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Bedrohte Riffe: Klimawandel verursacht Korallensterben

Bedrohte Riffe: Klimawandel verursacht Korallensterben

Traumhafte Unterwasserwelten mit farbenprächtigen Korallenriffen sind sehr selten geworden. Denn der Klimawandel sorgt nicht nur für Hitzewellen an Land, sondern lässt auch die Temperatur der Ozeane steigen. Eine neue Studie zeigt jetzt, wie das Korallensterben die Struktur der Riffe verändert und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen gefährdet.


Sie zählen zu den faszinierendsten Wundern der Welt: Wer einmal beim Tauchen oder Schnorcheln ein Korallenriff erkundet hat, wird die Bilder so bald nicht vergessen: Eine bizarre Unterwasserwelt, in der sich bunte Fische und kuriose Kreaturen tummeln. Und die Riffe sind nicht nur eine Augenweide: Sie zählen zu den artenreichsten Ökosystemen der Erde, schützen Küsten vor zerstörerischen Stürmen und bieten die Lebensgrundlage für Millionen Menschen, die etwa von der Fischerei und vom Tourismus leben. Doch der Klimawandel setzt Korallen harsch zu. Nun zeigt eine Studie detailliert, dass starke marine Hitzewellen sie nicht nur schädigen, sondern rasch absterben lassen. Angesichts der zunehmenden Erwärmung ein erschreckendes Szenario.

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Temperaturschwankungen führen zu Korallenbleiche

Korallen sind Nesseltiere, die mit winzigen Algen in Symbiose leben. Die Nesseltiere bilden das Kalkskelett, die einzelligen Algen verleihen ihnen ihre Farben. Dabei können – teils über Jahrmillionen – Bauten von Rekordmaßen entstehen: Das von Korallen geschaffene Gebilde auf dem Meeresboden des Eniwetok-Atolls im westlichen Pazifik ist mit mehr als 1400 Metern fast doppelt so hoch wie das höchste Gebäude der Welt, der 828 Meter hohe Burj Khalifa in Dubai. Nicht höher, aber weit größer ist das Great Barrier Reef (GBR) vor der Küste Australiens, das etwa der Fläche Deutschlands entspricht.

In vielen Meeresregionen weltweit ist die Wunderwelt in den vergangenen Jahren einer Wüste gewichen. Der Grund: Korallen leben in tropennahen Gewässern ohne größere Temperaturschwankungen. Wenn sich das Wasser stark erwärmt, werden die Algen giftig, die Korallen stoßen sie ab und verlieren damit ihre Farbe. Diese sogenannte Korallenbleiche ist seit Jahrzehnten bekannt, erreichte aber in jüngerer Zeit während diverser Hitzephasen erschreckende Ausmaße – etwa Ende der 90er Jahre, 2010 oder von 2014 bis 2017.

Bisher dachten Forscher, dass sich Korallen davon unter günstigen Bedingungen wieder erholen können – mitunter binnen Monaten. Dies relativiert nun eine australische Studie. Demnach lassen besonders starke marine Hitzewellen im Meer Korallen nicht nur ausbleichen, sondern binnen Tagen absterben. Das hat das Team um Tracy Ainsworth von der University of New South Wales in Sydney nicht nur am Great Barrier Reef beobachtet, sondern zusätzlich in Versuchen an zwei Korallenarten nachgewiesen. “Intensive marine Hitzewellenhaben wesentlich schlimmere Folgen als nur Korallenbleiche”, wird Studienleiterin Ainsworth in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. “Die Koralle bleicht nicht nur aus und gibt ihre Symbiose auf – das Tier stirbt und sein zugrundeliegendes Skelett ist das einzige, was übrig bleibt.”

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Korallen sterben schon nach wenigen Tagen ab

Von 2014 bis 2017 sei weltweit mehr als ein Drittel der Korallenriffe (37 Prozent) von Korallenbleiche befallen worden, schreiben die Forscher im Fachblatt «Current Biology». Nun untersuchten sie den Höhepunkt der Hitzewelle an der Insel Lizard Island vor der Küste Australiens. “2016 erlebte das Great Barrier Reef die heftigste marine Hitzewelle, die jemals in der Region registriert wurde”, schreibt das Team. Dabei erfuhr fast ein Drittel der Korallen (31 Prozent) Hitze, die in der wöchentlichen Summe die maximale Durchschnittstemperatur deutlich überstieg. Das kann etwa ein Anstieg von 1 Grad wöchentlich über acht Wochen sein – bei solchen Werten bleichen Korallen nicht mehr aus, sondern sie sterben ab.

Dieses Absterben galt bislang als Prozess, der sich über Monate bis Jahre hinzog. Doch die Forscher beobachteten nun, dass viele Korallenschon binnen Tagen starben und ihre Skelette dann von einem Biofilm aus Mikroorganismen überzogen wurden. Die Folgen analysierte das Team im Labor bei zwei Steinkorallen, der Buschkoralle Pocillopora damicornis und der Geweihkoralle Acropora aspera. Bei Hitze verloren diese nicht nur die Organismen auf ihrer Oberfläche und blichen aus, sondern auch das Gewebe der Nesseltiere starb ab. Binnen zwei Tagen bildete sich ein Biofilm auf dem verbliebenen nackten Kalkskelett. Statt der bis dahin vorherrschenden Symbiodinium-Algen fanden die Forscher nun vorherrschend Grünalgen der Gruppe Ostreobium sowie Cyanobakterien, also Blaualgen.

