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Bald startet seine bislang größte Tour: Sänger Conny im MADS-Interview

Bald startet seine bislang größte Tour: Sänger Conny im MADS-Interview
Foto: Niels Freidel

Er rappt am liebsten über Liebe, kritische Männlichkeit und Kapitalismuskritik. Im Interview mit MADS erzählt Conny von persönlichen Herausforderungen, weshalb er seinen Job als Projektmanager aufgegeben hat und warum er nächstes Jahr nicht viele Konzerte spielen wird.


Conny, du bist bereits seit vielen Jahren im Musikgeschäft. Siehst du dich selbst noch als Newcomer, und wie empfindest du deine Entwicklung als Künstler?

Meine alte Band Der Plot war ein Projekt, das es super lange gab. Das Soloprojekt Conny war für mich ein ziemlicher Neustart, was meine Herangehensweise ans Schreiben anbelangt – dass ich weiß, was eigentlich meine Stimme ist, mit welchen Themen ich mich identifiziere und aus welcher Perspektive heraus ich schreibe. Diese Art des Musikmachens war für mich komplett neu. Dementsprechend habe ich schon das Gefühl, dass ich, was Conny angeht, ein Newcomer gewesen bin. Als richtiger Durchbruch hat sich erst mein Album „Manic Pixie Dream Boy, Vol. 1“ vor zwei Jahren angefühlt.

Zur Person: Constantin Höft aka CONNY wurde 1987 in Düsseldorf geboren. 2018 gab er seine Arbeit als selbstständiger Software-Architekt und Projektleiter auf, um hauptberuflicher Musiker zu sein. Die Texte des Rappers sind gesellschaftskritisch, um die Ecke gedacht und geprägt von viel Liebe zur Sprache. Ab dem 17. November tourt er durch Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Deine Texte sind tiefgründig. Welche Herausforderungen gibt es für dich beim Schreiben und Musikmachen?

Die Strophen meines Songs „Drake ist auch nicht glücklich“ sind mindestens doppelt so lang wie die der üblichen Pop- oder Rap-Songs. Intern machen wir schon immer Witze: „Jetzt kommt wieder so eine 100-Takte-Strophe.“ Das kommt durch meine Liebe für längere Literatur, komplexe Gedankengänge und Fremdwörter. Dafür wurde ich am Anfang von meinem Umfeld etwas komisch beäugt. Viele haben gefragt: „Warum musst du das so kompliziert ausdrücken? Fühlst du dich cooler, wenn du das machst?“ Und ich verstehe auch, dass meine Texte elitär wirken können. Das ist für einen Künstler, der sich eine sozialkritische Agenda auf die Fahne schreibt, durchaus ein wichtiger Kritikpunkt, mit dem ich mich auseinandersetzen muss. Das ist eine meiner größten Herausforderungen: Der Komplexität eines Themas gerecht werden und gleichzeitig niedrigschwellig sein, um keine Leute abzuhängen und dann am Ende nur ein super akademisches Publikum anzusprechen. 

Foto: Niels Freidel

In deinem Song „Schäm dich“ thematisierst du Menschen, die sich durch Klimakritik benachteiligt fühlen. Hast du deinen Lebensstil verändert, um nachhaltiger zu leben?

Ich selbst habe kein Auto und fahre immer mit der Bahn von Köln nach Berlin ins Studio. Ansonsten lebe ich seit etwa vier Jahren vegan. Wir versuchen, die Kostüme für meine Musikvideos second hand zu besorgen und umzuarbeiten. Meine Merch-Kollektion ist immer aufgearbeitete B-Ware. Privat kaufe ich nur noch gebrauchte Kleidung. Dennoch ist die Verlagerung der Verantwortung aufs Individuum gar nicht so hilfreich und lenkt davon ab, dass die großen Unternehmen letztendlich die Verursacher sind. Deswegen unterstütze ich gerne Bewegungen wie Fridays for Future.

Dein Song „Temporär für immer“ hat auf Spotify mehr als fünf Millionen Streams. Ich muss gerade bei Zeilen wie „Wir sind temporär für immer, für die Ewigkeit kaputt“ ans Online-Dating denken. Wie stehst du zu dieser unverbindlichen Verbindlichkeit, die damit oft einhergeht?

Für mich war „Temporär für immer“ auf jeden Fall ein Kommentar auf diese unverbindlichen Beziehungen. Die digitale Welt zeigt dir eine Palette von Dingen, die du theoretisch erleben könntest und dazu gehören viele mögliche Partnerinnen und Partner. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, uns fehlt die Zeit, alles zu erleben. Man hat immer eine unterschwellige FOMO, also die Angst, etwas zu verpassen. Ich selbst bin ein absoluter Beziehungsmensch und freue mich total darauf, zu meiner Freundin nach Hause zu kommen. Aber ich habe auch diese superschönen Momente, wenn ich eine Person zum ersten Mal zu sehe und direkt merke, dass da eine unglaubliche Anziehung ist. Es gibt also auch den krassen Reiz, jemanden neu kennenzulernen, diese ersten Momente von frischem Verliebtsein. Das Dazwischensein verursacht Schmerz, weil wir uns hin- und hergerissen fühlen. Für mich ist die ganze Thematik immer noch aktuell – deswegen auch die neue EP „Für immer temporär“, die im September erschienen ist.

