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Warum schlechte Nachrichten in den Medien dominieren

Warum schlechte Nachrichten in den Medien dominieren
Foto: picture alliance / blickwinkel/f

Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten – in der medialen Berichterstattung dominieren negative Schlagzeilen. Forscher haben weltweit untersucht, wie Menschen auf positive und negative Fernsehnachrichten reagieren. Die Resultate stützen eine alte These.


Schlechte Nachrichten rufen bei Menschen tendenziell stärkere Reaktionen hervor als gute Nachrichten. Dieser Effekt tritt einer Studie zufolge kulturübergreifend bei Bevölkerungen weltweit auf – aber nicht bei allen Menschen. Das berichtet ein internationales Forscherteam nach Versuchen in 17 Ländern in den „Proceedings“ (PNAS) der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften. Ein unabhängiger Experte hält die Resultate zwar für plausibel, weist aber auf methodische Mängel der Untersuchung hin.

Schlechte Nachrichten erzeugen starke Aufmerksamkeit

In Nachrichten erscheint die Welt oft als schrecklicher Ort, denn negative Meldungen dominieren die Berichterstattung von Medien. „Die Bedeutung negativer Haltungen für Nachrichten ist relativ klar“, schreibt das Team um den Kommunikationsforscher Stuart Soroka von der University of Michigan in Ann Arbor. Dies beeinflusse sowohl die Auswahl der Themen als auch die Produktion von Nachrichten. Grundsätzlich spiele die nachrichtliche Berichterstattung für Demokratien eine zentrale Rolle, betonen die Wissenschaftler. Es gehöre zur Aufgabe von Journalisten, über Konflikte wie auch über Missstände zu berichten. Allerdings könne die Dominanz schlechter Nachrichten bei Bürgern zu Apathie und Abwendung führen.

Das Übergewicht negativer Themen sei erklärungsbedürftig, betonen die Forscher und verweisen auf verschiedene Erklärungen für das Phänomen. Demnach betonen vor allem Evolutionsbiologen, dass negative Informationen generell auf mögliche Gefahren hinweisen können und daher besonders stark Aufmerksamkeit erzeugen. Kulturpsychologen konzentrieren sich dagegen eher auf mögliche kulturelle Unterschiede in der Berichterstattung in verschiedenen Ländern wie etwa den USA oder Japan.

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Studie: Pulsvariabilität deutlich stärker bei schlechten Nachrichten

Soroka untersuchte nun mit Kollegen aus Kanada und Israel, wie Menschen auf gute und schlechte Nachrichten reagieren. „In einer Zeit, in der Nachrichten weltweit besonders negativ ausgerichtet sind, ist die Bedeutung dieses Themas offensichtlich.“ Die Forscher ließen insgesamt mehr als 1150 Teilnehmer aus 17 Ländern aller Kontinente sieben Berichte aus den BBC-Weltnachrichten in zufälliger Reihenfolge anschauen, bei Bedarf untertitelt. Zwei der sieben Beiträge bezogen sich auf das jeweilige Land – einer davon war positiv, der andere negativ. In negativen Berichten ging es etwa um den Brand in einem Nachtclub, die Festnahme eines Serienmörders oder Umweltprobleme. Positive Berichte thematisierten etwa Lottogewinne, die erfolgreiche Operation eines Kindes oder Menschen, die Hunden das Autofahren beibringen wollen.

Während des Betrachtens maßen die Forscher an verschiedenen Fingern den elektrischen Leitungswiderstand der Haut und die Variabilität der Herzfrequenz. Beides gibt Hinweise auf emotionale Reaktionen des Betrachters. In fast allen Ländern änderten sich sowohl die Leitungsfähigkeit der Haut als auch die Pulsvariabilität deutlich stärker auf schlechte als auf gute Nachrichten.

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Kritik an Studie: Stichproben in Ländern zu klein und nicht repräsentativ

„Diese Studie zeigt direkt, dass Menschen weltweit durch negative Berichterstattung stärker aktiviert werden“, schreibt das Team. Allerdings fanden die Forscher innerhalb der Länder deutliche individuelle Unterschiede. Das deute darauf hin, dass Medien nicht notwendigerweise hauptsächlich negative Inhalte auswählen müssten, folgern sie. „Auch wenn die durchschnittliche Tendenz ist, dass Betrachter durch negative Inhalte aufmerksamer und aufgeregter werden, scheint es eine große Zahl von Menschen mit anderen oder vielleicht stärker veränderbaren Vorlieben zu geben.“

„Die Resultate bestätigen die These, dass Negativität einen besonders hohen Nachrichtenwert hat, und zwar über Gesellschaften hinweg“, sagt Tobias Rothmund von der Universität Jena, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Das sei evolutionsbiologisch durchaus plausibel. Allerdings enthalte die Studie methodische Mängel, betont der Kommunikations- und Medienpsychologe. So seien die Stichproben in fast allen Ländern zu klein gewesen und zudem generell nicht repräsentativ. Überdies sei die mögliche Relevanz der präsentierten guten und schlechten Nachrichten vorher nicht ausbalanciert worden.

Generell hält Rothmund es aber für möglich, dass negative Nachrichten allgemein als bedeutsamer wahrgenommen werden. Dennoch sei die stärkere Berichterstattung über negative Ereignisse problematisch, sagt der Experte. „Die Dominanz negativer Nachrichten kann gesellschaftlich zu fehlerhaften Einschätzungen der Realität führen“, erläutert er. So seien etwa Kriminalität und Terror in der Berichterstattung überrepräsentiert. „Die Menschen überschätzen das substanziell, und das beeinflusst die politische Meinungsbildung“, sagt Rothmund. „Es gibt Parteien, die sich das zunutze machen und mit der Furcht vor negativen Ereignissen werben.“

RND/dpa


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