Gendergaga trendet auf Twitter: Die Angst vor Veränderung
Es herrscht ein erbitterter Streit um die Zukunft der Sprache. Auch auf Twitter diskutieren die User unter dem Hashtag #Gendergaga über die gendergerechte Sprache. Mal wieder geht es um die Frage: Steht das Gendern für Fortschritt oder Verunstaltung? Ein Kommentar.
Sie sprechen von Propaganda, von einer Verunstaltung der Sprache und von Genderclowns. Die Veränderung der Sprache mittels Sternchen, Binnen-I oder Doppelpunkt löst in zahlreichen Menschen Wut aus. Dies zeigt sich in zahlreichen Tweets unter dem Trend-Hashtag #Gendergaga. Der aktuelle Auslöser: Der Audi-Konzern fordert seine Mitarbeitenden zur gendergerechten Sprache auf – das geht aus einem Artikel der „Augsburger Allgemeinen“ hervor. Konservative sehen darin einen Angriff auf die Sprache und drohen deshalb, Audi zu boykottieren.
Ist der Gender-Drops jemals gelutscht? Diese Frage stellen sich Wohlgesinnte der gendergerechten Sprache genauso wie ihre Feinde. Zwar scheinen sich die Gegner des generischen Maskulins aktuell auf einem Erfolgskurs zu befinden, denn Medien, Unternehmen und selbst Behörden bedienen sich zunehmend der geschlechtergerechten Schreibung. Dennoch: Studien zeigen, dass noch immer eine große Skepsis herrscht.
Eine YouGov-Umfrage von 2020 kam etwa zu dem Ergebnis, das lediglich sieben Prozent der knapp 1000 Befragten das Gendern als sehr wichtig einstufen. 18 Prozent halten es demnach für eher wichtig und insgesamt 57 Prozent für eher unwichtig beziehungsweise sehr unwichtig. Doch die Studie macht auch deutlich, dass mehr Frauen als Männer das Gendern für wichtig befinden.
Wieso also sprechen sich Unternehmen wie Audi trotz der Skepsis für eine geschlechtergerechte Sprache aus? Das dreizehnseitige Dokument, in dem Audi die firmeninterne sowie -externe Kommunikation neu regelt, trägt den Titel: „Vorsprung beginnt im Kopf“. Auch das ist das Ergebnis zahlreicher Studien. So wurde etwa bereits mehrfach belegt, dass Gendern positive Auswirkungen etwa auf die Wahrnehmung von Berufen hat.
Auch, wenn das generische Maskulin Frauen oder Transpersonen grundsätzlich ebenso wie Männer ansprechen soll, hat es doch oft den gegenteiligen Effekt. Eine Geschichte, die schon in vielen Hörsälen erzählt wurde, bringt dieses Dilemma auf den Punkt.
Hier die Kurzfassung: Ein Vater und sein Sohn fahren im Auto und haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater verstirbt. Der Sohn kommt verletzt ins Krankenhaus – der Chef-Chirurg stürmt in den OP-Saal und sagt: „Ich kann ihn nicht operieren, er ist mein Sohn!“ Was also ist passiert? Die meisten kennen die Geschichte wohl bereits, andere rätseln: Hatte der Sohn etwa zwei Väter? Nein, denn die Antwort lautet: Der Chef-Chirurg ist die Mutter. Also eine Chirurgin. Nur wenige assoziieren in dieser Geschichte den Chirurgen mit einer Frau. Wieso also sollten sich Frauen oder Transpersonen einer männlichen Sprache unterordnen, die sie nicht meint? Auf diese Frage lässt sich letztlich keine gerechte Antwort finden.
Vor allem männlichen Gender-Skeptikern reichen Veranschaulichungen wie diese nicht aus. Sie berufen sich weiterhin auf Traditionen und Bewährtheit. Warum? Vermutlich aus Angst, ihnen könnte etwas genommen werden, dessen Besitz sie sich noch nicht einmal wirklich bewusst sind. Denn von patriarchalen Strukturen wollen sie ja oftmals nichts wissen.
Diese „Veranschaulichung“ veranschaulicht gar nichts. Sie ergibt keinen Sinn. Es gibt keine Chirurgen, die in OP-Säle stürmen, und sagen, sie können einen Patienten nicht behandeln. Weshalb eigentlich? Man könnte sich vorstellen, dass eine med. Fachkraft fürchtet, eigenen Nachwuchs nicht objektiv und ruhig genug operieren zu können. Dieses würde sich aber NUR auf eine tatsächliche Verwandtschaft stützen, die der Fachkraft offensichtlich, und vor allem: Unabhängig von der Berufsbezeichnung und deren (!) Genus (sic! Genus Sexus) wäre. Es gibt genau zwei logische Zustände: Entweder ist die Person im OP der Sohn der behandelnden medizinischen Fachkraft, oder nicht. In beiden Fällen wäre die Operation möglich, in einem von beiden wäre sie der Fachkraft eventuell unangenehm. Und das hat nichts mit dem Genus von Chirurg zu tun, nicht das kleinste bisschen. Wie man es dreht oder wendet: Das Beispiel ergibt einfach überhaupt keinen Sinn…
Die Gender-Sprache ist genau wie das generische Maskulinum exkludierend. Denn am Ende steht dort allzu oft die weibliche Form, die mittels „*“, „:“ & Co darauf verweist, dass das andere Geschlecht mitgemeint ist. Das GM verweist seinerseits auf einen Grammatikführer. Es geht beim Gendern m.E. auch gar nicht um Inklusion, sondern, wie am Beispiel der Stellenanzeigen der Stadt Freiburg zu sehen war oder ist, um eine Verlagerung von Macht. Kein Wunder, sind schließlich auch Frauen Menschen. 🙂 Das aggressive Artikelbild bestätigt mich weiter in dieser Meinung. Die Angst vor Veränderung mag bei vielem ein Faktor sein, doch im Falle des Genderns ist es längst nicht so einfach.