Fridays for Future? Da mach‘ ich nicht mit!
Tausende Schüler demonstrieren freitags für eine bessere Klimapolitik. Andere bleiben in der Schule. MADS-Autoren Otilia und Jakob erzählen, wieso sie nicht streiken.
Otilia findet: Wir verpassen zu viel Schulstoff!
Freitag. Die ersten Schulstunden verlaufen wie an allen anderen Tagen: Unterricht, Pause, Unterricht, Pause. Die letzten beiden Stunden fühlen sich hingegen wie ein Glücksspiel an: Ist heute schon wieder Fridays for Future? Wie viele Schüler sind wieder zur Demo gegangen? Und sind genug Schüler da, damit der Unterricht überhaupt stattfindet?
Es ist erst die vierte Erdkundestunde, die wir im gesamten Halbjahr haben. Von meinen 32 Mitschülern kommen lediglich 12 zum Unterricht. Die anderen streiken bei Fridays for Future. Der Unterricht mit 12 Schülern läuft auch eher lau und ohne große Inhalte ab. Mich ärgert das mittlerweile total. Ich hätte lieber etwas anderes mit meiner Zeit angestellt, anstatt sie sinnlos in der Schule zu verschwenden. Und das fast jeden Freitag. Ende September gingen deutschlandweit, laut Angaben der „Fridays-for-Future“-Bewegung, 1,4 Millionen Menschen aller Altersgruppen bei einem globalen Klimastreik auf die Straße.
Erdkundeklausur fällt aus
Im gesamten vergangenen Halbjahr hat die Hälfte der Mitschüler fast jeden Freitag den Erdkundeunterricht bestreikt. So oft, dass wir kaum ausreichend Stoff behandelt hatten, um eine Klassenarbeit zu schreiben. Aus diesem Grund hat man sie nicht mehr geschrieben. Das Fach Erdkunde wurde in dem Halbjahr in meiner Klasse nicht mehr bewertet. Die Konsequenzen tragen wir bis heute.
Denn den Stoff, den wir verpasst haben, müssen wir jetzt so schnell wie möglich nachholen. Zuhause, jeder für sich. Außerdem müssen wir die Themen der 11. Klasse auch behandeln, damit wir einen guten Einstieg in die Oberstufe haben. Damit haben einige, unter anderem auch ich, unglaublich viele Schwierigkeiten. Erkunde ist sowieso nicht mein bestes Fach und ich bin keine Muttersprachlerin – mir macht der fehlende Unterricht große Probleme. Ich fühle mich sehr unter Druck gesetzt. Ich habe Angst, wegen des fehlenden Stoffes sitzenzubleiben.
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Manche Mitschüler gehen zu Subway
Was wir freitags anstatt Unterricht in der Schule gemacht haben? An einigen Tagen durften wir früher nach Hause gehen. An anderen haben wir uns einen Film angeschaut, bis die Stunden vorbei waren. Nur ein Mal haben wir darüber gesprochen, warum wir an Fridays for Future nicht teilnehmen. Die meisten Schüler hatten einfach nur Angst vor einem Elternbrief.
Was mich richtig geärgert hat, war dann ein Instagram-Bild meiner Klassenkameraden. Das, was ich gesehen habe, hat mich aber überhaupt nicht überrascht: Einige meiner Mitschüler waren bei Subway, jeweils mit einem Sandwich vor der Nase. Und das während draußen andere Demonstranten für eine bessere Umweltpolitik streikten.
„Wir werden von vielen Politikern einfach ignoriert“
Klar, es gibt sicherlich Schüler, die das Thema Klimaschutz sehr ernst nehmen und sich auch dementsprechend verhalten. Ich bleibe lieber in der Schule. Ich habe das Gefühl, dass solche Demos die Politik eh nicht aktiv beeinflussen können. Ein Beispiel dafür ist doch das gerade beschlossene Klimapaket der Bundesregierung. Seit einem Jahr gehen Tausende Menschen für eine bessere Klimapolitik auf die Straße – und trotzdem legt die Regierung ein Klimapaket vor, mit dem Deutschland laut Klimaaktivisten und Umweltverbänden nicht das Pariser Abkommen einhalten kann. 197 Staaten hatten sich 2015 darin zum Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu reduzieren.
