Was tun, wenn es zwischen Eltern und Lehrern kracht? Rostocker Mediator gibt Antworten
Roland Straube leitet die Mediationsstelle Rostock und wird unter anderem bei Konflikten zwischen Eltern und Schulen tätig. Mediatoren sind Vermittler, die zerstrittene Parteien als neutrales Bindeglied unterstützen, eine Lösung für die Auseinandersetzung zu finden. Im OZ-Interview erklärt der Fachmann unter anderem, wann ein Streit gefährlich wird.
Wie entstehen Konflikte?
Meist entzünden sich Streitigkeiten an Forderungen, die nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sind. Zwei sehr einfache Beispiele: Ich möchte während der Schulhofpause rauchen, aber darf es nicht. Oder: Ich möchte während des Unterrichts mein Handy nutzen, das ist jedoch verboten. Dahinter stehen die Fragen: Warum möchte jemand rauchen oder sein Handy nutzen? Die Antwort ist: Letztlich geht es immer um Bedürfnisse. Wenn Eltern beispielsweise dem Lehrer ihres Kindes vorwerfen, es gebe zu viele Hausaufgaben, kann sich das Gespräch schnell hochschaukeln. Das würde nicht passieren, wenn man auf die gegenseitigen Bedürfnisse achten würde: Die Eltern möchten, dass das Kind nicht überfordert wird, der Lehrer möchte seinen Stoff schaffen. Unverständnis erzeugt Frust.
Worauf achten Sie, wenn Sie in einem Konflikt vermitteln?
Bedürfnisse sind wichtig. Deshalb ist es in einer Mediation unbedingt nötig, sie herauszuarbeiten. Wenn dadurch bei den Streitenden Verständnis füreinander entsteht, kann eine Einigung ohne Druck, sondern, wie wir sagen, aus dem Frieden heraus zustande kommen. Das sind dann nachhaltige Ergebnisse, mit denen die Parteien, wenn eine Einigung erzielt wird, gut leben können. Voraussetzungen sind aber: zuhören und verstehen wollen.
Ansonsten?
Verfestigt sich nur das Feindbild. Wenn etwa Eltern überzeugt sind, dass ein Lehrer nichts taugt und ihm nicht mehr wirklich echt und verstehen wollend zuhören, dann kann er sich noch so abmühen, noch so viele Kompromisslösungen anbieten, noch so viel reden – alles wird nur das negative Bild bestätigen. Versöhnung hat dann keine Chance. Und der Streit eskaliert weiter. Das ist gefährlich.
Warum?
Weil es dann nur noch darum geht, den anderen zu beschädigen. Das geht immer auch zulasten der Kinder.
Nicht jeder Lehrer ist ein sanftmütiger, verständnisvoller Mensch.
Das stimmt. Manch einer fühlt sich durch Kritik von Eltern angegriffen und verbarrikadiert sich hinter seiner Auffassung von richtig und falsch. Gerade engagierte Lehrer können sich durch unzufriedene Eltern schnell abgewertet fühlen. Niemand möchte zudem sein Gesicht verlieren. Im ungünstigsten Fall endet das dann in gegenseitiger Schuldzuweisung. Oder es gibt als übergriffig empfundene Ratschläge, die wiederum von Eltern als Kritik an ihrer Fähigkeit, Kinder zu erziehen, interpretiert werden können. Oder Lehrer schränken den Kontakt aufs Nötigste ein. Deshalb ist es in der Lehreraus- und -weiterbildung wichtig, dass Pädagogen lernen, wie sie mit Eltern reden, ohne dass diese dichtmachen. Und: Wie Lehrer ihre eigenen Emotionen hinterfragen und dadurch reflektiert bleiben. Denn eines der größten Hindernisse bei Streitigkeiten zwischen Lehrkräften und Eltern sind Empfindlichkeiten auf beiden Seiten.
Muss bei Konflikten gleich ein Mediator bemüht werden?
Es gibt an Schulen Vertrauenslehrer und aktive Elternräte, mit denen Probleme besprochen werden können. Es gibt aber auch eine Angst bei Eltern, das Lehrer durch die Kritik gekränkt sein könnten und das Folgen fürs Kind hat. Viele Konflikte würden bei einer offenen Feedback-Kultur gar nicht erst entstehen.
Welche Konflikte gehören zu den häufigsten?
Oft geht es an Gymnasien um Zensuren. An Grundschulen ist meist der elterliche Eindruck „Mein Kind wird schlecht behandelt“ Auslöser von Unzufriedenheit.
Wie können Lehrer Entspannung bei kritischen Eltern erreichen?
Ich plädiere nicht dafür, Eltern alles durchgehen zu lassen. Gleichzeitig ist es wichtig zu erkennen, dass sie das Handeln der Lehrer oft nicht verstehen. Deshalb muss die Schule auch erklärend tätig werden, aber nicht rechtfertigend. Lehrer sollten Eltern signalisieren: Wir wissen, was wir tun und sagen Bescheid, wenn es hinsichtlich ihres Kindes etwas zu besprechen gibt. Eltern brauchen Gewissheit, dass bei ihren Kindern alles im grünen Bereich ist. Das schließt natürlich verschiedene Sichtweisen ein, auch die der Schüler. Eltern sollten Lehrer unterrichten lassen. Und Lehrer sollten die Sorgen der Eltern ernst nehmen. Also, beide sollten sich zuhören und sich verstehen wollen.
Wie finden Sie als Mediator Lösungen?
Jeder Fall ist anders. Ein Mediator findet auch keine Lösung, sondern hilft den Parteien unter anderem durch Hinterfragen auf dem Weg zu einem Ergebnis. Das ist unser Prinzip.
Beziehen Sie Kinder mit ein?
Kinder leiden stark unter Konflikten. Manchmal führen wir Gespräche mit ihnen, um sie zu stärken.
Was raten Sie Lehrern für ihren Alltag, die mitunter mit schwierigen und unverschämten Vorwürfen umgehen müssen?
Sie sollten sich nicht zu schnell kränken und treffen lassen. Souveränes und reflektiertes Handeln ist wichtiger, anstatt den Fehdehandschuh sofort aufzunehmen.
Und wenn Schüler die Lehrer angehen?
Schüler sind keine Erwachsene. Das sind zwei unterschiedliche Ebenen. Man darf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen nicht mit dem von Erwachsenen gleichsetzen und damit in gleicher Weise bewerten beziehungsweise abwerten. Die Autorität von Lehrern wird von Schülern anerkannt, wenn sie sich in Kompetenz, in Mitgefühl und in Selbstkritikfähigkeit ausdrückt. Nur mit Druck und Macht kommt man nicht mehr weit. Eine Schwäche wäre es, Sorgen von Schülern und Eltern wegzureden oder zu ignorieren. Ein Zeichen von Stärke ist es, wenn Lehrer sich neutrale Unterstützung suchen, sobald sie allein nicht konstruktiv reagieren können.
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