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Freundschaft zwischen Mann und Frau – geht das?

Freundschaft zwischen Mann und Frau – geht das?
Foto:  Netflix

Können Männer und Frauen eng miteinander befreundet sein? Unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung – und berichten von ihren Erfahrungen.


PRO: AUS FREUNDSCHAFT WIRD FAMILIE

„Wie, ihr seid gar kein Paar?“, fragte mich ein Kommilitone im zweiten Semester, als mein Kumpel Arne ein Seminar schwänzte und ich nicht wusste, wo er war. Lachend antwortete ich: „Nein, wie kommst du darauf?“ Sechs Semester und zahlreiche dieser Fragen später ist aus meinem Lachen ein genervtes Lächeln geworden. Für viele ist eine enge Freundschaft zwischen Männern und Frauen unvorstellbar.

Arne und ich lernten uns im ersten Semester kennen. Wir waren beide neu an der Uni und erstellten unseren Stundenplan zusammen. So war das Gesicht des anderen die einzige Konstante in den wechselnden Kursen. Mit der Zeit stellten wir fest, dass wir nicht nur aus derselben Region nach Hannover gezogen sind, sondern auch viele gemeinsame Interessen haben. Seitdem wählen wir nicht nur jedes Semester dieselben Kurse, sondern verabreden uns zum Laufen, Fußballschauen, Zocken oder einfach nur so zum Quatschen.

Was bei vielen Studien herauskam, haben wir widerlegt: Wir sind eng befreundet, ohne dass aus uns ein Paar geworden ist – selbst, als sich Arne und seine Freundin vor einem halben Jahr trennten und wir erstmals gleichzeitig Single waren. Natürlich gibt es die klassische Geschichte, die in zahlreichen Hollywood-Filmen wie „Freunde mit gewissen Vorzügen“ erzählt wird: Aus Freundschaft wird Liebe. Für mich stand das nie zur Debatte. Ich unterscheide nicht zwischen ihm und meinen Freundinnen: Abends schlage ich ungeschminkt im Trainingsanzug auf und wir quatschen nicht nur über Gott und die Welt, sondern auch über Beziehungskisten. Wir kennen unsere Lebensgeschichten, Macken und Vorlieben, kurz: Wir kennen uns einfach zu gut, als dass es kribbeln könnte. Das meint auch Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger: „Um sich zu verlieben, braucht es auch das Unbekannte, das Geheimnis.“

Freundschaften sind so individuell wie Personen. Sie funktionieren nicht immer. Manchmal stimmen Lebenseinstellungen, Charaktere oder die Chemie nicht überein – und manchmal entstehen romantische Gefühle. Das hat wenig mit dem Geschlecht der beiden Personen zu tun. Deshalb ist es Quatsch, dass in einer engen Freundschaft zwischen Mann und Frau regelmäßig Gefühle von mindestens einer Seite entstehen. Haben Bisexuelle dann gar keine Freunde?

Arne und ich gehen zu zweit essen, schauen Netflix und schlafen im selben Bett, ohne dass etwas passiert. Erst das ständige Gerede meiner Freunde und ihre Harry-und-Sally-Fantasien nach Arnes Trennung ließen mich über uns als Paar nachdenken – und hinterließen ein unangenehmes, mulmiges Gefühl. Das nervt mich, denn von allein habe ich nie über unsere unterschiedlichen Geschlechter nachgedacht – sie spielen keine Rolle. Viel wichtiger sind Loyalität, Vertrauen und Spaß. Deswegen heißt bei uns eher: Aus Freundschaft wird Familie. Love U, Bro.

KONTRA: WIE DIE BEZIEHUNG UNSERE FREUNDSCHAFT ZERSTÖRTE

Da stand er: Mit strahlendem Gesicht wartete mein bester Freund Tim auf meine Antwort. Dass es für ihn mehr als nur Freundschaft sei, hatte er kurz zuvor gesagt, und ob ich mir eine Beziehung vorstellen könnte. Und da stand ich: eine erschrockene und verunsicherte 14-Jährige. Ich hatte die Wahl: Ja oder Nein? Keine Wahl hatte ich in Bezug auf unsere Freundschaft. So, wie ich sie kannte und liebte, war sie vorbei, denn zu der wollte Tim nicht mehr zurück.

Seit diesem Erlebnis in der achten Klasse glaube ich, dass enge Freundschaften zwischen Männern und Frauen nicht funktionieren. Tim und ich verbrachten jeden Schultag miteinander, waren danach Eis essen und am Wochenende auf Konzerten. Wenn wir einen Film schauten, saßen wir automatisch dicht beieinander und kuschelten ein wenig. Bei so viel gemeinsamer Zeit und dem engen Körperkontakt ist es klar, dass sich einer verliebt.

Mit meiner Schwester schaute ich damals die MTV-Reality-Serie „Friendzone“. Dort wurden in jeder Folge zwei beste Freunde begleitet. Eine Person offenbarte der anderen, dass sie sich verliebt hatte. Pärchen wurden aus ihnen fast nie, manche Freundschaften zerbrachen sogar. Fünf Staffeln gibt es von dieser Serie – und wir wunderten uns, wie viele sich in ihre Freunde verliebten.

Unter Studenten enden bis zu zwei von drei engen Freundschaften zwischen Mann und Frau im Bett, wie eine Studie der University of Louisville zeigt. Das mündet häufig in einer „Freundschaft Plus“, in der sich eine Person unglücklich verliebt. Die Häufigkeit solcher Phänomene erklärt auch die Beliebtheit von Filmen wie „Freunde mit gewissen Vorzügen“. Diese Geschichten haben stets ein Happy End – anders als im echten Leben.

Auch bei mir war es anders. Zwar willigte ich erst in eine Beziehung mit Tim ein, doch schon nach einigen Tagen war ich genervt von den ständigen Nachrichten, über die ich mich vorher noch gefreut hatte. Plötzlich wollte er lauter Pärchendinge machen: Händchen halten, Essen gehen und rumknutschen. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt von seinen Erwartungen und unwohl, wenn er seine Lippen auf meine drückte. Das schlechte Gewissen, nicht so zu empfinden wie er, war mein Begleiter. Ich bekam schlechte Laune, er bemühte sich noch mehr – ein Teufelskreis.

Das Gegenteil passierte in meinem damaligen Lieblingsfilm. In dem französischen Teenie-Drama „LOL“ verlieben sich zwei beste Freunde ineinander und werden ein Paar. Meine Freundinnen und ich haben uns so eine Liebesgeschichte gewünscht. Dass das unrealistisch ist, merkte ich erst, als der Wunsch in Erfüllung ging. Ich ging die Beziehung ein, weil ich hoffte, dass ich mich noch verliebe. Doch die Schmetterlinge, die das Mädchen im Film hatte, blieben bei mir aus. Nach zwei Monaten machte ich Schluss. Befreundet sind wir nicht mehr. Seine Enttäuschung war zu groß


Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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