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Deutschrap: Der schmale Grat zwischen Kunst und Diskriminierung

Deutschrap: Der schmale Grat zwischen Kunst und Diskriminierung
Foto: Unsplash/Austin Neill

Kunst darf alles – eigentlich. Zeilen aus Deutschrap-Songs lösen jedoch immer wieder Diskussionen aus. MADS-Autor Alex hat sich die Szene angesehen und einen Anwalt gefragt, wann die Grenze zur Diskriminierung überschritten ist.


„Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“: So lautet eine Songzeile der Rapper Farid Bang und Kollegah von ihrem Album „JBG 3“ von 2018. Eine Zeile, die nicht nur für die Abschaffung des Musikpreises Echo sorgte, sondern die Diskussion entfachte, wie weit deutscher Rap mit seinen Texten gehen darf. Einige Fälle des Gangsterrap überschreiten die Grenzen – oder gibt es die gar nicht? Wo hört Kunstfreiheit auf und fängt strafrechtlich verfolgbare Diskriminierung im Deutschrap an?

Entwicklung diskriminierender Begriffe im Deutschrap

Gewaltverherrlichende und frauenfeindliche Texte gibt es seit geraumer Zeit. Nachdem amerikanischer Rap in den achtziger Jahren an Popularität gewann, kam er Anfang der Zweitausender in den deutschen Mainstream. Eine Studie des Bayerischen Rundfunk hat ergeben, dass frauen- und homofeindliche Ausdrücke („Schlampe“, „Hure“, „Schwuchtel“) auffallend oft Bestandteil von Deutschrap-Texten sind. Die Studie basiert auf den jeweils fünf erfolgreichsten Alben des Jahres zwischen 2000 und 2016. Die Texte wurden im Hinblick auf diskriminierende Begriffe untersucht.

Ein Höhepunkt war 2013 zu erkennen: In dem Jahr veröffentlichten Kollegah und Farid Bang, die wegen frauenverachtender Texte schon häufig in der Kritik standen, ein gemeinsames Album. Die Organisation Terre des Femmes, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt, kritisierte gegenüber „NJoy“ mögliche Folgen der Texte: „Deutschrapper sind meinungsbildend für junge Menschen.“ Tatsache, viele Künstler erreichen mit ihren Songs allein auf Spotify oder Youtube mehrere Millionen Menschen.

Anwalt erklärt, wo Diskriminierung anfängt

Stefan Brakel ist Rechtsanwalt in Münster. Er kann die Texte rechtlich einordnen und sagt: „Grundsätzlich ist die künstlerische Freiheit durch Artikel 5, Absatz 3 im Grundgesetz nach Form der Meinungsfreiheit geschützt.“ Dennoch darf ein Musiker nicht rappen, was er möchte, und sich auf die Kunstfreiheit verlassen. „Die findet ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen und den Grundrechten“, erklärt der Anwalt. „Zum Beispiel das Recht der allgemeinen Persönlichkeit und der Anti-Diskriminierung. Das sind Artikel 1 und 3 im Grundgesetz.“

Wie kann es dann trotzdem vorkommen, dass einzelne Rapper wie Farid Bang oder Kollegah für ihre vermeintlich grenzwertigen Zeilen nicht bestraft werden? Brakel hat dafür eine Erklärung: „In dem Zusammenhang mit Auschwitz gibt es natürlich in anderen Songs auch Aussagen, die den Holocaust als Lüge darstellen. Das würde ich dann als Tatbestandsverwirklichung des Artikel 130 der Volksverhetzung ansehen“, so der Anwalt. Im Vergleich zur Leugnung des Holocausts sind Zeilen wie „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ aus dem Song „0815“ weniger schlimm: „Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Meines Erachtens nach ist das Perfide daran, dass durch diese Art und Weise der Darstellung dieses doch furchtbare Thema stark reduziert wird auf irgendwelche Äußerlichkeiten. Aber das ist vielleicht trotzdem nicht ganz so heftig wie die Aussage, die beispielsweise dann Auschwitz direkt infrage stellt und rechtlich noch stärkere Konsequenzen hätte.“

Im konkreten Fall von Kollegah und Farid Bang wurden die Texte damals tatsächlich vom Ethikbeirat des Echos auf Antisemitismus geprüft. Dieser hat die Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informieren, Diskussionen zu fördern und Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln zu geben. Dabei kam heraus, dass es sich um einen „absoluten Grenzfall“ handle, die künstlerische Freiheit sei jedoch „nicht wesentlich übertreten“.

