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Früher Vogel oder Nesthocker: Jeffrey ist mit 17 ausgezogen, Studentin Greta lebt bei ihren Eltern

Früher Vogel oder Nesthocker: Jeffrey ist mit 17 ausgezogen, Studentin Greta lebt bei ihren Eltern
Foto: privat

Wann ist eigentlich der beste Zeitpunkt, um von zu Hause auszuziehen? Greta (22) wohnt bei ihren Eltern – Jeffrey ist mit 17 Jahren ausgezogen. Die MADS-Autoren erzählen, warum ihr Weg genau der richtige war.


Ein Segen während Corona

„Könntest du meine Hausarbeit für die Uni gegenlesen?“ „Klar, wenn du dir dann meinen Elternbrief mal anschaust.“ Solche Dialoge kommen bei mir öfter vor. Denn ich studiere zwar – wohne aber bei meinen Eltern auf dem Dorf. Eine Wohnung oder ein WG-Zimmer könnte ich mir nicht ohne Weiteres leisten. Zum Glück klappt das Zusammenleben zu Hause, meine jüngeren Geschwister und ich helfen im Haushalt mit, wir kochen, essen oft alle gemeinsam und helfen einander – etwa, indem wir Hausarbeiten, Bewerbungen und Elternbriefe Korrektur lesen.

Natürlich gibt es auch mal Streit. Aber unser Haus und der dazugehörige Garten sind glücklicherweise groß genug, dass wir uns auch mal aus dem Weg gehen können. Als ich Abitur machte, war nicht direkt klar, dass ich zu Hause wohnen bleiben würde. Viele meiner Freundinnen und Freunde zogen gleich bei ihren Eltern aus, gingen ins Ausland oder zum Studieren in andere Städte. Da ich mich aber erst mal orientieren wollte und schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika machte, blieb ich aus Kostengründen zu Hause wohnen.

„Nach meinem Studium werde ich ausziehen. Aber am liebsten nie zu weit weg für einen Besuch bei meinen Eltern.“

Greta (22), wohnt gerne noch Zuhause

Skeptische Blicke

Symbolbild
Foto: unsplash/ Achim Halfmann

Auch als ich anschließend ein Studium begann, zog ich nicht aus. Der Hauptgrund: Es war einfach deutlich billiger. Eine Wohnung oder ein WG-Zimmer in der Stadt hätte ich nicht allein finanzieren können – ich bekomme kein Bafög, weil meine Eltern als Lehrer gut verdienen. Doch auch für sie wäre es zu viel, meinen Geschwistern und mir den Auszug und die Wohnungen zu bezahlen. Sie haben viel Geld in unser mehr als 200 Jahre altes Fachwerkhaus gesteckt, das sie über die Jahre Stück für Stück renoviert und ausgebaut haben.

Dass meine Situation privilegiert ist, ist mir bewusst. Umso dankbarer bin ich dafür, dass ich in diesem schönen Haus wohnen kann und wir uns als Familie so gut verstehen. Und umso stolzer bin ich, wenn ich Freunden unser Haus und den Garten zeige und sie sagen: „Wow, jetzt versteh ich, warum du noch nicht ausgezogen bist.“ Wenn ich neue Menschen kennenlerne, ernte ich dagegen meist skeptische Blicke, wenn ich erzähle, dass ich noch bei meinen Eltern wohne. Richtig gut kommt das eben nicht an.

Pendelei gut planen

Das Pendeln zwischen der Universität und meinem Elternhaus ist natürlich umständlich und auch anstrengend. Ich fahre fast täglich mit dem Fahrrad erst in das Nachbardorf – und dann von dort mit der Bahn in die Stadt. Dann muss ich noch mit der Straßenbahn zur Uni fahren. Dank dem Semesterticket geht das aber sogar ohne Extrakosten. Klar, die Züge sind nicht immer pünktlich, fahren nur stündlich und nicht nachts. Doch ich habe gelernt, Wartezeiten effektiv zu nutzen, und gehe dann einkaufen oder spazieren. Besuche bei Freunden in der Stadt muss ich auch gut planen – die meisten Fahrpläne habe ich mittlerweile im Kopf und im Zweifel übernachte ich bei Freunden. Dafür kann ich hier weiter in meiner alten Handballmannschaft und im Orchester spielen. Außerdem liebe ich es, in unserem Garten zu entspannen oder zu arbeiten und fast immer Menschen um mich herumzuhaben, mit denen ich reden und etwas unternehmen kann – all das habe ich während des Corona-Lockdowns als echten Segen empfunden.

