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Lesetipps: Das sind die besten Autorinnen deutscher Gegenwartsliteratur

Lesetipps: Das sind die besten Autorinnen deutscher Gegenwartsliteratur
Foto: Unsplash/Yuri Efremov

Der Literaturbetrieb ist männlich dominiert: Studien zeigen, dass Bücher von Männern häufiger besprochen werden – meist von Männern. Werke von Frauen bleiben da oft auf der Strecke. Die MADS-Redaktion empfiehlt deshalb sechs deutsche Autorinnen und einige ihrer besten Werke.


Juli Zeh

Seit dem Erscheinen ihres Debütromans „Adler und Engel“ (2001), der von einer tragischen Liebesgeschichte, Korruption im Justizwesen und dem Jugoslawien-Krieg in den 1990ern handelt, gehört die promovierte Juristin und durchaus streitbare Person Juli Zeh zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autorinnen weltweit. Ihre Werke wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt, ihre Romane „Spieltrieb“ und „Unterleuten“ verfilmt. Juli Zeh hat nicht nur Jura, sondern auch Literarisches Schreiben in Leipzig studiert, an einer jener „Schreibschulen“, die in Deutschland oft in der Kritik stehen, einfallslose und sich selbst reproduzierende Texte zu schaffen. Davon merkt man ihren Werken nichts an. Stets kritisch legt sie den Finger akkurat in die offenen Wunden unserer Gesellschaft. Besonders in der Corona-Zeit wurde ihr dystopisches Werk „Corpus Delicti“, das in manchen Bundesländern wie Niedersachsen und Brandenburg auch Schullektüre ist, von vielen Theatern erneut inszeniert. Es handelt von einem Staat, der mit rigiden Maßnahmen die Fitness und körperliche Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger kontrolliert.

Foto: Sören Stache/dpa

Ihre weiblichen Charaktere strotzen oft vor Kraft und Eigenwille: Ada in „Spieltrieb“ ist eine hochbegabte, von der Gesellschaft angeödete Schülerin, Britta in „Leere Herzen“ eine erfolgreiche Therapeutin mit Doppelleben, Linda in „Unterleuten“ eine ehrgeizige Pferdebesitzerin, die ihren Traum eines eigenen Reiterhofs in dem gleichnamigen Dorf in Brandenburg verwirklichen will.

Besonders gelingt Juli Zeh in ihren Büchern der dramaturgische Spannungsaufbau: Nach und nach fügen sich die Details in ihren Texten, bis man am Ende staunend vor dem Gesamtbild zurückbleibt. Neben ihrem Schreiben ist Juli Zeh auch politisch aktiv: Sie ist ehrenamtliche Richterin am Verfassungsgericht Brandenburg.  

Von Lisa Neumann

Ronja Ebeling

Autorin, Journalistin, Gründerin und Podcasterin – das sind nur einige Berufsbezeichnungen von Ronja Ebeling. Schon mit 14 Jahren trat die gebürtige Rheinländerin ihren ersten Job an, um sich unabhängig von ihren Eltern zu machen.

In ihrem neusten Buch dreht sich alles um die Arbeitswelt von heute und morgen. Mit dem Titel „Work reloaded – Führungskräfte im Vorstellungsgespräch“ versucht sie, in Gesprächen mit Führungskräften herauszufinden, in welche Richtungen sich die Berufswelt verändert.

Um ihre Expertise an Unternehmen weiterzutragen, die unter der sich rasant veränderten Arbeitswelt leiden, hat Ronja das „Team of Tomorrow“ gegründet. Mit Hilfe der e-learning-Plattform sollen sich kleine und mittelständische Unternehmen auf junge Arbeitssuchende einstellen können. Ihren großen Unmut darüber, dass junge Menschen oft vergessen werden, hat sie auch in ihrem ersten Buch „Jung, besorgt, abhängig: Eine Generation in der Krise“ geäußert. Sie geht sowohl mit dem deutschen Staat als auch mit älteren Generationen hart ins Gericht.

Seit 2021 hostet die Journalistin auch einen Podcast. Mithilfe von Expertinnen und Experten stellt sie sich gesellschaftskritischen Fragen wie „Schließt künstliche Intelligenz Menschen aus?“ oder „Was hat Verhütung mit der Kontrolle von Minderheiten zu tun?“. Sie kennt ihre eigenen Privilegien, welche sie auch nicht versteckt – im Gegenteil. Anhand dieser macht sie fest, dass andere es nicht so einfach haben, und kämpft deshalb für Chancengleichheit und Gerechtigkeit.

Von Jaro Block

Margarete Stokowski

Margarete Stokowski ist längst kein Geheimtipp mehr, doch von einer der wichtigsten feministischen Theoretikerinnen der deutschen Gegenwartsliteratur sollte jeder etwas gelesen haben. Neben ihrem großartigen Sachbuch „Untenrum frei“ schrieb sie eine wöchentliche Kolumne für den „Spiegel“, in der sie sich feministischen und klassistischen Ungerechtigkeiten egal welcher Größenordnung annahm, um sie humoristisch zu demaskieren und zu erklären.

Bezeichnend für Stokowski ist, dass sie stets ihre eigene Perspektive mit einfließen lässt und sehr persönlich erzählt. In einer Kolumne über Hass gegen ausländische Personen berichtete sie etwa über ihre eigenen Erfahrungen als Kind polnischer Migranten in Deutschland. Das macht ihre Texte nahbar und feministische Bestrebungen anhand ihrer Beispiele so greifbar. Eine Sammlung ihrer Essays, Kolumnen und Debattenbeiträge stellt auch das Buch „Die letzten Tage des Patriarchats“ dar.

Foto: Michael Kappeler/dpa

Stokowski und ihr Werk zeichnen sich durch Offenheit, philosophische Einflüsse, ihre konfrontative Art und ihren Humor aus. Einen ihrer Texte zu lesen ist nie nur Vergnügen, dafür aber immer eine Offenbarung. Ihre Person ist aus der deutschen Gegenwartsliteratur nicht mehr wegzudenken. Wer mehr Impulse von Stokowski bekommen möchte, kann ihr auf Instagram folgen, neben Buchempfehlungen teilt sie hier authentisch ihr Leben und klärt seit ihrer Longcovid-Erkrankung 2021 über das Leben mit der Krankheit auf.

Von Jennifer Kramer

Sasha Marianna Salzmann

Selbstbewusst, kreativ und vor allem leidenschaftlich – so ist Sasha Marianna Salzmann am besten zu beschreiben. Die 38-jährige Wahl-Berliner*in ist in der Sowjetunion geboren, aber früh nach Deutschland immigriert.

„Ich bin jüdisch und queer und habe als Frau gelebt und schreibe Romane“. Die Autor*in ist mittlerweile stolz auf ihre eigene Identität und nutzt Theater, Essays und Romane, um ihre Gefühle nach außen zu tragen. Am Maxim-Gorki-Theater in Berlin ist sie besonders aktiv, doch nicht nur hier ist der nichtbinären Künstler*in die queere Community besonders wichtig. „Queer-Literatur ist so alt wie die Menschheitsgeschichte“ – doch sei bisher viel zu kurz gekommen.

Foto: Georg Wendt/dpa

Zwei sehr erfolgreiche Bücher veröffentlichte Salzmann bereits – beide wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der Debütroman von 2017 „Außer sich“ erzählt von russischen Zwillingen auf der Suche nach Zugehörigkeit und Identität. Vier Jahre später erschien „Im Menschen muss alles herrlich sein“, eine Geschichte über zwei Mütter und ihre Töchter, die Unterschiede zwischen Generationen und das Thema Entwurzlung. In beiden Romanen spiegeln sich immer wieder Salzmanns eigene Erfahren und Gefühle wider, auch wenn sie keine Biografien im herkömmlichen Sinne darstellen.

Von Lotte Tegethoff

Alena Schröder

Alena Schröder ist ein neues Gesicht in der gegenwärtigen Belletristik. Zwar war sie bereits vorher als Autorin von Sachbüchern und freie Journalistin tätig, doch ihr Debütroman „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ schlug große Wellen.

Der Roman erzählt von vier Frauen einer Familie aus vier Generationen und verknüpft dabei die Gegenwart der Berliner Studentin Hannah mit der Geschichte ihrer Urgroßmutter Senta und ihren Erlebnissen im Nationalsozialismus. Historische Ereignisse bleiben in diesem Buch jedoch im Hintergrund, es geht eher um transgenerationelle Traumata, Mutterschaft und vor allem um die Suche nach sich selbst.

Wer Schröder bisher noch nicht kannte, sollte ihren ersten Roman besser schnell lesen, denn gerade ist schon die Fortsetzung erschienen. „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ erzählt die Geschichte von Hannahs Mutter im Jahr 1989 und der Beziehung zu ihrer eigenen Mutter Evelyn. Auch hier erwartet die Leserinnen und Leser wieder ein intensiver Roman, der von den Wechselwirkungen einer Familienbiografie mit der deutschen Geschichte erzählt.

Wenn über Schröder gesprochen wird, muss auch ihr Podcast „sexy & bodenständig“ erwähnt werden, in dem sie mit Till Raether über den Schaffensprozess eines Romans spricht. Der Podcast entstand parallel zum Schreibprozess von „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“, sodass man die Entstehung des Buches theoretisch hörend begleiten kann.

Von Jennifer Kramer

Daniela Krien

Die Leipziger Autorin Daniela Krien hat mit ihrem zweiten Roman „Die Liebe im Ernstfall“ den literarischen Durchbruch geschafft. Der Roman schildert die unterschiedlichen Leben von fünf Frauen, die durch einzelne Menschen miteinander verbunden sind. 

In ihrem ersten Roman „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ (2011) schildert Krien eine Liebesgeschichte, die eigentlich nicht sein darf: Die 16-jährige Ich-Erzählerin Maria verliebt sich in den über 40-jährigen Henner vom Nachbarhof. Der Roman spielt direkt nach der Wende in Thüringen und fängt gekonnt die ostdeutsche Perspektive auf die Zeit nach dem Mauerfall ein. „Der Brand“ (2021) thematisiert die Geschichte der langsam zerbrechenden Ehe von Rahel und Peter. Im Urlaub stellt sich immer mehr die Frage, ob ihre Beziehung noch eine Zukunft hat. Ebenso beeindruckend ist Kriens Erzählband „Muldental“ (2020), der den Fokus erneut auf vielschichtige Charaktere in Ostdeutschland legt.

Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Durch ihre einfühlsame Erzählweise erweckt Krien Empathie für ihre Charaktere. Die Werke der Autorin haben außerdem das Potenzial, die noch immer vorhandene Kluft zwischen Ost und West in Deutschland zu verringern, indem die Zeit  vor und nach der Wende spezifisch aus ostdeutschen Perspektiven betrachtet wird. Krien porträtiert in ihren Werken starke Frauen. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder fing das Schreiben an, nachdem sie aufgrund der Einschränkung ihres einen Kindes nicht mehr regulär arbeiten konnte. Sie weiß also, wovon sie schreibt, wenn sie von weiblichen, alltäglichen Kämpfen im Großen wie im Kleinen erzählt. Gerade die leise Leichtigkeit, mit der sie dies tut, verleiht ihren Werken unglaubliche Stärke.  

Von Lisa Neumann


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Über den Autor/die Autorin:

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Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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