Immer mehr Influencer: Wie sinnvoll ist das Berufsziel?
Angesagte Klamotten und traumhafte Urlaube geschenkt bekommen und noch dazu der eigene Chef sein: Das Leben der Influencer auf Social Media scheint vielen Jugendlichen erstrebenswert. Aber ist der Job wirklich so toll? Und was macht er mit dem deutschen Arbeitsmarkt?
Für viele Jugendliche ist der Job des Influencers inzwischen eine attraktive Option. Das bestätigt Barbara Engels, die am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter anderem zur sogenannten Creator Economy forscht. Die Entwicklung der Social-Media-Persönlichkeit zum Berufsziel Nummer eins bei Jugendlichen hängt ihr zufolge auch damit zusammen, dass in den sozialen Medien eine Traumwelt dargestellt werde. Dabei ist Influencer nicht einmal ein anerkannter Beruf: Es gibt weder eine spezifische Ausbildung noch Abschlüsse oder Lizenzen.
Influencer: Nur wenige können von ihrem Einkommen leben
Auch wenn es durchaus Größen der digitalen Selbstdarstellung gibt, gestaltet es sich üblicherweise schwierig, aus dem Job den Profit zu schlagen, den Hochglanzfotos einem weismachen. Überhaupt von der Präsenz im Internet leben zu können ist schwierig. „Es gelingt weniger Influencern, als man gemeinhin denkt“, sagt Social-Media-Experte Felix Beilharz, der unter anderem mehrere Bücher zum Thema Onlinemarketing geschrieben hat.
Die Hälfte der Influencer verdient sogar gar kein Geld. Das ergab eine Befragung von Hypeauditor, einem Onlinedienst, der Werbepartnerschaften zwischen Konzernen und Influencern vermittelt, mit mehr als 1860 Influencern mit mehr als 1000 Followern im Jahr 2021. Nur 4 Prozent konnten von ihrer Tätigkeit leben. Voraussetzung dafür: hohe fünfstellige oder besser sechsstellige Followerzahlen. Wirklich reich würden dabei nur wenige. „Es ist ein Job, der mit hohen Versprechungen lockt, aber auch hohe Ungewissheit, hohen Druck und hohes Risiko mitbringt“, sagt Beilharz.
Um Influencer zu werden, rät der Social-Media-Experte: „Man sollte sich gut überlegen, was einen so besonders macht, dass man im immer größer werdenden Markt der Influencer überhaupt auffällt.“ Oft sei es auch ein Shoutout eines größeren Creators, der einem kleineren Influencer zum Durchbruch verhelfe. Aber auch eine Portion Glück gehöre sicherlich immer dazu.
Influencer werden: Mehr Arbeit als es scheint
Hinter der Scheinwelt, die auf Instagram und Co. präsentiert wird, stecke außerdem viel mehr Arbeit als oftmals angenommen. Auch das sollte bei der Berufswahl berücksichtigt werden. „Ich glaube, dass viele, die heute Influencer als Traumjob angeben, doch von der Realität eingeholt werden und den regulären Weg gehen – Studium oder Ausbildung“, sagt Beilharz.
Influencer sei ein vielseitiger und fordernder Job, hebt der Experte hervor. Content-Ideen zu entwickeln und zu erstellen benötige beispielsweise Kenntnisse in Fotografie, Bild- und Videobearbeitung oder Texten. „Ein gutes Reel zu erstellen kann manchmal in wenigen Minuten gelingen, kann aber auch einen ganzen Tag dauern“, sagt Beilharz. Dazu komme das Community-Management sowie die Herausforderung, Kooperationen zu finden, einzugehen und zu managen. Große Influencer würden für all diese Bereiche häufig ein Team aus Spezialisten engagieren, kleinere Creator müssten das aber alles selbst machen. Diese Schwierigkeiten seien vielen nicht bewusst, die von einem Leben als Influencer träumen.
Befeuern Influencer den Fachkräftemangel?
Wenn trotzdem immer mehr Menschen tatsächlich Influencer werden – was bedeutet das dann für den Arbeitsmarkt? Schließlich fehlten laut IW zwischen Juli 2021 und Juli 2022 mehr als eine halbe Million Fachkräfte in Deutschland. Die meisten Personen fehlen im Bereich Kinderbetreuung, bis 2026 wird der größte Rückgang bei Bankkaufleuten erwartet, so eine weitere IW-Studie.
„Insbesondere die Vollzeit-Influencer fehlen dem Arbeitsmarkt natürlich“, sagt Barbara Engels vom IW. Tendenziell verschärfe der Influencer-Trend also den Fachkräftemangel. „Es ist sehr wichtig, insbesondere Jugendliche über die Chancen auf dem Influencer-Markt aufzuklären“, gibt Engels zu. Aber auch die andere Seite müsse beleuchtet werden: Über die Nachteile des Influencer-Daseins wie den Druck, ständig Inhalte zu produzieren, um weiterhin von den Algorithmen in die Feeds der Follower gespült zu werden, werde ihr zufolge kaum berichtet. „Das müssen wir ändern, und genau das will ich auch mit meiner Forschung tun.“
Influencer-Markt bereits gesättigt
Zwar ist die Anzahl an Creatorn, denen Internetnutzende folgen können, technisch unbegrenzt. Dennoch gibt es der IW-Studie zufolge zeitliche und kognitive Grenzen. Die Forschenden gehen davon aus, dass Menschen maximal mit 150 Menschen in Kontakt sein können. So kam die Studie zu dem Ergebnis, dass der deutsche Influencer-Markt bereits ausreichend gedeckt sei.
Für die Rechnung des Instituts wurde die Anzahl der Social-Media-Nutzenden, der Internetnutzenden und der Bevölkerung jeweils ab 14 Jahren mit 150 multipliziert. Heraus kommt die Anzahl der Influencer, denen diese verschiedenen Zielgruppen theoretisch folgen könnten. Bereits jetzt verdienen laut IW mehr als 500.000 Personen der Generation Z ihr Geld als Influencer. Dazu kommen weitere Content Creator aus anderen Generationen und aus anderen Ländern. Der Studie zufolge ist der Markt also bereits gesättigt.
Von Gina Henning
Lies auch: