Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024: Das sind die Finalisten
Gerade erst stand die Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises fest, schon sind die Finalisten bekannt: Was die sechs Bücher der Shortlist können und wer sie geschrieben hat.
Sechs Autorinnen und Autoren hoffen auf die wichtigste Auszeichnung in der deutschen Literatur: Der Deutsche Buchpreis ehrt jährlich auf der Frankfurter Buchmesse die besten Romane. Auf der Longlist standen zunächst 20 Bücher, sechs von ihnen haben es jetzt auf die Shortlist und damit ins Finale geschafft. Jurysprecherin Natascha Freundel erklärte in einer Pressemitteilung: „Für die Shortlist des deutschen Buchpreises 2024 haben wir Romane ausgewählt, die auf neue Weise Licht und Dunkel unserer jüngeren Geschichte erkunden, die auch erzählerisch Grenzen überwinden und dabei große literarische Abenteuer sind.“
Wer das Rennen macht, verkündet die Jury am 14. Oktober. Bis es so weit ist, bleibt also genug Zeit, sich ein eigenes Bild von den Finalisten zu machen.
Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir? (Klett-Cotta)
„’Hey guten Morgen, wie geht es dir? ‚ – so kann eine Handynachricht beginnen, die Afrika mit Europa verbindet“, beschreibt Jurysprecherin Natascha Freundel das Buch. „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ dreht sich um Protagonistin Juno. Diese chattet mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Heiratsschwindler zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sagen, was sie will – und wird so selbst zur Lügnerin. Bis sie auf Benu trifft, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine.
Autorin Martina Hefter veröffentlichte drei Romane und fünf Gedichtbände. In diesem Jahr erhielt sie bereits den großen Preis des deutschen Literaturfonds.
Maren Kames: Hasenprosa (Suhrkamp)
Den Hasen, der sich durch dieses Buch zieht, nennt die Jury einen „Begleiter wie bei Alice im Wunderland“. Passend dazu erschien „Hasenprosa“ kurz vor Ostern – ob Zufall oder Absicht, es erregte Aufmerksamkeit. Einen klassischen Roman bekommt man auf den 182 Seiten nicht. Vielmehr lyrische Prosa und eine Handlung, die sich irgendwo jenseits der Realität zwischen Träumen und Märchen abspielt. Die Jury spricht von „sprühendem Sprachwitz und lakonischen Vollbremsungen“.
Maren Kames‘ vorherige zwei Bücher „Halb Taube, halb Pfau“ (2016) und „Luna Luna“ (2019) wurden mehrfach ausgezeichnet. Die Autorin lebt in Berlin.
Clemens Meyer: Die Projektoren (S. Fischer)
Mit satten 1056 Seiten das dickste Buch der diesjährigen Shortlist: „Die Projektoren“. Der 47-jährige Autor Clemens Meyer erzählt aus der Gegenwart, die an ihrer Vergangenheit zu zerbrechen droht. Dabei kreiert er Szenarien an ganz unterschiedlichen Orten. Im Velebit-Gebirge erlebt ein ehemaliger Partisan die Dreharbeiten der „Winnetou“-Filme. Jahrzehnte später finden an genau diesen Orten die brutalen Kämpfe der Jugoslawienkriege statt – mittendrin eine Gruppe junger Rechtsradikaler aus Dortmund, die erlebt, wie sinnlos ihre Ideologie ist. In Leipzig werden bei einer Konferenz in einer psychiatrischen Klinik die Texte eines ehemaligen Patienten diskutiert.
Meyer lebt in Leipzig und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen. Sein Debüt erschien 2006: „Als wir träumten“.
Ronya Othmann: Vierundsiebzig (Rowohlt)
Die jüngste Finalistin heißt Ronya Othmann und ist 31 Jahre alt. Als Journalistin und Schriftstellerin veröffentlichte sie mit „Vierundsiebzig“ ihren zweiten Roman. Dieser behandelt den Genozid an der êzîdischen Bevölkerung, genau genommen den vierundsiebzigsten, den Kämpfer des Islamischen Staats 2014 in Shingal verübten. Othmann folgt den Spuren dieses Massenverbrechens und packt sie in Sprache. Dabei beschreibt sie: „Ich habe gesehen. Das Ich ist ein Zeuge. Es spricht, und doch hat es keine Sprache.“
Es vermischen sich mehrere Formen des Erzählens: Reisereportagen, Gerichtsprotokolle, historische Exkurse und Autobiografisches.
Markus Thielemann: Von Norden rollt ein Donner (C.H.Beck)
Im Fokus dieser Geschichte stehen der 19-jährige Jannes und seine Familie. Sie treiben die Schafe über die Flächen der Lüneburger Heide. Doch es herrscht eine gärende Unruhe in der Gegend: Der Wolf ist zurück. Es entstehen (nicht nur) politische Konflikte im Dorf. Autor Markus Thielemann stellt die Frage: Kann Heimatschutz Gewalt rechtfertigen? Selbstjustiz und eine völkische Ideologie prägen „Vom Norden rollt ein Donner“.
Dass der 32-Jährige weiß, wovon er schreibt, lässt zumindest sein Studium der Geografie und Philosophie vermuten. Thielemann lebt in Hannover. Die Jury sagt: „Er erzählt (…), welche Gefahren in Schweigen, Verdrängung und Verklärung des Alten liegen.“
Iris Wolff: Lichtungen (Klett-Cotta)
„Man kann sich immer entscheiden, welche Geschichte man erzählen will“, meint Schriftstellerin Iris Wolff. Mit ihrem fünften Roman „Lichtungen“ entschied sie sich für eine Coming-of-Age-Story in Rumänien Ende des 20. Jahrhunderts. Als der elfjährige Lev auf Kato trifft, entsteht zwischen ihnen eine Verbindung, die beiden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Bis Lev eine Karte aus Zürich erreicht, auf der steht: „Wann kommst du?“
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