„Gegen den Strom“: Arte-Doku porträtiert die syrische Seenotretterin Sara Mardini
Im Juni 2023 ertranken über 500 Geflüchtete vor Griechenland. Auch Sara Mardini floh 2015 mit ihrer Schwester Yusra über das Mittelmeer. Nun hat Arte eine sehenswerte Doku über die junge Seenotretterin veröffentlicht.
Ein Swimmingpool, darin eine Frau. Aufsteigende Luftblasen im blauen Wasser. An ihren eleganten Bewegungen erkennt man: Hier schwimmt ein Profi. Sara Mardini heißt die Schwimmerin, deren Fähigkeiten 19 Leben rettete. 2015 floh sie, damals 20 Jahre alt, mit ihrer 17-jährigen Schwester Yusra aus der Türkei nach Griechenland. Als ihr Boot im Mittelmeer vor der griechischen Küste zu kentern drohte, sprangen beide Schwestern ins Wasser, um es dreieinhalb Stunden lang an Land zu ziehen. Saras Flucht hat sie stark geprägt. Die ehemalige Jurastudentin aus der syrischen Hauptstadt Damaskus musste sie ihren Lieblingssport und den Traum von Olympia aufgeben – aufgrund einer Verletzung beim Schwimmen während der Flucht.
Behandelt wie Schwerverbrecher
Nach ihrer Ankunft in Berlin ging sie später erneut nach Lesbos, um dort anderen Geflüchteten zu helfen. Ein ehrenamtlicher Einsatz, der ihr Leben für immer verändern sollte. Denn Sara und weitere Helfende der NGO werden inhaftiert und wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Schleuserbande ohne Beweise angeklagt. Nach dreieinhalb Monaten kommen sie und ihr Kollege schließlich auf Kaution aus dem Hochsicherheitsgefängnis frei. Humanitäre Helfer, behandelt wie Schwerverbrecher. Seitdem läuft der Prozess gegen sie, den die Doku „Gegen den Strom“ schildert und der nach einigen Jahren ohne Verhandlung 2021 erneut vertagt wurde.
Bewegende Momente
2022 wurde bereits ein Film mit dem Titel „Die Schwimmerinnen“ auf Netflix veröffentlicht, der die Geschichte der beiden Schwestern eindrücklich erzählt. Dadurch wurden sie in die diesjährige „Time 100″ aufgenommen, in der das US-amerikanische Nachrichtenmagazin die 100 wichtigsten Personen des Jahres auflistet.
Die Arte-Doku „Gegen den Strom“ über Mardinis Kampf für Gerechtigkeit unter der Regie von Charly W. Feldmann ist das bewegende Porträt einer modernen Heldin, das intime Einblicke in ihr Leben gewährt. Vor allem die unnahbaren Momente – Sara im Auto mit Freunden, im Swimmingpool, beim Versuch, ihr Weinen zu verbergen – verleihen dem Film politische Stärke: Sara Mardini ist eine gewöhnliche Schwester und Studentin, die sich selbst nicht als Heldin, sondern als Kämpferin für Menschlichkeit sieht. Ihre persönlichen Probleme – die posttraumatische Belastungsstörung durch die Zeit im Gefängnis, der Erwartungsdruck, die schlimmen Erinnerungen an die eigene Flucht – werden einfühlsam skizziert, ohne die Protagonistin bloßzustellen. Es ist Mardini selbst, die spricht. Eine ehrliche Stimme, die zurecht fragt, warum Seenotrettung ein Verbrechen sein soll.
Von Lisa Neumann
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