Frau Dangendorf, was macht eigentlich eine Gleichstellungsbeauftragte?
Wie steht es im Jahr 2024 um die Gleichberechtigung der Geschlechter? Zum Weltfrauentag gibt Sarah Dangendorf, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Region Hannover, einen Einblick in ihre Arbeit.
Um die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu befördern, müssen alle Städte und Gemeinden in Deutschland kommunale Gleichstellungsbeauftragte beschäftigen. Sarah Dangendorf ist 46 Jahre alt, Kulturwissenschaftlerin und führt dieses Amt seit drei Jahren stellvertretend bei der Region Hannover aus. Im MADS-Interview berichtet sie, was zu diesem Job dazu gehört – und wie sich die Gleichberechtigung in den vergangenen Jahren entwickelt hat.
Frau Dangendorf, was macht eigentlich eine Gleichstellungsbeauftragte?
Grob und kurz zusammengefasst ist unsere Aufgabe die Gleichstellung von Frauen und Männern, die wir hier in der Verwaltung nach innen, aber beispielweise auch durch Öffentlichkeitsarbeit nach außen ausüben.
Brauchen wir Gleichstellungsbeauftrage heutzutage überhaupt noch?
Frauen sind auch 2024 in Deutschland so strukturell benachteiligt, dass wir noch mehr Gleichstellung brauchen und nicht weniger. Ich kann das nachvollziehen, wenn man sagt, dass heute schon so viel erreicht wurde und wir alle chancengleich sind, aber in der Praxis sieht das dann aber nicht so aus.
Hat sich in den vergangenen Jahren etwas zum Thema Gleichberechtigung von Frauen geändert?
Ich finde, dass in diesem Thema schon immer eine große Dynamik herrscht. Ich habe aber auch gerade letzte Woche ein Plakat von 1994 gesehen. Da stand unter anderem drauf, dass die Gleichstellung noch nicht verwirklicht ist – und das gilt auch noch heute. Es haben sich zwar Veränderung ergeben, aber die zentralen Themen sind schon noch da. Auch während Corona haben wir gemerkt, dass die Frauen in der Familie die meiste Sorgearbeit übernehmen und deswegen eben nicht so viel arbeiten konnten wie die Männer. Zudem habe ich den Eindruck, dass der Ton Gleichstellungsthemen gegenüber ein bisschen rauer geworden ist, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass es ja verstärkt Angriffe auf die Demokratie gibt. Wir müssen also immer weiter auf uns aufmerksam machen und klarmachen, warum es uns gibt und wieso unsere Arbeit so wichtig ist.
Was haben Sie im Jahr 2023 mit Ihrer Arbeit erreicht?
Als erstes fällt mir der Geburtenfonds ein, der es ärmeren, schwangeren Frauen ohne Krankenversicherung ermöglicht, die reguläre Unterstützung während der Geburt in Anspruch zu nehmen. Außerdem konnten wir die Frauenberatungsstellen mithilfe der Politik finanziell, hinsichtlich der gestiegenen Kosten, unterstützen und haben bei uns in der Verwaltung die geschlechtergerechte Sprache eingeführt.
Welche Rolle spielt die Jugend bei dem Thema?
Bei Jugendlichen ist zum Beispiel die Berufswahl immer ein wichtiger Punkt. Ich finde es ganz wichtig, dass man da hinterfragt, ob man sich da nicht von irgendeinem Geschlechterklischee hat leiten lassen. Als ich Anfang/Mitte zwanzig war, hatte ich auch in meinem Studium schon einiges mit Gleichstellung zu tun – aber das dauert dann doch noch etwas, bis man wirklich bemerkt, wie wichtig das Thema Gleichstellung im eigenen Leben ist. Wenn man einen Beruf, Familie und Kinder hat zum Beispiel. Ich finde, man sollte sich auch immer vor Augen führen, wo das Geschlecht überall eine Rolle spielt – und aufmerksam sein, wenn man selbst oder irgendwer anders aufgrund des Geschlechts diskriminiert wird. Das sollte man nicht einfach so hinnehmen.
Glauben Sie, dass Medien etwas an der Einstellung gegenüber Frauen ändern? Als Beispiel: Haben Sie den Film „Barbie“ gesehen? Kann der beim Thema Gleichberechtigung etwas bewirken?
Ja, ich habe den Film sogar zweimal gesehen. Es gibt auch Leute aus der Gleichstellung, die den Film nicht so gut finden. Das ist eher eine Geschmackssache. Aber ich finde schon, dass Medien und die Bilder, mit denen wir uns umgeben, etwas an unserer Einstellung zu bestimmten Dingen ändern. Mir hat „Barbie“ auch deswegen so gut gefallen, weil dort eben nicht nur gut gezeigt wurde, wie es ist, mit verschiedenen Geschlechterrollen aufzuwachsen und warum wir Feminismus brauchen, sondern auch, weil dort auch die Seite der Männer gezeigt wurde. Denn Gleichberechtigung betrifft eben nicht nur Frauen, und das hat die Rolle des Ken wunderbar verdeutlicht.
Glauben Sie, dass wir die Geschlechtergerechtigkeit in Zukunft erreichen können?
Da bin ich etwas zwiegespalten. In der letzten Zeit merken wir ja, dass es vermehrt Angriffe auf die Demokratie gab – und Angriffe auf die Demokratie sind auch Angriffe auf die Gleichstellung. Aber andererseits werden die Menschen auch aufgeklärt, dass zum Beispiel Dinge wie der Gender Pay Gap und der Gender Care Gap existieren. Und ich denke, dass dieses hohe Maß an Informiertheit und Sensibilisierung zu einer Verbesserung beitragen kann. Also ich sehe keinen Grund, pessimistisch zu sein. Aber ich denke auch nicht, dass wir die Gleichstellungsarbeit in 20 Jahren nicht mehr brauchen werden. Eher im Gegenteil.
Interview von Sophie Sartison
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