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Eine KI sortiert Röntgenbilder nach Dringlichkeit

Eine KI sortiert Röntgenbilder nach Dringlichkeit
Foto:  Silas Stein/dpa

Sind KIs die besseren Ärzte? In Großbritannien warten Hunderttausende Röntgenbilder länger als einen Monat auf einen Bericht. Hilfe könnte von einer künstlichen Intelligenz kommen.


Mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) lassen sich Röntgenbilder nach Dringlichkeit sortieren. Britische Forscher trainierten dazu ein umfangreiches neuronales Netzwerk mit mehr als 470.000 Röntgenbildern und Befunden. In einer Computersimulation ließ sich so die Zeit von der Aufnahme des Röntgenbildes bis zu Fertigstellung des Befundberichts erheblich reduzieren, berichtet die Gruppe um Giovanni Montana vom King’s College London und von der University of Warwick (Großbritannien) im Fachmagazin „Radiology“.

„In Großbritannien wird geschätzt, dass zu jeder Zeit über 300.000 Röntgenbilder seit mehr als 30 Tagen auf einen Bericht warten“, wird Montana in einer Mitteilung der University of Warwick zitiert. Deshalb zielten er und sein Team darauf ab, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die Röntgenbilder nach der Dringlichkeit des Befunds vorsortiert werden können.

Die KI macht Fehler

Zunächst wandten sie ein KI-System zur Verarbeitung natürlicher Sprache an, um aus den Berichten zu den Trainingsröntgenbildern die medizinischen Befunde herauszulesen. Das funktionierte sehr gut, mit 98 Prozent richtigen Ergebnissen. Das System konnte also zuverlässig schriftliche Befunde nach bestimmten Kriterien – etwa Körperregion oder klinischer Befund – ordnen. Als nächstes trainierten die Forscher das System darauf, die schriftlichen Befunde mit bestimmten Bildmerkmalen zu verknüpfen.

Schließlich ließen die Wissenschaftler das trainierte neuronale Netzwerk knapp 16.000 Röntgenbilder bewerten, die nicht zu den Trainingsbildern gehörten. Die Klassen lauteten „normal“, „nicht dringend“, „dringend“ und „kritisch“. Hier war das System fehleranfälliger: So ordnete es von 558 Bildern der Kategorie „normal“ 49 als „dringend“ und vier als „kritisch“ ein. Umgekehrt erkannte das Computerprogramm von 385 kritischen Fällen nur 250 korrekt, die anderen erhielten die Angaben „dringend“ (103), „nicht dringend“ (27) und „normal“ (5).

KI verringert die Zeit für kritische Befunde

Weitere Verbesserungen seien nötig, bevor das KI-System zuverlässig eingesetzt werden können, sagen die Forscher. Sie konnten in einer Simulation immerhin die durchschnittliche Zeit für einen Bericht bei kritischen Befunden von 11,2 Tagen auf 2,7 Tage verringern. „Bei weiterer klinischer Überprüfung wird erwartet, dass diese Technologie die Arbeitsbelastung eines Radiologen erheblich reduziert“, sagt Montana laut einer Mitteilung der Radiological Society of North America, die die Zeitschrift „Radiology“ herausgibt. Indem das System großenteils die Aufnahmen der Kategorie „normal“ erkenne, bleibe für den begutachtenden Radiologen mehr Zeit für diejenigen Bilder, die mehr Aufmerksamkeit erfordern.

Felix Nensa, Radiologe am Universitätsklinikum Essen, schätzt die Studie als „gut gemacht“ ein. Allerdings empfindet er es als befremdlich, dass es auch mit Unterstützung durch KI noch immer fast drei Tage dauert, bis bei einem kritischen Befund der Bericht fertig ist. „In unserem Klinikum haben wir bei akuten Fällen eine flächendeckende Sofortbefundung“, hebt Nensa hervor. In Großbritannien hingegen solle anscheinend eine schlechte Organisation durch KI etwas abgemildert werden. Sinnvoll einsetzbar sei das System bei Bereitschaftsdiensten von Radiologen: Dann würden die Mediziner etwa nur geweckt, wenn die KI einen kritischen oder dringenden Befund erstelle.

KI sortiert nicht nur nach Dringlichkeit, sondern liefert Diagnose

Nensa selbst arbeitet mit Kollegen an einem Projekt, bei dem KI die Röntgenbilder nicht nur nach Dringlichkeit sortiert, sondern gleich die komplette Diagnose liefert. Bisher liefern meistens Assistenzärzte den ersten Befund, den der Radiologe bestätigt oder korrigiert. Die KI könne später einmal diese Erstbefunde erstellen, hofft Nensa. Dies ist auch das Fernziel von Giovanni Montana: „Ein wichtiger Meilenstein für diese Forschung wird in der automatisierten Generierung von Sätzen bestehen, die die radiologischen Abnormalitäten beschreiben, die in den Bildern zu sehen sind.“

Lest hier:
Was Künstliche Intelligenz in der Medizin schon kann – und was nicht

Außer Nensa arbeiten in Deutschland eine ganze Reihe von Forschergruppen an KI-Systemen für den Einsatz in der Medizin. An der Berliner Charité entwickelt etwa ein Team aus Ärzten und IT-Spezialisten ein Programm, das Notfallärzten helfen soll, bei Schlaganfallpatienten schnell die richtige Therapie zu finden. Am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) trainiert man KI-Systeme darauf, auch seltene Krebsarten zu erkennen und zu charakterisieren.

Von RND/dpa


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