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Wie Leonie den Haushalt ihrer Eltern übernimmt – und so etwas für die Umwelt tut

Wie Leonie den Haushalt ihrer Eltern übernimmt –  und so etwas für die Umwelt tut
Foto: Privat

Bevor Leonie abends ausgeht, ist sie es, die ihren Eltern das Essen kocht. Während ihre Freunde nach den Abi-Prüfungen ausschlafen und die freie Zeit genießen, ist sie längst auf den Beinen und erledigt den Großeinkauf. Beides macht sie freiwillig. Für drei Wochen hat die 18-Jährige in ihrem Elternhaus die Kontrolle über Küche und Haushalt übernommen – der Umwelt zuliebe. „Zero Waste“, also so wenig Müll wie möglich zu produzieren, das ist ihre Mission.  

„Ich finde es extrem wichtig, auf Demonstrationen für Umweltschutz zu gehen. Aber es kann auch sehr frustrierend sein, wenn sich trotzdem nichts ändert.“ Deswegen will sie aktiv in ihrem Alltag etwas verändern: „Möglichst wenig Müll zu produzieren ist der größte direkte Einfluss, den ich beim Thema Umweltschutz und Klimakrise haben kann“, sagt die Abiturientin.  

Geht das so einfach? 

Die Anliegen der Fridays-for-Future-Bewegung zur Klimakrise und umweltschädliche Essgewohnheiten: Leonie musste ihre Eltern mehrere Wochen beknien, bevor sie ihrem Experiment zugestimmt haben. Vater und Mutter konnten zwar die Beweggründe ihrer Tochter verstehen, als Leonie ihnen von den Problemen, die etwa Plastik in der Natur verursacht, erzählte. Ihre Eltern zum Handeln zu bewegen, das gelang der 18-jährigen Abiturientin bisher nicht. Aber das soll sich nun ändern. Schließlich hat sie selbst auch umweltschädliche Gewohnheiten abgelegt. Sie erzählt, dass es einige Zeit gedauert hätte, bis sie die Plastikberge, die zu Hause entstehen, wahrgenommen hat.

Laut der Erziehungswissenschaftlerin Bettina Hannover hat sich die Beziehung zwischen jungen Menschen und ihren Eltern verändert: „Der Nachwuchs sieht Vater und Mutter heute eher als Freunde und auf Augenhöhe“, sagt sie. „Die Kinder wollen ihre Eltern mitnehmen.“ Dazu gehört aber auch, dass der Nachwuchs tolerant reagiert, wenn die eigenen Vorstellungen und Ideen nicht gut bei den Eltern ankommen. Doch die stehen dem Experiment skeptisch gegenüber. Leonie stört, dass es kaum gemeinsame Essen in der Familie gibt. „Wir suchen uns eher alle etwas zusammen“, erzählt Leonie. 

Leonies Eltern haben wenig Zeit, deswegen geht die Familie oft essen oder es gibt Fertigprodukte. Das ist schnell und unkompliziert – aber eben auch fast immer in Plastik verpackt. Leonie möchte ihren Eltern nun zeigen, dass es sich lohnt, mehr Zeit zu investieren: „Frisch kochen ist komplizierter und dauert etwas länger, schmeckt dafür aber auch um einiges besser“, sagt sie. Außerdem entdecke sie jetzt, wo sie die Kontrolle über den Speiseplan hat, viele einfache und schnelle Gerichte. Wofür sie jetzt mehr Zeit aufbringen muss, ist das Einkaufen – aber das mussten ihre Eltern vorher ja auch. Bisher kommt sie auch sehr gut mit dem wöchentlichen Budget von 70 Euro zurecht und versucht, sogar weniger zu verbrauchen. Ihre Eltern sind zwar immer noch skeptisch, aber überrascht, wie gut Leonie bis jetzt alles geregelt bekommt.

Ist das nicht total aufwendig? 

Von Spülmittel bis Spargel: In den ersten zwei Wochen hat Leonie versucht, alles aufzubrauchen, was die elterliche Küche hergab. „Das Essen war zwar manchmal etwas eintönig. Aber auch etwas Langweiliges wie Rührei mit Kartoffeln kann total lecker sein“, so Leonie. Seitdem sie frisch einkauft, ist es einfacher zu planen. Leonie wohnt in einem Dorf bei Bremen. Einen Unverpackt-Laden gibt es dort nicht, dafür kann sie etwa Milch und Eier direkt beim Bauern kaufen. Alte Flaschen und Eierkartons bringt sie einfach mit – wie im Loseladen auch. 

