Newcomerin maïa: „Bücher dienen mir oft als Rückzugsort“
Mehr als 36.000 Follower versorgt Newcomerin maïa auf Tiktok und Instagram regelmäßig mit kurzen Songclips. Nun releast sie nicht nur ihren Song „Ambulanz“ (24. Mai), sondern am 28. Juni auch eine EP. Wieso maïa sich lieber das Herz brechen lässt, als selbst eines zu brechen, und wie ihr Bücher beim Songwriting helfen, erzählt sie im MADS-Interview.
maïa, wie sah dein Weg in die Musikbranche aus?
Ich hatte schon immer etwas mit Musik zu tun. In der Schule war ich immer im Chor und auch meine Eltern haben immer sehr viel Musik gehört. Ich habe mir dann irgendwann Klavier- und Gitarrespielen beigebracht, und die Texte kamen dazu. Um das Abi herum haben mich meine Freunde dazu ermutigt, mit Tiktok anzufangen. Nach einiger Zeit kam eine Nachricht von dem ersten Produzenten. Nach meiner ersten Session ging alles irgendwie ganz schnell. Ich habe die Leute alle kennengelernt, hatte die ersten Veröffentlichungen, ein ganz unspektakulärer Weg.
Zur Person
maïa ist angehende Berlinerin und wurde zunächst durch ihre Cover von Songs von AnnenMayKantereit und Paula Hartmann auf Tiktok bekannt. Im November 2022 veröffentlichte sie dann ihre Debütsingle „tristesse“. Ihre EP soll am 28. Juni 2024 erscheinen. Ihr Alter und ihren bürgerlichen Namen möchte sie nicht öffentlich machen.
Was hat sich getan, dass du von Covern zu eigener Musik übergegangen bist?
Ich habe schon immer Texte geschrieben. Angefangen habe ich mit englischen Gedichten, und später habe ich die deutsche Sprache für mich entdeckt. Nachdem so ein paar Cover einfach gut ankamen, hatte ich irgendwann den Mut, meine eigenen Texte zu posten. Das war gar nicht so ein krasser Switch. Ich brauchte nur etwas Zeit, um den nötigen Mut zu sammeln.
Woraus schöpfst du Inspiration für deine Songs?
Es sind unterschiedliche Dinge. Meistens entstehen die Texte aus einem Ursprungsgefühl von mir selbst, das ich empfinde. Oder durch etwas, das ich beobachten kann, das mich inspiriert. Aber es kann auch gut sein, dass nur zwei, drei Sätze in dem Song dann auch wirklich autobiografisch sind. Und den Rest male ich mir dann entweder drumherum oder habe es von Freunden oder aus Büchern.
Inwiefern spielen Bücher in deinem Schreibprozess eine Rolle?
Manchmal bin ich in einer Phase, wo ich mich nicht so kreativ fühle und vielleicht auch länger nichts geschrieben habe, womit ich irgendwie zufrieden war. Dann weiß ich, dass ich immer auf Bücher zurückgreifen kann. Nicht unbedingt, damit daraus neue Sätze oder Texte entstehen, sondern vielmehr, um diesen kreativen Part in meinem Kopf wieder anzuregen. Bücher dienen mir auch oft als eine Art Rückzugsort.
In einem deiner Instagram-Highlights teilst du Textstellen aus Poesiebüchern. Hast du Lieblingsautoren?
Ich lese schon, seitdem ich ein Kind bin. Früher bin ich jedes Wochenende mit meiner Schwester in die Stadt gefahren. Dann habe ich mir zwei Bücher geholt und sie am Wochenende zu Ende gelesen. Das ist irgendwie in mir verankert, das war schon immer so. Lieblingsautoren habe ich einige. Ferdinand von Schirach ist mein absoluter Lieblingsautor. Ich liebe auch Albert Camus, Hermann Hesse, Helga Schubert und Bernhard Schlink.
Hast du ein Lieblingszitat? Wenn ja, wie hat es dich geprägt?
Mein Lieblingszitat zu finden ist schwierig. Mir fällt dann immer dieser eine Satz aus dem Buch „Nachmittage“ von Ferdinand von Schirach ein. Das ist der letzte Satz des Buches und lautet „Und überall ist Leben, überall“. Ich weiß nicht, wieso mich der Satz so gepackt hat. Ich glaube, es liegt einfach an der Simplizität der Aussage und wie wahr sie einfach ist. Das findet sich auch in meinem Schreiben meiner Texte wieder: Es geht viel darum, in der Beobachterrolle durch die Welt zu gehen und eben das aufzunehmen und darüber zu schreiben, was man sieht und irgendwie fühlt.
