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Netflix-Film „Überredung”: Misslungene Modernisierung von Jane Austen

Netflix-Film „Überredung”: Misslungene Modernisierung von Jane Austen
Foto: Netflix/Nick Wall

Seit dem 15. Juli ist Überredung” auf Netflix verfügbar. Der neue Film mit Dakota Johnson basiert auf dem gleichnamigen Jane-Austen-Roman – wird der Vorlage aber nicht gerecht, meint MADS-Autorin Marie.


Anne Elliot ist einsam, unverheiratet und trauert einer alten Beziehung nach. Das ist die Protagonistin von „Überredung”, Jane Austens letztem vollständigen Roman. Dieser wurde bereits mehrmals adaptiert, die jüngste Version ist jetzt mit Dakota Johnson in der Hauptrolle erschienen. Doch auch wenn es sich oft lohnt, vom Ausgangsmaterial abzuweichen – gerade wenn es schon so oft verfilmt wurde -, ist die Netflix-Produktion ein Beispiel dafür, was man bei einem historischen Drama vermeiden sollte.

„Überredung“: Anne Elliot à la Fleabag

Der Plot ist simpel: Anne wurde vor acht Jahren überredet, eine Verlobung mit dem armen Frederick Wentworth zu beenden. Jetzt, wo dieser ein wohlhabender und erfolgreicher Kapitän ist und Annes Familie finanzielle Probleme hat, treffen sich beide wieder. Es ist Austens reifster und subtilster Roman – die Hauptfigur ist keine Elizabeth Bennett („Stolz und Vorurteil“), sondern erscheint zurückgezogen, introvertiert und in einem inneren Konflikt gefangen.

Die grundsätzlichen Handlungsstränge behält die neue Adaption bei, doch damit enden auch die Gemeinsamkeiten. Hauptunterschied: Dakota Johnsons Anne bricht regelmäßig die vierte Wand und erklärt sich dem Publikum. Das erinnert an die Figur Fleabag aus der gleichnamigen Serie. Per se ist das ein interessanter Twist für historische Literatur – Fleabag etwa teilt ihre wahren Gefühle ausschließlich dem Publikum mit, was für Anne auch funktionieren könnte. Allerdings endet das Experiment hier noch nicht.

Nichts bleibt ungesagt

Denn fraglich ist, wen Johnson eigentlich verkörpert. Anne ist nicht mehr reserviert, sondern auf einmal lustig, geistreich und etwas unbeholfen. Diese Rolle steht zwar der Schauspielerin, hat aber wenig mit der Romanvorlage zu tun. Darüber hinaus radiert das Drehbuch Austens kunstvolle Sprache vollständig aus, nur um sie mit Sätzen wie  „Now I’m single and thriving” oder „If you’re a 5 in London, you’re a 10 in Bath” zu ersetzen. Das tut nicht nur Jane-Austen-Fans weh. Denn trotz dieser Brüche bleibt das Setting das England des frühen 19. Jahrhunderts und sorgt so für ein Gefühl von Inkohärenz. 

Zwar stimmt auch die Chemie zwischen Anne und Wentworth nicht wirklich, am schlimmsten ist aber, dass dem Film der Sinn für das Subtile fehlt. Nichts bleibt ungesagt, so als würden Zuschauerinnen und Zuschauer die Handlung ohne das Brechen der vierten Wand und moderne Ausdrücke nicht verstehen können.

Der Mischmasch aus Treue zum Original und Millennial-Humor ist eine große Enttäuschung. Während Austens „Emma” bereits mit „Clueless” vollständig in die Gegenwart transportiert wurde, hat Regisseurin Carrie Cracknell bei „Überredung“ die Chance verpasst, eine ähnlich ikonische Neuinterpretation zu schaffen.



Über den Autor/die Autorin:

Marie Bruschek

Marie (20) studiert Weltliteratur. Wenn sie nicht gerade schlechte Wortwitze macht oder sich zum zehnten Mal Mamma Mia anguckt, schreibt sie für MADS über alles, was sie gerade interessiert.

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