Frauenfeindlichkeit in Texten

Rechtliche Grenzfälle gibt es auch, wenn man sich Beispiele von frauenverachtenden Texten anschaut. „Es hat am 9. Juni 2020 ein Urteil vom Amtsgericht in Bonn gegeben. Da ging es um beleidigende Äußerungen gegenüber Frauen“, berichtet Brakel. Zwar handelt es sich nicht um einen Song, sondern um einen Blogeintrag, doch dem Anwalt zufolge sind die Aussagen ein passendes Beispiel. „Wofür sind Weiber geschaffen, für die Reproduktion? Das Weib steht dem Tier näher und der Mann dem Himmelswesen“, hieß es da. Sinngemäß wurde dann noch behauptet, dass sowohl Frauen als auch Fußballer Menschen zweiter Klasse seien.

Foto: Unsplash/Tingey Injury Law Firm

„Das Amtsgericht Bonn fand das zu heftig und hat darin sogar eine Art der Volksverhetzung gesehen. Nach Paragraph 130 ist das strafbar. Geschützt sind nach Absatz 1 dabei Teile der Bevölkerung. Der Fall war ein interessanter Ansatz“, führt Stefan Brakel aus. „Es gibt auch noch Rechtsprechungen vom Bundesverfassungsgericht. Und die sagen, je größer und unbestimmter der Personenkreis ist, umso konkreter muss danach die Beleidigung sein.“ Für Brakel ist dies eine mögliche Erklärung, weshalb Beleidigungen gegenüber Frauen häufig in Rap-Texten und damit auch in der BR-Studie wiederzufinden sind. Da sie zu ungenau sind, können sie nicht rechtlich angefochten werden.

Rapper sehen Diskriminierung gegen sich

Handelt es sich bei den Texten nun also um Kunstfreiheit oder nicht nachweisebare Diskriminierung? Rein rechtlich bewegen sich viele Musiker auch mit problematischen Aussagen im Bereich der Kunstfreiheit. Andere Einzelfälle überschreiten eine der von Brakel aufgezeigten Grenzen und werden strafrechtlich verfolgt. Möglich ist, dass einzelne Künstler diese Grenzen genau kennen und eben das provozieren wollen. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, weshalb Kollegah und Farid Bang 2018 diesen Text ohne Gedanken um ernsthafte Folgen veröffentlichten.

Die beiden Rapper kritisierten jedoch im vergangenen Jahr, dass es seit dem Echo-Skandal schwieriger sei, auf Spotify Reichweite zu erlangen. Kollegah behauptete auf Instagram, dass er in den Anfängen des Streamings dazu beigetragen habe, Spotify in Deutschland zu etablieren. Seit dem Echo-Skandal werde seine Musik jedoch kaum noch angezeigt. Er glaubt, dass es für neue Künstler und etablierte Deutschrap-Größen schwieriger geworden sei, Sichtbarkeit zu erlangen – konkret wurde in einer „Deutschrap Brandneu“-Playlist von Spotify ein Song von ihm, Farid Bang und dem Rapper Majoe nur auf Platz 20 platziert. Diese gehört im Bereich Deutschrap zu den beliebtesten Playlists und verzeichnet mehr als 1,5 Millionen Streams. Playlistplatzierungen sind aktuell ein wichtiges Mittel, um Hörerinnen und Hörer zu generieren und mit Musik Geld zu verdienen. Auch die weibliche Rapperin Katja Krasavice stimmte der Kritik zu und betonte: „Diese Diskriminierung muss aufhören!“ Anschließend reagierte Spotify – die drei Musiker landeten mit ihrem Song kurzzeitig auf Platz 5 der Playlist.

Von Alex Frieling


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Über den Autor/die Autorin:

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