ungleichgewicht in der medizinischen Behandlung von Frauen und Männern.
Seit Jahrhunderten orientiert sich die Gesundheitsforschung an männlichen Patienten. Die Konsequenz daraus ist, dass Behandlungsmethoden auf männliche Bedürfnisse abgestimmt werden. Die Körper von Frauen und Männern unterscheiden sich jedoch in einigen Aspekten. Deswegen kann das Ganze schwerwiegende Folgen haben.
Gender Health Gap: Unterschiedliche Symptome
Das zeigt sich etwa beim Herzinfarkt. Die Symptome dürften vielen bekannt sein. Man denkt an ein Stechen in der Brust und Kurzatmigkeit, dazu Schmerzen im linken Arm. Das sind allerdings die Symptome von Männern. Bei Frauen hingegen kann sich ein Herzinfarkt auch durch Übelkeit, Schmerzen im Oberbauch und Nackenschmerzen bemerkbar machen. Dies ist aber weniger bekannt, was zur Folge hat, dass Frauen häufiger an Herzinfarkten sterben – obwohl sie diese seltener bekommen als Männer. Das zeigt eine Studie aus dem Jahr 2021.
Dieses Phänomen ist auch als Gender Health Gap bekannt. Diese Lücke beschreibt fehlendes Wissen und Daten über Frauen, weil sie in Studien deutlich unterrepräsentiert sind, wie die Johns Hopkins University ebenfalls darlegt. Medikamente wirken bei Frauen und Männern oft unterschiedlich. Eine falsche Dosierung führt zu unerwünschten Nebenwirkungen, in vielen Fällen wird die Krankheit wegen unterschiedlicher Symptomen bei Frauen gar nicht erst erkannt. Die Medizinische Universität in Wien berichtet über eine in Dänemark über einen Zeitraum von 21 Jahren durchgeführte Studie, die zeigt, dass Frauen bei mehr als 700 Krankheiten später eine Diagnose erhielten als Männer. Bei Diabetes betrage die Verzögerung zum Beispiel viereinhalb Jahre. Die Unterrepräsentation habe zur Folge, dass Frauen eine schlechtere Behandlung und eine spätere oder gar keine Diagnose erhielten.
Chronische Krankheit oder Periodenschmerzen?
Das Thema betrifft sogar die Gynäkologie, wie die Unterleibserkrankung Endometriose zeigt. Dabei siedelt sich Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an, was zu starken Schmerzen und verminderter Fruchtbarkeit führt. In Deutschland sind zwei Millionen Frauen betroffen. Bis zu ihrer Diagnose dauert es im Schnitt acht bis zehn Jahre. Kritikerinnen und Kritiker sprechen dabei vom „Medical Gaslighting“. Frauen werden in der Medizin generell weniger ernst genommen, man spricht ihnen Schmerzen ab oder ordnet sie fälschlicherweise als psychische Beschwerden ein. So berichten Endometriosepatientinnen oft, dass ihr chronisches Leiden zunächst als gewöhnliche Regelschmerzen abgetan wurde. „Wäre Endometriose eine Männerkrankheit, wüsstet ihr genau, was das ist“, sagte Dr. Mai Thi Nguyen-Kim in ihrer Show „Maithink X“ im ZDF.
Wie kam es eigentlich zum Ungleichgewicht?
Seit den Anfängen der Medizin hat man den Körper von Männern als Ideal angesehen. Er war die Grundlage in der Forschung, und auch geforscht haben hauptsächlich Männer – das gilt bis heute, wie eine EU-Statistik zeigt. Das liegt aber nicht daran, dass Frauen nicht in der Lage wären zu forschen. Frauen wurden in der patriarchalen Gesellschaft als minderwertig angesehen und unterdrückt. Mit diesem Frauenbild ist die Medizin gewachsen. Frauen sind außerdem komplexere Probandinnen aufgrund ihres schwankenden Hormonzyklus. Es war also auch einfacher, sich nur auf Männer zu beziehen. Das hat jetzt zur Folge, dass eine Datenlücke bei den Frauen entstanden ist.
Die Lücke schließen
Und wie schließt man diese Datenlücke? Mit Gendermedizin. Der Gender Health Gap betrifft nämlich nicht nur Frauen, sondern auch nicht binäre und trans Personen. Und auch Männer. Psychische Erkrankungen werden bei Männern beispielsweise deutlich seltener erkannt. Eine geschlechterspezifische Forschung und Behandlung ist also notwendig, um sicherzustellen, dass jeder eine passende und wirksame medizinische Behandlung erhält. In Deutschland forscht und bildet die Berliner Charité zur Geschlechterforschung aus, und in Potsdam wurde eine Deutsche Gesellschaft für geschlechterspezifische Medizin eingerichtet. Genau solche Forschungsinstitute sind nötig, um die Lücke zu schließen.
Von Kathi Busjahn
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