Sollte es an jeder Schule einen Diskriminierungsbeauftragten geben?
Diskriminierung ist an vielen Schulen nach wie vor ein Problem. Sozialpädagogin Elvira Habibic erklärt im MADS-Interview, warum sie die Einführung von Diskriminierungsbeauftragten an allen Schulen für unverzichtbar hält.
Ob wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder der sozialen Herkunft: Viele Schülerinnen und Schüler sind von Diskriminierung betroffen. Braucht es da neben Lehrkräften und Schulsozialarbeitenden noch spezielle Diskriminierungsbeauftragte? Elvira Habibic, Sozialpädagogin an der Emil-Krause-Schule in Hamburg, spricht im MADS-Interview über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung, und erklärt, warum sie die Einführung eines Diskriminierungsbeauftragten für unverzichtbar hält.
Elvira Habibic hat am Rauhen Haus studiert und einen Master in Sozialer Arbeit erworben. Seit 2016 ist sie in diesem Beruf tätig und arbeitet als Schulsozialpädagogin für internationale Vorbereitungsklassen (IVK).
Frau Habibic, welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Arbeit mit Diskriminierung an Schulen gemacht?
Ich bin noch ganz neu an der Emil-Krause-Schule und habe noch nicht lange an Schulen gearbeitet. Insofern habe ich persönlich in dieser Position noch keine Diskriminierungsfälle erlebt. Aber ich selbst habe einen Migrationshintergrund und bin in meiner Schulzeit mit Diskriminierung konfrontiert worden. Das war wirklich schlimm. Mein Klassenlehrer in der 5. und 6. Klasse hat Ausländer nicht gemocht und mich das deutlich spüren lassen. Obwohl ich in Deutsch gut war und mich oft gemeldet habe, hat er mich nicht drangenommen. Einmal hat er sogar zur Klasse gesagt: „Schämt ihr euch nicht, sie ist Ausländerin und kann besser Deutsch als ihr.“ Ich bin in Hamburg geboren, aber meine Eltern sind als Gastarbeiter vor 50 Jahren eingewandert. Diese Erfahrung hat mich stark verunsichert, auch später im Gymnasium, weil ich dachte, wenn ein Lehrer mir sagt, dass ich es nicht schaffen werde, dann muss das wohl stimmen.
Wie würden Sie die Rolle eines Diskriminierungsbeauftragten an Schulen einschätzen? Ist das trotz der anderen Fachkräfte wie Lehrkräften, Sozialarbeitenden und Psychologen wirklich notwendig?
Ja, ich glaube, das ist total notwendig. Ein Diskriminierungsbeauftragter wäre ein Experte auf diesem Gebiet. Natürlich sind auch Lehrkräfte oder Schulsozialpädagogen geschult, aber ein Spezialist, der sich ausschließlich mit Diskriminierung befasst, hätte noch tieferes Wissen und könnte gezielter helfen.
Würde ein Diskriminierungsbeauftragter die Meldung von Diskriminierungsfällen erleichtern?
Das hängt meiner Meinung nach von der Person ab. In der Arbeit mit jungen Menschen, besonders bei so sensiblen Themen wie Diskriminierung, ist es entscheidend, dass die Schülerinnen und Schüler Vertrauen zur Person haben. Ein Diskriminierungsbeauftragter muss eine Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen, sodass sie sich trauen, mit intimen Themen zu ihm zu kommen. Es kommt also auf die Persönlichkeit des Beauftragten an, ob er wirklich eine Vertrauensperson wird.
Die Lehrkräfte und Sozialpädagogen sind ebenfalls in der Verantwortung, Diskriminierung an Schulen entgegenzuwirken. Würden sie ihre Zuständigkeit verlieren, wenn es einen Diskriminierungsbeauftragten gäbe?
Ich glaube, sie könnten gute Vermittler sein. Lehrkräfte sind den Schülerinnen und Schülern den ganzen Tag über nah und bemerken oft als Erste, wenn etwas nicht stimmt. Es wäre gut, wenn sie dann wissen, dass sie das Thema an einen Experten weitergeben können. Aber wir alle – Lehrkräfte, Sozialpädagogen und auch der Diskriminierungsbeauftragte – haben die Verantwortung, aufmerksam zu sein und für die Schülerinnen und Schüler ansprechbar zu bleiben.
Was ist mit den Kosten, die mit der Anstellung eines Diskriminierungsbeauftragten verbunden wären?
Das ist häufig das Problem, wenn es um gute Ideen geht – sie kosten Geld. Leider fehlt es im Bildungsbereich oft an ausreichend Mitteln, und Fachkräftemangel ist ebenfalls ein Problem. Aber ich denke, der Einsatz eines Diskriminierungsbeauftragten wäre eine lohnenswerte Investition.
Was könnte eine Schule ohne einen extra Diskriminierungsbeauftragten tun, um trotzdem ein respektvolles Miteinander zu fördern?
Schulen sollten grundsätzlich Schutzräume sein, wo alle respektvoll miteinander umgehen – Lehrkräfte mit Schülerinnen und Schülern, die Schülerinnen und Schüler untereinander und auch die Lehrkräfte untereinander. Eine wertschätzende Kommunikation ist der Schlüssel. Respekt und Vertrauen sollten im Vordergrund stehen. Es geht darum, wertschätzend miteinander zu kommunizieren und Probleme konstruktiv zu lösen.
Was spricht gegen einen Diskriminierungsbeauftragten an Schulen?
Ich finde die Idee grundsätzlich sehr gut, aber der Knackpunkt ist die Person, die diese Aufgabe übernimmt. Es bringt nichts, einfach jemanden einzustellen, der im Büro sitzt und sagt: „Kommt zu mir, wenn ihr ein Problem habt.“ Die Person muss aktiv Beziehungsarbeit leisten und den Schülerinnen und Schülern das Gefühl geben, dass sie immer für sie da ist. Sonst wird es für die Schülerinnen und Schüler schwer, sich zu öffnen.
Von Arsa Bushi
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