Auf deinem Cover ist eine lange, wilde Linie zu erkennen. Stellt sie die chaotische Story dar, von der du in „Intro“ singst?
Es hat sich nur richtig angefühlt, von Anfang an diese Fäden oder diese Linien zu benutzen. Ich zeichne die schon seit wahrscheinlich acht oder neun Jahren. Ich sage immer, das sieht irgendwie aus wie in meinem Kopf. Ich habe das Gefühl, es ist immer so ein Gedanke, der sich die ganze Zeit weiter und weiter zieht. Und Chaos macht. Und ich habe die früher schon auf den Schultischen gezeichnet, auf Tafeln und in meinen Collegeblöcken. Ich zeichne das immer beim Songwriting in meinen Notizbüchern. Und es fühlt sich sehr nah an der Thematik der Songs an, vor allem auch, was „Intro“ angeht.
Wieso ausgerechnet bei „Intro“?
„Intro“ ist so der Start der ganzen Geschichte. Und es passiert so viel auf einmal. Und man ist verwirrt, und alles ist chaotisch. Das spiegelt sich sehr gut in diesen Fäden oder in dieser Linie wider, die eben auch aus diesem Chaosgefühl, aus mir heraus entstanden ist.
Du singst auch davon, dass es immer einen gibt, der mehr fühlt. Bist du dieser jemand?
Ich habe oft das Gefühl, dass ich jemand bin, der mehr fühlt als alle anderen um mich herum. Und das ist so ein Gefühl, was ich schon seit der Kindheit mit mir trage. Ich weiß auch, dass es nicht immer so ist. Aber ich komme gegen dieses Gefühl nicht an, dass ich irgendwie vielleicht doch mehr reinstecke als andere. Da geht es sowohl um Emotionen wie Liebe als auch um Wut.
maïa, du hast einen Song mit dem Titel „Ich hoff du brichst mir das Herz“ geschrieben. Warum?
Ich hab mir oft Gedanken darüber gemacht, ob ich eher das Herz gebrochen bekommen wollen würde oder jemandem das Herz brechen würde. In jeglichem Kontext von Liebe. Und irgendwie könnte ich es nicht mit mir selbst vereinbaren, jemandem das Herz zu brechen, wenn ich die Leute betrachte, die ich lieb habe in meinem Leben. Das ist ein sehr einsamer Gedanke. Ich habe aber das Gefühl, dass der nicht so oft beschrieben wird. Und umso ehrlicher macht es das auch.
Außerdem finde ich, dass Schmerz und Liebe oft gegensätzlich beschrieben und betrachtet werden. Aber ich sehe das nicht unbedingt so. Aus meiner Sicht sind die sehr gut miteinander vereinbar. Sie können koexistieren und aus beiden Dingen kann man was Schönes rausziehen.
Wie ist dein Song „Ambulanz“, der am 24. Mai erscheint, entstanden?
Der Song ist tatsächlich zuerst zu Hause bei mir allein am Klavier entstanden. Ich hatte einfach irgendwie den Drang, mich ans Klavier zu setzen und zu schreiben. Und das ist dabei passiert, dabei ist die zweite Strophe zuerst entstanden. Und dann im Studio haben wir es einfach weiter rausgearbeitet und geguckt, wo es hinführen kann.
Was genau meinst du mit der Line „ich hab alles gegeben, jetzt nehm ich’s mir selbst“?
Der Song ist eine Mischung aus Wut und Liebe und wie sie sich miteinander vereinen lassen. Vor allem die Ambulanz steht stellvertretend für das Gefühl der Wut. Und es ist so eine Aussage aus der Frust heraus. Die Frust, dass man schon so viel in eine Beziehung oder eine Freundschaft reingesteckt hat und das irgendwie aussichtslos wird. Dann ist irgendwann die Zeit gekommen, das alles in sich selber reinzustecken und diese ganze Liebe, die man sonst irgendwie außerhalb verteilt, für sich selbst zu beanspruchen.
Am 28. Juni 2024 kommt deine EP. Was wird daran anders als an bisherigen Songs?
Ich glaube, die Songs sind viel ausgereifter und viel ehrlicher geworden. Vor allem im Songwriting und im Producing-Prozess ist es viel freier. Es gab wirklich nicht eine Regel, die befolgt werden musste. Und ich glaube, wenn das passiert, dann darf Kunst Kunst sein und dann darf Kunst irgendwie mutig sein. Das haben wir alle, die daran beteiligt waren, ganz gut gemacht.
Von Sandra Kopa
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