Foto: Sylvie Tittel/Unsplash

Frisch gekocht wird nicht jeden Tag, es gibt auch mal die Reste vom Vortag. Ansonsten kauft sie in konventionellen Supermärkten und versucht, dort möglichst wenig verpackte Lebensmittel zu kaufen. Und falls es doch mal schwierig wird, plant sie eben einen Besuch im Loseladen in der Stadt ein. 

Warum macht man das? 

Zwischen 1950 und 2015 hat die Menschheit laut einer Studie der University of California schon mehr als 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll erzeugt. Nur etwas 9 Prozent davon wurden recycelt. Zudem braucht Plastik mindestens 450 Jahre bis es sich zersetzt, währenddessen bleibt es als Mikroplastik in unserer Umwelt – schon jetzt schwimmt in den Weltmeeren sechsmal so viel Plastik wie Plankton. Unter der enormen Plastikverschmutzung leiden Menschen, Tiere und Umwelt. Leonie will nicht mehr Teil dieses Systems sein.

Und wenn sie dafür jetzt ihre ganze Familie versorgen muss, nimmt sie das in Kauf – auch wenn ihre Eltern noch skeptisch sind. Denn darüber, was gegessen und gekauft wird, hatte sie bis jetzt nicht die Kontrolle. „Jeder Kassenzettel ist ein Wahlzettel, mit dem man bewusst wählt, welchem Produzenten und welchen Marken man Geld zukommen lässt und somit fördert“, sagt sie. 

Geht es komplett ohne Plastik?

Tablettenverpackungen, Kreditkarten oder Smartphones – es gibt Dinge, die es schlicht nicht ohne Kunststoff gibt. Vollständig plastikfrei zu leben sei kaum möglich. Darum gehe es auch gar nicht: „Wenn es nicht anders geht, kaufe ich auch Plastik“, sagt Leonie. „Die Welt braucht nicht ein paar Menschen, die perfekte Zero-Waster sind, sondern viele, die es zumindest ein bisschen tun.“

Von Salima El Kurd​i

Wie gelingt es mir, weniger Plastik verbrauchen?

Jedes bisschen eingespartes Plastik ​ist ein Pluspunkt auf dem Umweltkonto, selbst wenn du nicht die Zeit aufbringen kannst, komplett müllfrei zu leben. Auf Wiedersehen, prall gefüllte Müllbeutel: Mit diesen Tipps kannst du im Handumdrehen deine Müllproduktion im Alltag reduzieren. 

Augen auf beim Gemüsekauf: ​Im Supermarkt gibt es Bio-Obst und -Gemüse fast nur in Plastik zu kaufen – welche Ironie! Denn Bio soll als Bio erkennbar sein. Das geht auch anders: Frisches Obst und Gemüse kannst du im Supermarkt auch kaufen, ohne die kleine Plastiktüte mitzunehmen. Wer in seinem Einkaufswagen keinen Müll herumschieben will, der kann in einem verpackungsfreien Supermarkt einkaufen gehen. 

Diese Tricks können dabei helfen

Körperpflege selbst gemacht: ​Schon morgens nach dem Aufstehen nehmen wir eine Müllverpackung nach der anderen in die Hand. Doch Peeling, Lippenpflege und Co. kannst du auch ganz einfach selbst herstellen: Aus einem Esslöffel Kaffeesatz und einem Teelöffel Olivenöl zauberst du im Handumdrehen dein eigenes Peeling. Gegen trockene Hände und Lippen hilft eine Mischung aus flüssigem Bienenwachs und Olivenöl. Rezeptanleitungen gibt es unter www.zerowastelifestyle.de.

Das sind nützliche Apps

App in die Tonne: ​Übrig gebliebene Mahlzeiten oder zu viel produzierte Backwaren kann man mit Apps wie „Too Good To Go“ oder „ResQ Club“ retten. Die beiden Apps informieren darüber, wo man in der Nähe zu vergünstigten Preisen übrig gebliebene Mahlzeiten oder Lebensmittel ergattern kann.


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