So lebt es sich in Hannovers Stadtteilen
Kurz vor Semesterstart laufen viele WG-Castings. Doch auch der Stadtteil sollte passen: Fünf WGs erzählen, was Linden, List und Co. lebenswert macht.
Unter der Decke hängen selbst gebastelte Figuren aus Uni-Übungsblättern, daneben Bänder in Neonfarben, und an der Tür klebt eine bunt bemalte Gästeliste. „Das sind Überbleibsel von der letzten WG-Party“, sagt Alex (25) stolz. Zusammen mit Christian (21) und Marysia (20) wohnt er in der Nordstadt. Die Partys der Dreier-WG sind legendär. „Wir treffen uns immer schon am Tag davor mit befreundeten WGs und schmücken alles“, sagt Christian.
Aber die drei können nicht nur zusammen feiern. Sie fachsimpeln auch gern über die Gaststätten in der Nordstadt – sämtliche Dönerbuden haben sie schon getestet. „La Vache hat die geilsten veganen Döner“, findet Christian. Er ist der einzige Vegetarier der WG. Das stört aber weder ihn noch die fleischessenden Mitbewohner. Essen kauft schließlich jeder für sich.
Dafür macht die WG sonst fast alles zusammen. Im Sommer grillen die Mitbewohner im Georgengarten. Wenn es kälter wird, trinken sie ein Bier in der Kneipe Mottenburg oder veranstalten WG-Abende im Wohnzimmer – dazu lädt jeder seine Freunde ein. Dass die Freundeskreise der drei sich vermischt haben, hat noch einen weiteren Grund: „Freundinnen von Marysia sind bei Kumpels von mir ein paar Straßen weiter eingezogen“, sagt Christian. Alex schwärmt: „So was gibt es doch nur in der Nordstadt.“ Schon seit vier Jahren wohnt er in der Wohnung unweit des E-Damms. „Das ist einfach mein Lieblingsviertel.“ Jacqueline Hadasch
CALENBERGER NEUSTADT: ALTBAU IN ZENTRALER LAGE
Die schwere Haustür führt in einen bunt gefliesten Flur. Sie wirkt wie ein Portal in die Vergangenheit. In den hohen, mit Stuck verzierten Räumen der WG von Marie (22), Zoë (20) und Alin (20) ist es heimelig: Ein offenes Vorratsregal steht im Flur, in den Zimmern der Studentinnen stapeln sich Bücher und Klamotten. Für den schönen Altbau und die zentrale Lage sind die drei in die Calenberger Neustadt gezogen. Die Wohnung liegt dicht dran an der Innenstadt, in der Nähe des Königsworther Platzes und wenige Stationen vom Kröpcke entfernt. Zu anonym ist es aber nicht: „Wir bekommen hier trotzdem was von den Leuten in der Umgebung mit“, meint Marie. Am bodentiefen Küchenfenster ist eine Gruppe von Pflanzen auf dem Boden aufgereiht. „Früher haben wir viel zusammen gegärtnert“, erzählt Marie. „Heute sitzen wir eher mal einfach so zusammen. Große Partys hatten wir hier noch keine“. Swantje Schurig
SÜDSTADT: RUHIG UND PERSÖNLICH
„Das Herzstück unserer WG ist eigentlich der Kiosk unten“, sagt Lisa (24). Zusammen mit Sarah (22) und Marvin (23) lebt sie seit Februar in der Südstadt. Die drei sind gut mit den Besitzern des Kiosks im Erdgeschoss befreundet. „Als es draußen so heiß war, haben die Jungs mir sogar ein Eis angeboten“, erzählt Sarah. In der Südstadt sind sie besonders gerne in den Restaurants. Am liebsten im Goldfisch. Dort haben Lisa und Marvin gerade Marvins Masterabschluss gefeiert. Auch die Nähe zum Maschsee finden die drei super, hier gehen sie oft spazieren oder joggen. Die Studenten unternehmen viel gemeinsam: Vom entspannten Frühstück zu Hause über Schlauchboottouren bis zu angeregten Gesprächen über alles Mögliche – wie Tindererfahrungen oder Dates. Zwar haben die drei keine Party-WG, gehen aber gerne mal außerhalb feiern. „Die Südstadt ist halt eher etwas ruhiger“, meint Lisa. Greta Friedrich
LIST: STUDIS UND LEHRER
„Hübsche Häuserfassaden, für Studenten kaum erschwingliche Mieten und Lehrer-Pärchen mit einer Vorliebe für Bioprodukte“ – so fasst Jura-Studentin Karoline (23) das Klischee der List zusammen. „Letztendlich stimmen die Vorurteile“, sagt sie lachend, „aber das macht den Charme der List aus.“ Sie und ihre Freundin Anni (23) wohnen seit viereinhalb Jahren dort in ihrer WG. Mit der Wohnung nahe der Lortzingstraße hatten sie Glück. Die Miete ist bezahlbar, mit dem Rad sind sie in zehn Minuten am Hauptbahnhof, an der Uni und bei den Studentenkneipen der Nordstadt. Sie haben das typische Studentenflair nicht vor der Tür, „aber wir sind superschnell dort, wenn wir wollen“, sagt Anni. „Man muss die List aber nie verlassen“, erklärt Karo. Es sei alles da: Discounter und Bioladen, Frühstück im Café Grauwinkel, Essen und Cocktails im Treibhaus. „Und, typisch Dorf: Man trifft an jeder Ecke Bekannte.“ Sarah Seitz
LINDEN: VIEL MEHR ALS PARTY
Fragt man Jan (31), wo er in Linden gern unterwegs ist, nennt er fast alle bekannten Lokale des Viertels. Ob Faust, Feinkost Lampe oder Café Glocksee – das Urgestein hannoverscher Studentenviertel bietet unzählige Ausgehmöglichkeiten. „Wenn’s mal lauter wird, beschwert sich hier keiner, sondern feiert selbst die nächste Party“, sagt Jan. Doch nicht nur wegen des regen Nachtlebens gefällt ihm der Stadtteil.In seiner WG mit Vasil (28) und Kira (26) nimmt er gerne eine Auszeit vom Trubel der Limmerstraße. Sie wohnen in Linden-Nord, unweit des Béi Chéz Heinz nahe großzügiger Grünanlagen und der Ihme. „Eigentlich leben wir nicht nur zu dritt zusammen, wir sind eine ganze Hausgemeinschaft“, erzählt Jan. Für einen Kaffee beim Nachbarn oder Ausflüge zum Lindener Marktplatz nehme sich jeder im Haus Zeit. „Hier gibt es immer was zu tun, die Menschen sind sehr offen“, sagt Jan. „Deshalb wohne ich seit sechs Jahren in Linden.“ Carlotta Hartmann