Werbung für Rechtsextreme: Jeremy Fragrance ignoriert seine soziale Verantwortung
Am Wochenende zeigte sich Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance überraschend mit Rechtsextremen – für die er in seiner Instagram-Story auch noch Werbung machte. Viele Fans sind empört über die Sympathiebekundung. Doch wie weit reicht seine Verantwortung als Influencer überhaupt? Ein Kommentar.
Er ist ein Internetphänomen, wie es im Buche steht. An Skurrilität ist Jeremy Fragrance kaum zu übertreffen: In seinen Videos tanzt er meist halbnackt, brüllt seinen Leitspruch „Kraft, Power, Strength“, macht immer und überall einarmige Liegestütze und empfiehlt ganz nebenbei noch verschiedene Düfte. Der Influencer, der gebürtig Daniel Schütz heißt, hat viele Fans. Sein Youtube-Kanal hat etwa zwei Millionen Abonnenten, auf Tiktok folgen ihm sogar mehr als sieben Millionen Menschen.
So bizarr sein Onlineauftritt auch sein mag, mit Rechtsextremen und -populisten konnte er nicht in Verbindung gebracht werden. Bis jetzt. Am Wochenende machte Fragrance Werbung für gleich zwei prominente Männer der rechten Szene: Alexander „Malenki“ Kleine und David Bendels.
Parfüm-Influencer posiert auch mit AfD-Spitzenpolitiker Krah
Kleine ist ein Aktivist der Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde, und hat zudem seit einigen Jahren eine Medienagentur. In seiner Story zeigte Fragrance einen Sticker dieser Agentur und verlinkte darauf. Bendels ist Herausgeber und Chefredakteur des „Deutschlandkurier“. Dabei handelt es sich um eine Zeitung, die der AfD in den Wahlkampfjahren 2017 und 2018 tausendfach gratis zur Verfügung gestellt wurde.
Zudem posierte Fragrance auf der Gala des konservativen Young Republican Clubs (NYYRC) auch mit Maximilian Krah, AfD-Politiker und Mitglied des EU-Parlaments, und Gerald Grosz, österreichischer Politiker, der bereits wegen seiner ausfallenden Bemerkungen über Markus Söder durch die Medien ging.
Obwohl Fragrance viele seiner Posts und Storys zur NYYRC zum jetzigen Zeitpunkt wieder gelöscht hat, kursieren online schon genug Screenshots der Werbungen und Sympathiebekundungen mit Rechtsextremen. Fragrance hat sich von den Anschuldigungen bisher wenig distanziert. Zum Foto mit Politiker Grosz äußerte er gegenüber dem „Business Insider“ lediglich, dass er zum Zeitpunkt der Aufnahme nichts über dessen politischen Standpunkt gewusst habe. Außerdem sagte er in einem inzwischen gelöschten Reel, dass er „nichts mit rechtsradikalem Krams zu tun“ habe. Dass das nicht wirklich mit den Ereignissen des Wochenendes zusammenpasst, fällt schnell auf. Das Video wirkt eher wie ein ungelenker Versuch, den Shitstorm zu stoppen.
Beträchtliche Konsequenzen für Jeremy Fragrance
Als Konsequenz dieser Social-Media-Beiträge sind jetzt einige Unternehmen, die in der Vergangenheit mit Fragrance zusammengearbeitet haben, klar von ihm abgerückt und haben etwaige weitere Zusammenarbeit ausgeschlossen. Dazu zählen Aldi Nord und Streaming-Anbieter Sky. Auch der Heel-Verlag, in dem sein Buch „Power, Baby! Die Jeremy-Fragrance-Story“ dieses Jahr erschienen war, trennte sich nun von dem Influencer.
Ausreichende Recherche als Verantwortung von Influencern
All das hätte der Parfüm-Fanatiker verhindern können – und müssen. Influencer können Öffentlichkeit herstellen, Aufmerksamkeit für bestimmte Themen schaffen und damit gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen. Somit tragen sie ein hohes Maß an sozialer Verantwortung gegenüber ihren Followern und der Gesellschaft. „Wir wissen aus der Forschung, dass [vor allem] minderjährige Konsumenten in den meisten Fällen noch keine voll ausgeprägten Medienkompetenzen besitzen“, sagt auch Nils Borchers, damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Leipzig, in dem 2019 erschienenen Whitepaper „Ethikkodex Influencer-Kommunikation“. Daher sollten Recherchen über mögliche Partner und deren Produkte für Influencer vor einer Zusammenarbeit unerlässlich sein. Nur so könne gewährleistet werden, dass nicht für problematische Firmen geworben wird.
Diese soziale Verantwortung hat Fragrance missachtet, als er angeblich aus Versehen die Fotos mit den Rechtsextremen postete. Denn schon das Posieren und unterschwellige Werbung machen reichen oft aus, um zu beeinflussen. Es strotzt also von Naivität, ohne vorherige Recherche und bisher ausgebliebene Reflexion diese Posts erstellt zu haben.
Unglücklicher Einzefall oder perfide Strategie?
Allerdings ist das kein Einzelfall. So posierte auch CDU-Abgeordneter Philipp Amthor 2021 mit zwei mutmaßlichen Nazis, wobei einer ein Solidaritäts-Shirt für die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck trug. Auch vom Leadsänger der Band Scooter, H.P. Baxxter, gibt es Bilder mit der Rechtsrock-Band Kategorie C . Kürzlich wurde zudem der ehemalige Berliner Innensenator Andreas Geisel von der SPD gefilmt, wie er sich in einer Bar mit dem Clanchef Issa Remmo unterhielt. Alle Beteiligten, die auf den Fotos und Videos zu sehen sind, behaupten, nicht gewusst zu haben, wer die Personen waren und welche politische Gesinnung sie vertraten.
Die „Welt“ bezeichnet dieses Kreieren von Bildern mit unwissenden Personen des öffentlichen Lebens als „eine Strategie der organisierten Kriminalität und Rechtsextremen […], um Macht zu demonstrieren“. Dafür spreche auch, dass der Büroleiter von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke laut dem „Spiegel“ in einem mittlerweile entfernten Beitrag auf X (ehemals Twitter) die Bilder als einen „metapolitischen Erfolg“ bezeichnet hat. Gemeint ist damit die Grundannahme vieler Neuer Rechter, dass geistiger Wandel einem politischen Wandel vorausgehen müsse.
Influencer tragen Verantwortung
Umso wichtiger ist es also, dass Influencer wie Jeremy Fragrance nicht einfach gutgläubig Werbung für Rechtspopulisten machen, sondern jedes Angebot kritisch hinterfragen. Der immense Einfluss von Social-Media-Persönlichkeiten ist nicht zu leugnen, und weil auch Rechtsextremisten das inzwischen verstanden haben, erhöht das die Pflicht zur Recherche.
In den Kommentaren unter Jeremy Fragrances letzten Instagram-Posts zeigt sich ein geteiltes Stimmungsbild. Viele sind entrüstet von dem Verhalten des Influencers. Anderen ist er mit seinen Posts hingegen nur noch sympathischer geworden.
Von Marie Thielebörger
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