Weihnachtsgeschenke: Zwischen Wahn und Sinn
Fliegende Discokugeln und drei Meter Wurst – im Internet gibt es die skurrilsten Geschenkideen. MADS stellt sie vor und erklärt, warum wir eigentlich schenken.
Stellt man sich bekannte Onlinehändler in der Weihnachtszeit (zumindest besonders da) einmal als analoges Geschäft vor, befände man sich wohl in Harry Potter’s Welt – direkt im Scherzartikelladen „Weasly’s Zauberhaufte Zauberscherze“. In dem Fall auf Millionen von Quadratmetern. Denn: Um unzählige sowie unnötige Produkte zu finden, braucht es nichts weiter, als das Wort „Geschenk“ in die Suchzeile des Onlineshoppings einzutippen. Und schon ist man irgendwo zwischen Neugierde, Humor und den einzelnen Bestandteilen einer riesigen, zukünftigen Müllkippe.
Wurst von der Kabeltrommel
Eine aufblasbare – wenn auch nicht ernsthaft benutzbare – Gehhilfe für Oma gefällig? Um auch das letzte Fünkchen Familienliebe verglimmen zu lassen, ohne dabei jeglichen Nutzen zu stiften? Die luftbefüllte Version einer Fortbewegungshilfe sieht aus, als könnte man damit weder gehen, noch schwimmen. Und wer wollte nicht schon immer eine fliegende Discokugel in seinem Besitz sehen? Zu weiteren Dingen, die die Menschheit wollen soll, zählen 3,5 Meter Wurst, aufgerollt auf einer Kabeltrommel und ein Sitzsack fürs Tablet.
Besonders geschätzt: Persönliche Geschenke
Vielleicht verdeutlichen die Geschenke auch unsere Ratlosigkeit angesichts der vielen Präsente, die die meisten von uns zu Weihnachten besorgen: Nach einer Umfrage des Statistikportals Statista machen 29 Prozent der Deutschen sechs bis zehn Geschenke, 28 Prozent verschenken vier bis fünfmal etwas. Ein Prozent schafft es sogar auf mehr als 30 Geschenke. Dass wir dabei immer mehr Belanglosigkeiten in Weihnachtspapier verpacken, ist schade. Denn wie Francis J. Flynn, Stanford-Professor in Verhaltenswissenschaften, in seiner Forschung bestätigt sieht: Beschenkte fühlen sich am meisten geschätzt, wenn das Geschenk gut durchdacht und persönlich ist.
Schenken kommt von „einschenken“
Auch der Soziologe Holger Schwaiger von der Universität Erlangen sagt der Süddeutschen Zeitung: „Wir schenken immer unpersönlicher“. Früher habe der Schmied sein bestes Messer verschenkt, der Töpfer sein schönstes Geschirr. Schenken galt dem Stärken von Beziehungen, nicht der Erfüllung von den Erwartungen des alljährlichen Weihnachtswahns. Denn, so erklärt es der Erziehungswissenschaftler Friedrich Rost dem fluter Magazin: Die Praxis des Schenkens sei durch das Teilen von Ess- und Trinkbarem entstanden. Daher stamme das Wort Schenken auch von „einschenken“. Selbstgemachte Gegenstände kamen erst später hinzu.
Heute schenken wir meist Fremdgemachtes – und sollten daher zumindest unser Wissen um den Beschenken zum Ausdruck bringen. Logisch: Das Sinnbild dafür sind weder Fake-Gehhilfen noch blinkende Flugbälle. Wie wäre es also, dieses Jahr auf Klasse statt Masse zu setzen? Oma – und auch alle anderen – freuen sich bestimmt mehr über die handgebackenen Kekse, den selbstgekochten Sirup oder ein gemeinsames Frühstück.
Von Jacqueline Hadasch