Nach meinem Studium, wenn ich einen festen Job habe und finanziell unabhängig bin, werde ich trotzdem ausziehen. Aber am liebsten nie zu weit weg für einen Besuch bei meinen Eltern.

Von Greta Friedrich

Alleine in der Großstadt

Wäschezeichen, Staubsaugerbeutelgrößen, Spülmaschinenprogramme – in den zwei Jahren, in denen ich schon allein wohne, habe ich vor allem eins gelernt: wie ich den Haushalt führe – und dass man rote Socken nicht mit weißer Wäsche wäscht. Für mein Studium zog ich damals mit 17 Jahren ins 300 Kilometer entfernte Berlin. Schon vor dem Abi stand für mich fest: Ich will von zu Hause ausziehen und woanders als in meiner Heimatstadt studieren. Es war aber nicht so, dass ich meine Familie nicht ausstehen kann.

Mit 17 Jahren zog Jeffrey schon von zu Hause aus. Foto: Privat

Ich hatte eher das Gefühl, dass ich zu Hause nicht wirklich lernen würde, selbstständig zu leben. Wenn ich es bei meinen Eltern nicht mehr schaffe, das Geschirr abzuwaschen, dann wird sich meine Mutter schon erbarmen und es für mich machen. Um Einkäufe muss ich mich auch nicht sorgen, da das sowieso mein Vater am Wochenende erledigt, wenn er meinen Bruder zum Klavierunterricht bringt. Zu Hause war ich zu sehr in einer Komfortzone. Alleine in Berlin ist es nun so: Entscheide ich mich am Abend dazu, lieber einen Film zu schauen, als die Küche aufzuräumen, stehe ich am nächsten Tag vor meinem Chaos. Dazu kommen Fragen wie „Welcher Reiniger wofür?“, um die ich mir zu Hause nie Gedanken machen musste. Ich finde, durch das Ausziehen bin ich einen großen Satz dem Erwachsenwerden nähergekommen.

„Kein schlechtes Gewissen“

Zugegeben: Wenn Prüfungen anstehen, ist es schwierig, zu lernen und gleichzeitig das Aufräumen nicht zu vernachlässigen. Da wünsche ich mir auch manchmal, dass ich noch bei meinen Eltern wohnen würde. Allgemein ist die Klausurenphase eine harte Zeit, wenn man alleine wohnt. Zwar ist es ein Vorteil, dass niemand im Haus einen ablenken kann, gleichzeitig ist das aber auch ein Nachteil. Wenn ich beim Lernen verzweifle, ist niemand da, der mir motivierend zureden kann. Auch sonst habe ich dann niemanden, mit dem ich in den Lernpausen quatschen kann.

So schrecklich die Prüfungsphase ist, so viel mehr Freiheit habe ich sonst während des Semesters. Ich muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich ein bisschen später von einer Feier zurückkomme und dadurch meine Mutter aufwecke. Und mir hängt auch niemand am Ohr, dass ich früher ins Bett gehen soll oder dass mein Zimmer zu unordentlich ist.

„Ich finde, durch das Ausziehen bin ich einen großen Satz dem Erwachsenwerden nähergekommen.“

Jeffrey (19), zog mit 17 Jahren nach Berlin

Dass ich als Minderjähriger ausgezogen bin, hat mir eigentlich auch keine großen Probleme bereitet. Im ersten Jahr wohnte ich in einem privaten Studierendenwohnheim, weshalb ich nur den Mietvertrag unterschreiben musste. Um Strom, Internet und Heizung musste ich mich also gar nicht kümmern. Meine Eltern mussten zwar für mich bürgen, aber das war auch bei den volljährigen Mietern so. Nervig war aber, dass ich für viele Dinge, wie den Stadtbibliothekausweis oder für arbeitsmedizinische Untersuchungen, die Unterschrift meiner Eltern brauchte. Die wohnen aber nun mal drei Stunden Autofahrt entfernt und ich konnte sie nicht abends kurz auf Formularen unterschreiben lassen. Deshalb durfte ich bei jedem Heimatbesuch nicht den Stapel an Zetteln vergessen, für die ich noch eine Unterschrift brauchte. Das ist nun zum Glück vorbei und ich kann die Zeit mit meiner Familie genießen. Ab und zu ist es doch ganz schön, zu Hause nicht allein zu sein.

Von Jeffrey Ji-Peng Li


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