Drake vs. Kendrick: Gibt es Grenzen im peinlichen Rap-Beef?
Eine kriminelle Anschuldigung nach der nächsten: Der Rap-Beef zwischen Drake und Kendrick Lamar nimmt kritische Ausmaße an, verpackt in belanglose Songs. Wenn Musik Straftaten verharmlost, sollte eigentlich eine Grenze erreicht sein. Wo hört der Größenwahn im Hip-Hop auf? Ein Kommentar.
Der aktuelle Rap-Beef zwischen Drake und Kendrick Lamar ist das größte Hip-Hop-Ereignis seit Langem. Was genau ist passiert? Im Herbst 2023 veröffentlichen Drake und J. Cole den Track „First Person Shooter“, auf dem J. Cole sich selbst, Drake und Lamar als Teil der „Big Three“ betitelt. Lamar feuert im März 2024 als Gast auf Futures und Metro Boomins Album zurück: „motherf**** the big three, it’s just big me.“ Alles, was ab diesem Punkt geschieht, ähnelt fast schon einem Chatverlauf. Innerhalb von zwei Wochen releasen Drake und Lamar insgesamt fünf Disstracks. Die wetteifernden Rapper scheinen sich kontinuierlich etwas aus den Fingern zu saugen, nur um das letzte Wort zu haben. Während Fans darüber diskutieren, wer von den beiden mehr „Realness“ besitze, scheint niemand den angesprochenen Thematiken nachzugehen. Kriminelle Anschuldigungen wie häusliche Gewalt verlieren so rasch an Wert. Sollte damit nicht eine Grenze im Hip-Hop überschritten sein?
Schwere Thematiken belanglos verpackt
Dass Disstracks Teil des Rap-Games sind, steht völlig außer Frage. Die Grundideologie des Genres sagt aus, dass Hiphop an die Kraft von Worten glaubt. Disstracks dienen aber in erster Linie zur Unterhaltung und Profilierung. In Zeiten von Stan- und Cancel-Culture sind Acts besonders gierig nach mehr Reichweite. Die gewählten Textinhalte rutschen dabei schnell auf eine unsensible Bahn ab, eben weil sie Aufmerksamkeit erregen. Genau dieses Phänomen ist aktuell bei Drake und Lamar zu beobachten. Inmitten von harten Anschuldigungen über Pädophilie, Untreue und Rassismus passen sich die beiden Männer Ende 30 den Ball hin und her. Texte wie diese sind tendenziell nichts Neues im Rap-Game. Allerdings entwertet es die Bedeutung krimineller Taten immens, wenn sie wie eine Einkaufsliste heruntergerattert werden. Es geht nicht ums Gesagte, sondern nur darum, dass etwas gesagt wurde. Denn die provokanten Punchlines überzeugen Fans genug, um am Ball zu bleiben, unabhängig davon, ob das Gerappte denn auch stimmt. Disstracks sollen für beide keine Aufklärarbeit betreiben, sondern vorrangig Aufmerksamkeit bringen. Und Aufmerksamkeit heißt Geld.
Schlechte PR ist trotzdem PR
Für Drake und Lamar scheint dies bisher gut zu funktionieren. Allein Lamars auf Youtube veröffentlichte Songs erreichen bisher 70 Millionen Klicks (Stand 10. Mai). Drake liegt abgeschlagen mit 35 Millionen Views dahinter. Doch egal, wie schlimm die Anschuldigungen in den Lyrics ausfallen, Drake und Lamar verschaffen sich aktuell gegenseitig einen riesigen, finanziellen Boom. Tia Tyree, Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Howard University, bestätigt „NBC Philadelphia“, dass Rap-Beef Geld bedeutet. Kein Thema sei tabu, denn es gehe um Machtkampf, Sticheleien und wer die Stan-Culture auf seine Seite ziehen kann. Dies gelingt Lamar, dessen ausdrucksstarke Line „Certified Loverboy? Certified Pedophiles“ in „Not Like Us“ sich sofort ins Gehirn brennt. In Kombination mit dem Cover, ein Screenshot von Drakes Villa, versehen mit den offiziellen, roten Markern für Sexualstraftäter in Amerika, verdeutlicht er aber das peinliche, unmoralische Niveau, auf dem sich beide Männer befinden. Derartige Grenzüberschreitungen haben schließlich nichts mehr mit ehrlicher Musik zu tun.
Wahre Straftaten dürfen kein Profilierungsinstrument sein
Kindesmissbrauch und Gewalttaten erlangen somit eine rein instrumentelle Funktion in den unzähligen Disstracks. Gerade deshalb, lassen sich die Songs auch wie vom Fließband produzieren. Während Drake nur siegessicher mit „I’m way too famous for this sh*t you just suggested“ in „The Heart Part 6“ kontert, scheint er den Ernst der Anschuldigungen nicht verstanden zu haben. Laute Männlichkeit übertönt eine potenzielle Wahrheit, weil die Lust nach Spektakel größer ist als die Lust auf Hinterfragen. Und doch werden Drake und Kendrick Lamar von vielen Fans nicht für ihr größenwahnsinniges Verhalten kritisiert, sondern weiterhin gefeiert.
Von Lara Dawurske
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Der Artikel ist einfach nur schlecht…