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Upskirting-Verbot: So wirksam können Petitionen sein

Upskirting-Verbot: So wirksam können Petitionen sein
Foto: dpa

Ida Marie Sassenberg und Hanna Seidel starteten erfolgreich eine Petition gegen das sogenannte Upskirting. MADS hat mit einer der Initiatorinnen gesprochen.


Ungefragtes Fotografieren oder Filmen unter den Rock einer Frau wird als Upskirting bezeichnet. In Deutschland war das Unter-den-Rock-Filmen bisher lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Strafbar sind nur Aufnahmen, die in einem geschlossenen und privaten Raum aufgenommen werden, sowie die Weitergabe an Dritte. In Ländern wie Japan wird Upskirting bereits geahndet.

Weil Hanna Seidel (29) und Ida Marie Sassenberg (26) so entsetzt waren, dass Upskirting in Deutschland nicht verboten ist, starteten sie im April 2019 eine Petition. Mit Erfolg: Mehr als 100.000 Menschen unterschrieben „Verbietet #Upskirting in Deutschland“. In Großbritannien hatte bereits im vergangenen Jahr die Kampagne einer jungen Britin dazu geführt, dass Upskirting härter bestraft wird. Bis zu zwei Jahre Haft drohen künftig bei Upskirting – so steht es zumindest in dem Gesetzentwurf, der Mitte November vom Kabinett beschlossen wurde. Darin eingeschlossen ist heimliches Filmen unter den Rock, aber auch des Dekolletés, soweit „diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind“, also etwa durch Kleidung.

„Wir wollen sensibilisieren“: MADS-Interview mit Initiatorin Hanna Seidel

MADS: Hallo Hanna, mit eurer Petition für eine gesetzliche Regelung des Upskirtings wart ihr erfolgreich. Künftig müssen Menschen, die Frauen untenrum ungefragt fotografieren, mit einer Strafe rechnen. Was hat euch angetrieben, euch gegen das Upskirting starkzumachen?

Hanna Seidel: Mich hat bewegt, dass ich selbst zweimal Betroffene von Upskirting war. Einmal mit 13 filmte mir während einer Klassenfahrt ein Lehrer einer anderen Schule unter den Rock. Und ein weiteres Mal fotografierte mich ein Fremder auf einem Festival mit 16 zwischen den Beinen. Irgendwann, nachdem das alles passiert war, lag ich nach der Arbeit im Bett und habe einen Bericht gesehen, in dem es um Upskirting ging. Als gesagt wurde, dass das in Deutschland gar nicht verboten ist, war ich ziemlich entsetzt. Danach wollte ich dann selbst eine Petition in Deutschland gegen Upskirting unterschreiben.

MADS: So was gab es also schon?

Hanna: Gefunden habe ich nur eine Petition mit 170 Unterschriften, die bereits geschlossen war. Da habe ich mich dazu entschieden, dass ich das Thema selbst in die Hand nehme. Zur Unterstützung habe ich mir Ida dazugeholt. Unser Plan war, sehr viel Pressearbeit zu machen. Es ging uns eben nicht nur darum, Upskirting verbieten zu lassen, sondern auch die Gesellschaft zu sensibilisieren. Immerhin habe ich damals selbst gemerkt, wie es ist, bei diesem Thema nicht ernst genommen zu werden. Da kamen dann eher Sätze wie „Stell dich nicht so an“. Upskirting galt eben als Kavaliersdelikt.

MADS: Gemeinsam mit vielen anderen habt ihr es geschafft und seid zur Politik durchgedrungen. Was würdest du jungen Menschen mit einem politischen Ziel raten?

Hanna: Petitionen können sehr stark polarisieren und gehen deshalb eben auch mit viel Verantwortung einher, darüber sollte man sich bewusst sein. Wir leben in einer Zeit, in der alle möglichst laut sein wollen. Und wer laut ist, sollte so umfangreich wie möglich über sein Thema informiert sein. Wenn man auf diese Dinge achtet, sind Petitionen wie über change.org ein super Weg, um die Gesellschaft zu sensibilisieren. Auf change.org gibt es zum Beispiel auch ein Onlinecoaching, das man kostenlos nutzen kann. Betreut wird nicht jedes Projekt, weil diese Petitionsseiten ja auch nicht grenzenlose Kapazitäten haben. Wer aber Glück und ein klares Ziel hat, wird unterstützt – etwa bei wichtigen Fragen oder bei der Informationssammlung.

MADS: Die Reaktionen im Netz auf euer Engagement waren teilweise sehr aggressiv und negativ. Wie seid ihr mit dem Gegenwind umgegangen?

Hanna: Wir haben viel Gegenwind bekommen. Den bekommen wir auch jetzt noch. Das reicht von Sprüchen, dass es ja Wichtigeres gebe, bis zu Beschimpfungen. Und ich denke mir, wir leben im Jahr 2019 – wieso sind manche da noch nicht angekommen? Aber solche Reaktionen gibt es ja in vielen Bereichen. Sobald man etwas Politisches startet, gibt es eben immer auch Menschen, die das nicht gut finden. Davon haben wir uns nicht beirren lassen.

MADS: Der Gesetzentwurf wurde vom Kabinett beschlossen – war’s das jetzt für euch mit dem Thema?

Hanna: Der Gesetzentwurf wurde vom Kabinett beschlossen, ja. Aber wir alle sollten in Deutschland dafür kämpfen, dass noch viel mehr gegen sexuelle Belästigung getan wird. Denn dieses Thema, und das wissen viele Leute auch einfach nicht, die keinen Einblick in die Politik und die Justiz haben, wird dort noch stiefmütterlich behandelt. Wir müssen hier über die Grenze sprechen: Ist sexuelle Belästigung wirklich nur, wenn eine Berührung stattfindet? Und warum ist es für Opfer sexueller Belästigung so schwierig, die Täter zu belangen? Auch Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen – da muss noch viel gemacht werden. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern eben auch in der Justiz und Politik. Da würde ich mich freuen, wenn mehr Leute aktiv werden. Wir dürfen nicht müde werden, wir dürfen uns nicht auf dem ausruhen, was wir bereits geschafft haben. Wir müssen gucken, dass die Medien, die Politik und die Justiz das Thema weiter vorantreiben, dass wir uns weiterentwickeln und nicht stehen bleiben.

Von Nina Hoffmann, Lynn Pinders und Kira von der Brelie


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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