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Klimaschutz: Darum geht es beim Kohleausstieg

Klimaschutz: Darum geht es beim Kohleausstieg
Foto:  Patrick Bleul/dpa

Deutschland will den Kohlestrom aufgeben – die Frage ist, wann. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Kohleausstieg.

Der Kohleausstieg in Deutschland ist eines der entscheidendsten Projekte der nächsten Jahrzehnte. Eine von der Regierung eingesetzte Kommission könnte wegweisende Entscheidungen treffen. Das sind die Fakten.

Warum soll es überhaupt einen Kohleausstieg geben?

Zwar gibt es in Deutschland immer mehr alternative Energien aus Wind oder Sonne. Aber noch immer liegt der Anteil der Kohlekraftwerke am jährlichen Energiebedarf in Deutschland bei rund 35 Prozent. Diese haben jedoch einen großen Anteil am Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgas-Emissionen. Pro Kilowattstunde setzt Braunkohle zwischen 980 bis 1230 Kilogramm CO2 frei.„Braunkohle ist das schädlichste Element für unser Klima. Die schmutzigen alten Braunkohlekraftwerke blasen wesentlich mehr klimaschädliches Kohlendioxid in die Luft als beispielsweise fossile Gaskraftwerke, die den Übergang zu den alternativen Energien unterstützen“, sagt Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber, der auch Mitglied der Kohlekommission ist.

Deutschland will seinen Treibhausgas-Ausstoß aber bis 2030 um 55 Prozent senken, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent. Um diese Klimaschutzziele zu erreichen, müssen Kohlekraftwerke vom Netz gehen – und zwar schneller als bisher geplant.

Welche Rolle spielt die Braunkohle in Deutschland?

In Deutschland gibt es große Mengen an Braunkohle. Rund ein Fünftel der gesamten deutschen CO2-Emissionen stammt laut dem Umweltverband Greenpeace aus Braunkohlekraftwerken – in keinem Land der Welt wird mehr Braunkohle verbrannt. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland rund 730 Hektar Land für die Braunkohle abgebaggert. Das entspricht der Größe von etwa 1000 Fußballfeldern. Die drei großen deutschen Tagebaureviere – das Rheinische Revier, das Lausitzer Revier und das mitteldeutsche Revier bei Leipzig – umfassten 2008 etwa eine Fläche von über 1600 Quadratkilometern. Das entspricht etwa 1000 Fußballfeldern. Nach Angaben des Bundesverbands Braunkohle hängen rund 70.000 Arbeitsplätze an Abbau und Verstromung von Braunkohle.

Was bedeutet Braunkohleabbau für die Gesundheit?

Schwefeldioxid, Feinstaub, Quecksilber, Stickoxide, Arsen – aus den Schornsteinen von Kohlekraftwerken gelangen große Mengen gesundheitsschädliche Schadstoffe in unsere Atemluft, wie der Umweltverband Greenpeace zusammenfasst. Als besonders gefährlich gelten Feinstäube – mikroskopisch kleine Partikel, die über die Lunge bis in den Blutkreislauf gelangen. Eine erhöhte Feinstaubbelastung verursache nachweisbar Lungenkrebs, Schlaganfälle, Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen. Zusammen mit anderen Quellen der Luftverschmutzung führten die Emissionen aus Kohlekraftwerken zu einer erhöhten Sterblichkeit in der Bevölkerung.

Ein großes Problem haben nicht nur Dieselmotoren aufgrund von Stickoxiden, auch die großen Braunkohlekraftwerke in Deutschland stoßen zu viel NOx aus: Bei zwei Dritteln der hiesigen Anlagen lagen die Emissionen zuletzt über den neuen EU-Schadstoffgrenzen, die ab 2021 greifen und bis August in deutsches Recht hätten überführt werden müssen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Ökopol-Instituts im Auftrag des BUND und der Klima-Allianz Deutschland.

Warum braucht es eine Kohlekommission?

Weil die Politik hofft, so einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen, den Klimaschützer und Kohlekumpel gleichermaßen akzeptieren. Im Sommer 2018 setzte sie die unabhängige Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ein mit 28 stimmberechtigten Mitglieder – Vertreter von Industrie – und Energieverbänden, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und Klimaforschern. Deren Empfehlung soll Vorlage für die Politik sein. Für Beschlüsse ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Je größer der Konsens, desto schwieriger dürfte es für die Politik werden, hinter den Ergebnissen des Gremiums zurück zu bleiben.

Was genau soll die Kommission machen?

Sie soll Wege aufzeigen, wie die Klimaschutzziele erreicht werden können, wie der schrittweise Ausstieg aus der Kohle aussehen kann. Genannt werden soll auch ein konkretes finales „Ausstiegsdatum“. Außerdem geht es darum, wie der Strukturwandel in den Kohleregionen gelingen kann.

Was liegt bisher auf dem Tisch?

Der Entwurf eines Konzepts liegt vor. Klar ist: Der Kohleausstieg dürfte die Steuerzahler Milliarden kosten. Im Entwurf sind Sorgen der Industrie, der Gewerkschaften und der Kohle-Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen angesprochen. Es soll Entlastungen für Verbraucher und Unternehmen geben, falls Strompreise steigen. Kraftwerksbetreiber sollen entschädigt werden. Für den Strukturwandel sind viele Maßnahmen für neue Jobs skizziert, etwa die Ansiedlung von Behörden und Einrichtungen. Die Infrastruktur soll besser werden, Anreize sollen private Unternehmen anlocken.

Was sind die strittigen Punkte?

Vor allem der konkreten Abschaltplan: In welchen Zeiträumen sollen Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden – wieviel Leistung, also Gigawatt, an Kohlestrom soll wann aus dem Netz? Wie viel CO2 darf der Sektor in welchem Jahr noch ausstoßen? Und bis wann soll Deutschland endgültig ohne Kohlestrom auskommen? Umweltverbände wollen für den Klimaschutz Stilllegungen von Kraftwerken in großem Stil schon in den kommenden Jahren und einen Ausstieg bis 2030. Industrie und Gewerkschaften wollen viel langsamer aussteigen.

Lesen Sie auch: Mehrheit ist für raschen Ausstieg aus der Braunkohle

Wie könnte es ausgehen am Freitag?

Es wird mit langen Verhandlungen bis in die Nacht gerechnet. Auch eine Vertagung auf einen Reservetermin am 1. Februar ist gut möglich. Allerdings ist in dem Fall ein anderer wichtiger Termin angesetzt: dann soll es am Donnerstag (31. Januar) zu einem Spitzentreffen im Kanzleramt kommen – und zwar der Regierungschefs der Kohleländer mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), den zuständigen Bundesministern sowie den vier Co-Vorsitzenden der Kommission. Dort könnte es dann zu einer „politischen Lösung“ kommen – was aber nicht Sinn der Kommission ist.

Wie geht es nach der Kommission weiter?

Einigt sich die Kommission auf einen Bericht, ist die Politik am Zug – also Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Denn Entscheidungen können nur auf dieser Ebene fallen, die Politik muss mit den Kraftwerksbetreibern Entschädigungen aushandeln oder sie festlegen. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sollen einfließen in ein Klimaschutzgesetz, das die Koalition 2019 verabschieden will. Auch für den Strukturwandel soll es ein sogenanntes Maßnahmengesetz geben. Vor allem in den ostdeutschen Kohleländern Brandenburg und Sachsen ist die Nervosität groß – im Herbst wird dort gewählt.

Und wenn die Energiewende nicht klappt?

2023, 2026 und 2029 soll der Fortschritt überprüft werden, um notfalls nachzusteuern. Denn es ist ungewiss, wie sich ein schnellerer Kohleausstieg auf die bereits hohen Strompreise und die Sicherheit der Stromversorgung auswirkt. Denn Deutschland steigt bis 2022 auch aus der Kernenergie aus. Zwar schreitet der Ausbau des Ökostroms voran – aber der Ausbau der Stromnetze hinkt hinterher. Windkraft wird vor allem an den Küsten produziert, die großen Verbrauchszentren aber sitzen im Süden.

Von RND/dpa/Sonja Fröhlich, Andreas Hoenig und Teresa Dapp


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