„Triangle of Sadness“: Zynische Offensive
„Triangle of Sadness“ ist unverschämt, provokant und schlicht genial. Regisseur Ruben Östlund hat mit der zynischen Komödie seine zweite Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes erhalten – zurecht, meint MADS-Autorin Alicia.
Carl und Yaya verdienen ihr Geld mit ihrer Schönheit – sie sind Models und Influencer. Da die Mode eine der wenigen Branchen ist, in denen Frauen auch mal deutlich mehr verdienen können, entbrennt beim Abendessen im Restaurant ein Streit. Wer soll nun die Rechnung bezahlen? Zwar sagen die Figuren, es gehe nicht ums Geld – doch in den folgenden zwei Stunden beweist der Film „Triangle of Sadness“ das Gegenteil. Dabei geht es nicht zwangsläufig um Geld als solches, sondern viel mehr um das Machtgefüge, das sich aus Geld, Gier und Lust ergibt.
„Triangle of Sadness“: Im Kern der Elite
Das Paar nimmt kostenlos an einer Kreuzfahrt teil, auf der die beiden kräftig Werbung machen sollen. Dem Auftrag fügen sie sich auch brav. So schießt Carl Fotos von Yaya, während sie eine Gabel mit aufgerollten Spaghetti zum Mund führt. Ein Mann am Tisch fragt irritiert nach, warum sie die Pasta denn nicht esse. Doch Yaya ist glutenintolerant. Die Influencer sind längst nicht die skurrilsten Figuren des Films. Der Tischnachbar selbst ist Düngehändler („Ich verkaufe Scheiße.“), seine Frau bringt sämtliche Abläufe auf dem Schiff mit unsinnigen Befehlen durcheinander, ein anderes Paar bedauert das Verbot von Landminen für ihr Geschäft. An jeder Ecke repräsentiert „Triangle of Sadness“ die kapitalistische Elite mit stark überspitzen Figuren, die jedoch den Nagel auf den Kopf treffen.
Gegenüberstellung der Ideologien
Dass Regisseur Ruben Östlund den Neoliberalismus verabscheut, wird spätestens beim Kapitänsdinner deutlich. Während sich draußen ein Unwetter zuspitzt, läuft auch die Situation an Bord aus dem Ruder. Durch den starken Seegang können die Passagiere ihr piekfeines Essen nicht bei sich behalten, schon bald sprühen regelrechte Fontänen vorne und hinten aus ihnen heraus. Ekel und eine gewisse Schadenfreude machen sich bei Zuschauenden breit. Die Untermalung bieten der selbsterklärte „Scheißsozialist“ und Kapitän (Woody Harrelson) sowie der russische Dünger-Oligarch. Beide schmeißen sich anti- und prokapitalistische Zitate um den Kopf und lassen das Schiff über das Bordmikrofon daran teilhaben.
Ein Matrichat inmitten des Ozeans
Damit aber noch nicht genug: Nach dem unausweichlichen Untergang des Schiffs können sich nur wenige Passagiere in Robinson-Crusoe-Manier auf eine Insel retten. Hier wird die Hierarchie auf den Kopf gestellt, als eine Reinigungskraft die Macht an sich reißt.
Der zynische Ton des Films hält sich bis zum Schluss und lässt Zuschauende mit dem titelgebenden „Triangle of Sadness“ zurück – der Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen. Von Optimismus fehlt jede Spur. Lösungen für die dargestellten Probleme präsentiert Östlund nicht, aber es geht ihm wohl auch mehr um die Provokation. Der Film ist hochpolitisch, ohne belehrend zu wirken, und bringt neuen Wind in das Genre der Komödie. Sehr sehenswert – außer man ist zufällig absurd reich und geht gerne auf Kreuzfahrten.
Der Film läuft seit Mitte Oktober in den deutschen Kinos.
Von Alicia Homann
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