Ohne Kalk zerfallen die Riffe

Damit nicht genug: Bei beiden Arten verloren die Skelette daraufhin Kalk. Das entspreche dem, was während der Hitzewelle 2016 auf Lizard Island beobachtet worden sei, schreiben die Wissenschaftler. Bilder per Computertomographie (CT) bestätigten, dass das Kalkskelett zunehmend poröser – und damit unstabiler – wurde. Damit verlören Korallenriffe auf lange Sicht ihre dreidimensionale Struktur, sagt Ko-Autor Bill Leggat von der australischen University of Newcastle. “Das entspricht dem, was wir in Thailand in der Andamanensee beobachtet haben”, sagt Marlene Wall vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. “Dort hatten wir 2010 eine Mortalität von etwa 30 Prozent. Wir sehen jetzt Jahre danach, dass manche Riffe zerfallen – wir finden tote Korallenfragmente. Dieser Prozess wird hier erstmals auch in Laborversuchen gezeigt.” Gerade ästig wachsende Korallen, die den Riffen ihre Struktur verleihen, seien oft besonders temperaturempfindlich, sagt die Expertin, die nicht an der Studie beteiligt war.

Ähnliches berichtet Sonia Bejarano vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen. “Nach der Hitzewelle 2016 verloren viele Korallen in Fidschi Teile ihrer Struktur”, sagt sie. “Die Studie ändert unser Verständnis von Korallenbleichen. Wenn es zu lange zu warm ist, sterben Korallen schnell ab – in wenigen Tagen statt nach Monaten.” Ob sie sich wieder erholen könnten, hänge unter anderem davon ab, ob noch lebendes Gewebe erhalten sei.

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Mehr Hitzewellen durch Klimawandel

Noch sind solche marinen Hitzewellen, bei denen die Temperaturen an der Wasseroberfläche wochenlang auf Extremwerte steigen, eher selten. Doch Klimaprognosen zufolge werden solche Phänomene häufiger. Die Zahl extremer Hitzetage habe sich weltweit von 1982 bis 2016 etwa verdoppelt, berichteten Schweizer Forscher unter Verweis auf Satellitenmessungen und Klimasimulationen vor einem Jahr im Fachblatt «Nature». Selbst wenn das in Paris vereinbarte Klimaziel von 1,5 Grad Erwärmung eingehalten würde, stiege die Zahl solcher Hitzetage weltweit im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um den Faktor 16, bei einer Erwärmung um 3,5 Grad sogar um den Faktor 41.

Die Hitzewelle 2016 am Great Barrier Reef sei auch auf El Niňo zurückzuführen, sagt Nicolas Gruber von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), Ko-Autor des “Nature”-Papers. Zwar seien die absoluten Temperaturunterschiede in den Tropen und Subtropen eher geringer als etwa in gemäßigten Breiten, sagt der Umweltphysiker. Aber gerade tropische Ökosysteme wie Korallenriffe oder Mangrovenwälder seien besonders sensibel, weil sie keine großen Temperaturschwankungen gewohnt seien. “Sie leben in einem klar definierten Temperaturbereich”, erläutert Gruber. “Wenn sie den verlassen, passiert sehr viel.“ “Die Hitzewellen werden mit der globalen Erwärmung nicht nur häufiger, sondern auch intensiver und dauern länger an”, ergänzt der Klimaforscher Thomas Frölicher von der Universität Bern, Leitautor der “Nature”-Studie. “In den tropischen Regionen nimmt die Zahl der marinen Hitzetage überproportional zu.”

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Lebensgrundlage vieler Menschen bedroht

Auf die Folgen des Klimawandels für Korallenriffe hat der Weltklimarat(IPCC) schon in seinem letzten Bericht vor einem Jahr hingewiesen. Steige die Temperatur um 1,5 Grad, gingen 70 bis 90 Prozent der Riffe mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren, heißt es da. Bei einem Anstieg um 2 Grad seien es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sogar mehr als 99 Prozent. Die in der aktuellen Studie berichteten Folgen von Hitzewellen waren da noch nicht bekannt. “Unsere Studie enthält zwingende Belege dafür, dass die Gesellschaft zum Schutz der Korallenriff-Ökosysteme dringend globale und lokale Anstrengungen unternehmen muss, um den Klimawandel abzumildern”, schließt das australische Team. “Ein Versagen beim Abmildern des Klimawandelsund bei der Minimierung schwerer mariner Hitzewellen birgt nicht nur für Korallen und Korallenriffe das Risiko des Zusammenbruchs, sondern bedroht auch die Lebensgrundlage von einer halben Milliarde Menschen weltweit.”

Könnten viele Korallenriffe also schon in einigen Jahrzehnten weitgehend verschwunden sein? “Die Resultate rufen nach einem entschlosseneren globalen Vorgehen gegen den Klimawandel, um den Verfall von Korallenriffen zu bremsen oder sogar zu verhindern”, sagt die Bremer Forscherin Bejarano. Der Berner Klimaforscher Frölicherergänzt: “Die CO2-Emissionen sollten auf Null sinken – und das möglichst bald.”

Von Walter Willems/RND


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