Diese Podcasts bringen dich zum Gruseln
Das Gruseln geht weiter: Eine Kultserie aus den 80er-Jahren kehrt zurück – MADS gibt Hörtipps und klärt auf, warum wir uns so gerne fürchten.
„Willkommen auf meinem Schloss. Ich bin Dracula“: Die Begrüßung, die heute reichlich förmlich klingt, war 1970 bestimmt ganz schön gruselig. Fast 50 Jahre ist es her, dass das Plattenlabel Europa sein erstes Horrorhörspiel veröffentlichte. Nach Märchenvertonungen wie „Aschenputtel“, Karl-May-Western wie „Winnetou“ und Kinderhörspielen wie „Hui Buh“ sollte der Blutsauger die Europa-Hörer das Fürchten lehren.
Und das tat er auf „Dracula – Jagd der Vampire“ auch: Die Sprecher waren gut, die Geräusche realistisch, die Handlung spannend. Das kam an: Europa legte später eine ganze Grusel-Reihe auf, die sich immer stärker an Horrorfilme anlehnte. Folgen wie „Angriff der Horrorameisen“ im dunklen Kinderzimmer auf dem Kassettenrekorder zu hören war in den Achtzigern eine echte Mutprobe. Heute staunt man allerdings, wie oft da ein Erzähler zu Wort kommt, der wie ein Märchenonkel durch die Geschichte führt.
Den grauhaarigen Märchenonkel hat Europa jetzt abgeschafft. Mit den Folgen „Polterabend – Nacht des Entsetzens“ und „Yeti – Kreatur aus dem Himalaya“, beide erscheinen am 1. März, wagt Europa einen Neustart der Gruselserie, die ganz auf Dialoge und Schockeffekte setzt. Die Vorlagen stammen von Autor André Minninger, der viele Hörspiele geschrieben hat, darunter auch „Drei Fragezeichen“-Folgen. Und wie bei den Juniordetektiven aus Rocky Beach sind die ab 14 Jahre empfohlenen Hörspiele nicht nur für junge Hörer gedacht – schließlich gibt es viele Fans der alten Folgen.
Für die waren der größte Horror früher übrigens nicht ein Vampir, eine Mumie oder eine Killerameise, sondern Bandsalat. Wenn sich das Tonband im Kassettenrekorder verhedderte, musste man es mühsam rausziehen, zerschneiden, glätten und wieder zusammenkleben – und hoffen, dass bei der Notoperation keine wichtige Stelle unhörbar geworden war. Die Probleme gibt es mit den neuen Folgen nicht: Sie erscheinen nicht mehr auf Kassette, sondern auf CD, als Download, bei Streamingdiensten und auf Vinyl.
In der ersten Folge geht es um einen Polterabend in einem Landhaus, bei dem ein ungebetener Gast für Panik sorgt und Teller und Messer durch die Gegend fliegen lässt. Hilfe von außen ist nicht in Sicht, die Handys haben plötzlich kein Netz mehr. Diese Vorstellung ist für junge Hörer vermutlich viel gruseliger als ein Poltergeist.
Karsten Röhrbein
Düstere Thrillerstimmung
Grausame Wesen bedrohen das kanadische Vancouver: Es sind die grauen Engel mit ledrigen Schwingen, Reißzähnen, rot glühenden Augen und Verwesungsgestank. Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller und Taxifahrer, soll sie für einen geheimnisvollen Mann erforschen. Bald steckt er mitten im Kampf gegen das Böse. Doch das ist bei der Hörspielserie Gabriel Burns (Decision Products, Download ab sechs Euro) selten so klar erkennbar wie die grauen Engel: Manch nette Figur erweist sich doch als eiskalter Mörder.
Die 60-minütigen Folgen sind komplex und bauen aufeinander auf. Vieles wird erst spät klar, etwa, warum die Serie Gabriel – und nicht wie die Hauptfigur Steven – Burns heißt. So entwickelt sich ein packender Sog. Das liegt auch an prominenten Sprechern: Der Erzähler etwa ist Jürgen Kluckert, die deutsche Stimme von Morgan Freeman.
Eine düstere Geschichte, atmosphärische Musik und Profisprecher erschaffen ein Thrillerhörspiel für Erwachsene. Von 2003 bis 2014 erschienen 45 Folgen. Lange war unklar, ob es weitergeht. Doch der Macher der Serie, Volker Sassenberg, will noch in diesem Jahr nachlegen.
Greta Friedrich
Sympathischer Trashfaktor
In Fantasy-Romanen und -Filmen zählen Zauberer, Trolle und andere Fabelwesen meist zu den Guten. Der Scotland-Yard-Oberinspektor John Sinclair weiß aus seiner langen Karriere als Geisterjäger allerdings wenig Positives über diese Gruppe zu berichten. Entweder hegen die Wesen größenwahnsinnige Weltauslöschungsfantasien, sind Serienmörder oder haben ein unüberbrückbares persönliches Problem mit Sinclair. Oder alles zusammen.
Ursprünglich erschien Geisterjäger John Sinclair (Spotify, itunes oder Bastei Lübbe Verlag, Download ab 99 Cent) zum ersten Mal 1973. Der deutsche Autor Helmut Rellergerd schrieb die Gruselgeschichten als Groschenromane unter dem Pseudonym Jason Dark – bis heute sind weit über 2000 Bände entstanden. Seit 1981 gibt es sie auch als Hörspiele: Gesprochen werden die Figuren unter anderem von den deutschen Synchronstimmen von Pierce Brosnan oder Jack Nicholson. Die dazugehörigen Soundeffekte sind nichts für schwache Ohren – an allen Ecken bollert und blubbert es. Nicht selten fließt Blut. So ist Geisterjäger John Sinclair eine Mischung aus Akte X und Sherlock Holmes mit sympathischem Trashfaktor.
Manuel Behrens
Verbrechen aus dem echten Leben
Jürgen Harksen kann weder lesen noch schreiben – trotzdem zieht er Hamburger Millionären ihr Geld aus der Tasche. Ein anderer Fall dreht sich um das Doppelleben eines Kirchenmusikers: Als es auffliegt, wird er zum Mörder. Das sind keine Detektiv-Hörspiele, sondern Geschichten aus dem echten Leben. Im Podcast Verbrechen (zeit.de/verbrechen oder alle gängigen Podcast-Dienstleister) zeigt Sabine Rückert, dass das echte Leben manchmal die schlimmsten Horrorgeschichten schreibt: Die langjährige Gerichtsreporterin der Zeit rollt spektakuläre Taten mit schockierenden Wendungen und Versäumnisse von Polizei und Justiz auf.
Beides fasst sie in einen größeren Zusammenhang: Wie kommen Entführungsopfer wie der Millionär Jan-Philipp Reemtsma nach ihrer Befreiung im Alltag zurecht? Warum haben viele Ärzte Angst davor, bei auffälligen Leichen eine Obduktion anzuordnen? Auch wenn es sich um Einzelfälle handelt, regen die Verbrechen zum Nachdenken an: Würde ich wie Valerie L. einen Auftragskiller bestellen, wenn ich in meiner Ehe tyrannisiert werde? Ist eine Episode des Podcasts zu Ende, läuft der Krimi im eigenen Kopfkino noch lange weiter.
Konstantin Klenke
Die drei ???
Dunkle Indianer-Legenden, verlorene Schätze und verfluchte Orte: Untermalt von dramatischer Musik sind die knifflig-spannenden Kriminalfälle von den „Drei Fragezeichen“ mittlerweile ein Klassiker in der Gruselhörspiel-Welt.
Basierend auf der weltberühmten Jugendbuchreihe über die drei jugendlichen Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, die ihr Hauptquartier in einem schrammeligen Wohnwagen am Rande des Schrottplatzes von Justus’ Onkel aufgeschlagen haben, gibt es inzwischen sogar viele Folgen, die nur für die Audioproduktion kreiert wurden. Die Serie lebt jedoch nicht nur von der mitschwingenden Nostalgie, mit der viele Hörer sich an die jugendlichen Schmökerstunden mit den drei Detektiven erinnern, sondern auch von dem Spannungsgrad ihrer Geschichten: Er ist mit den Hörern mitgewachsen und längst nicht mehr nur für Kinder. Seit Jahren gleich geblieben sind jedoch die Stimmen von Justus, Peter und Bob – weshalb selbst bei mir, die die Bücher nicht kennt, mittlerweile nostalgische Gefühle auftreten.
Die drei Fragezeichen lassen sich über verschiedene Musikportale wie zum Beispiel Deezer streamen. Natürlich gibt es viele Folgen aber auch noch als CD, für knapp 7 Euro zu kaufen.
Ronja Wirts