Du transportierst in deinen Songs sehr offen deine Gefühle. Es hören ja nicht nur Fremde deine Songs, sondern auch Menschen aus deinem Umfeld. Macht dir das manchmal Angst?

Ich rede mit meiner Familie nicht viel über Depressionen. In meinen Songs ist das Thema aber relativ präsent geworden. Manchmal ist mir das ein bisschen unangenehm, weil ich dann denke: „Okay, jetzt habt ihr das alle gehört, wisst aber auch nicht, was ihr dazu sagen sollt.“ Ich habe neulich eine Nachricht bei Instagram bekommen, die mich sehr berührt hat, wo mir jemand geschrieben hat, dass er sich aufgrund meiner Musik getraut hat, zu einem Psychologen zu gehen. Und dann macht es vielleicht Sinn, dass ich meine Songs so ehrlich formuliere, weil das etwas ist, was ich in der Musik, die ich gehört habe, nie so wirklich gefunden habe. Wäre das präsenter gewesen, als ich ein Jugendlicher war, hätte ich mich vielleicht ganz anders mit den Themen auseinandersetzen können.

In „Für dich würd ich“ kommt dir die Erkenntnis, dass du das vorhandene Konzept von Männlichkeit nicht unterstützt, weil es dich dazu gebracht hat, dich selbst zu hassen. Welches Bild von Männlichkeit hättest du dir in deiner Kindheit gewünscht und erhoffst du dir für künftige Generationen?

Wenn es einen Kreis mit als männlich definierten Eigenschaften gibt und einen Kreis mit meinen Eigenschaften, dann überschneiden sich diese beiden Kreise kaum. Ich bin eher ängstlich, verträumt und ruhig. In meinem damaligen Freundeskreis gab es den Joke: Wann wird Conny endlich einen Bart bekommen? Das war natürlich ein Scherz, aber hat mich trotzdem mitgenommen. Ich hatte unter meinen Kumpels immer die längste Badroutine wegen meiner Kontaktlinsen und Neurodermitis. Deswegen hatte ich immer das Gefühl, sowas heimlich machen zu müssen, um nicht aufzufallen und besser in Geschlechter-Stereotype zu passen. Ich wünsche mir, dass man Eigenschaften gar nicht mehr so stark gendert oder das Set an Eigenschaften für eine männlich gelesene Person deutlich erweitert.

Dein älterer Song „Sisyphos“ berührt aktuelle Themen wie die 4-Tage-Woche. Wie ging es dir, als du deinen Job als Projektmanager aufgegeben hattest, um Vollzeitrapper zu sein? 

Als ich damals auf eine 4-Tage-Woche reduziert habe, hat das für mich richtig viel angestoßen, bis ich komplett den Job gekündigt habe. Das ist der Moment, den ich in „Sisyphos“ beschreibe. Erst als ich komplett frei in meiner Arbeitsweise war, ist mir klar geworden, wie krass diese Verbindung zwischen Selbstwert und Arbeit ist und das war für mich ein totaler Augenöffner. Ich glaube, unter anderem daraus ist meine kapitalismuskritische Haltung geboren, weil ich verstanden habe, dass es nicht gut ist, seinen Selbstwert nur aus externen Sachen zu generieren. 

Du hast erwähnt, du schreibst gerne Kurzgeschichten. Hast du vor, irgendwann ein Buch zu veröffentlichen?

Auf meiner Bucket List ist es definitiv. In einem Buch kann man viel mehr sagen, als in vier oder fünf Minuten. Ich habe ein paar Kurzgeschichten, die ich sehr liebe und gerne teilen würde. Momentan liegt aber ein großer Fokus auf meiner Musik.

Was kannst du uns sonst über kommende Projekte von dir verraten?

Im November und Dezember sind wir auf meiner bislang größten Tour mit 18 Terminen. Danach ist für mich erstmal die Rückkehr an den Schreibtisch angesagt, weil ich mein neues Album „Manic Pixie Dream Boy, Vol. 3“ schreiben möchte. Ich habe das Gefühl, dieser abschließende Teil muss eine gewisse Schlagkraft haben. Deswegen habe ich das nächste Jahr sehr freigeräumt.

Tour-Termine von CONNY:

17.11.23 – Mannheim, Forum
18.11.23 – Dresden, Groovestation
19.11.23 – Köln, Club Volta
22.11.23 – AT-Wien, Flex
23.11.23 – Leipzig, Naumanns (ausverkauft)
24.11.23 – Bremen, Tower
25.11.23 – Köln, Club Volta (ausverkauft)
29.11.23 – CH-Baden, Werkk Kulturlokal
30.11.23 – München, Feierwerk (ausverkauft)
01.12.23 – Stuttgart, clubCANN
02.12.23 – Göttingen, MUSA (ausverkauft)
06.12.23 – Münster, Skaters Palace
07.12.23 – Wiesbaden, Schlachthof
08.12.23 – Nürnberg, Z-Bau
09.12.23 – Berlin, Hole 44
14.12.23 – Bochum, Rotunde
15.12.23 – Hamburg, Uebel & Gefährlich
16.12.23 – Hannover, Faust

Interview: Lisa Hofmann


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

Unter diesem Namen sammeln wir Beiträge von Gastautorinnen und -autoren, Autorenkollektiven oder freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei MADS. Die Namen des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin stehen unter dem einzelnen Beitrag.

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