Das ist enttäuschend und ich glaube, wir werden von vielen Politikern einfach ignoriert. Wird sich also die Umweltpolitik ändern, wenn Jugendliche die Schule bestreiken, um auf der Straße zu protestieren?
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EU-Abgeordneter schreibt Schülern Entschuldigung
Ich bin der Meinung, dass Veränderung von einem selbst kommt. Wenn einen das Thema Nachhaltigkeit wirklich beschäftigt, sollte man seinen Lebensstil anpassen, anstatt nur auf eine Demo zu gehen. Man könnte damit anfangen, mehr Bio-Produkte zu kaufen und möglichst plastikfrei zu leben. Vielleicht kann man damit mehr bewirken, als mit einem lauten Marsch durch die Stadt.
Von Otilia Holban
„Bildung ist ein Privileg“ – deshalb geht Jakob in die Schule statt zu FFF
Umweltschutz ist ohne Frage eine zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts, schließlich betrifft das Thema ausnahmslos jeden auf der ganzen Welt. Daher ist es wichtig, dass der Klimawandel ins allgemeine Bewusstsein gerückt wird. Passend dazu lautet die Devise der Fridays-for-Future-Bewegung: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ – Aber ob ich bei den Demonstrationen selber mitlaufe? Ich stehe zwar hinter der Bewegung, dennoch lautet meine Antwort nein.
Das sich andere in meinem Alter für Umweltschutz und Nachhaltigkeit engagieren, kann ich nur befürworten. Dafür die Schule zu schwänzen halte ich zumindest für zielführend und effektiv. Hätte Greta Thunberg an einem Samstag gestreikt, hätte sie vermutlich deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen. Dabei geht es bei Fridays-for-Future um genau das; Aufmerksamkeit. Für das Klima, für Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu generieren und Politikern und Unternehmen zu zeigen, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Und genau das braucht es angesichts des Klimawandels. Ich bin beeindruckt von Greta Thunberg, stehe hinter dem Engagement der Schüler, aber sitze trotz dessen fünfte und sechste Stunde im Klassenzimmer.
„Mit Wissen können wir das Klima schützen“
Warum demonstriere ich nicht mit anderen Schülern für die Umwelt, wenn ich doch für Fridays-for-Future unterstütze? Einfach weil Bildung ein großes Privileg ist, das wir genießen dürfen. Weltweit fehlt 264 Millionen (!) Kindern der Zugang Bildung, zu dem Schluss kam die Unesco 2017. Das ich dagegen diese Chance habe, ist keineswegs selbstverständlich und ich möchte diese nutzen. Freitags (oder an anderen Tagen) den Unterricht zu schwänzen kann ich mit meiner Einstellung zu Schule und Bildung einfach nicht vereinbaren.
So informieren sich Schüler über den Klimawandel
Zudem bin ich der Überzeugung, dass das wir vor allem mithilfe von Wissen und Bildung das Klima schützen können. Neue Innovationen und Technologien, wie umweltfreundliche Mobilität oder erneuerbare Energien, ermöglichen es uns, die Natur zu schützen, anstatt sie weiter zu belasten. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Damit wir diese ausbauen, entwickeln und in Zukunft auch verwenden können, braucht es Menschen, die gut ausgebildet sind und über das nötige Wissen und Know-How verfügen. Physik, Mathe, Chemie und Bio – das Wissen, das diese Schulfächer vermitteln, können wir für den Umweltschutz nutzen, anstatt es für den Umweltschutz zu verpassen.
Aus diesen Gründen verbringe ich Freitags meine Zeit lieber in der Schule und nicht auf Fridays-for-Future-Demonstrationen. Das die Umwelt im Bewusstsein der Gesellschaft verankert wird, ist wichtig und ich schätze das Engagement der Schüler, die dafür den Unterricht schwänzen. Für mich kommt es allerdings nicht in Frage.
Von Jakob Kauß