Uni-Start: Lieber von zu Hause ausziehen oder bei Mama und Papa bleiben?
Mit dem Studium beginnt eine neue Lebensphase. Doch muss man diese auch in einer neuen, eigenen Wohnung beginnen? Vier Studentinnen erzählen, warum sich sich für oder gegen das Ausziehen aus dem Elternhaus entschieden haben.
Eliza (20) verließ Australien, um in Berlin Tanz zu studieren
Im Herbst 2020 bin ich von Australien nach Berlin gezogen, um mein Tanzstudium am Berlin Dance Institute anzufangen. Das war kurz nach meinem 18. Geburtstag. Das bedeutete für mich nicht nur, in einem anderen Land, sondern auch das erste Mal ganz allein zu wohnen. Zu Hause in Australien bin ich immer von meinen drei Geschwistern umgeben gewesen, es war immer etwas los. Jetzt einfach mal für mich zu sein hat da eine ganz neue Bedeutung bekommen. Ich telefoniere aber fast täglich mit meiner Familie über Facetime. Wir kriegen das gut hin, trotz der enormen Zeitverschiebung.
Für eine professionelle Tanzkarriere ist die Ausbildung in Europa das Beste. Gerade Berlin ist eine echt kreative Stadt, die viele Chancen bietet. Durch die Schule und mein Studentenwohnheim habe ich Leute aus aller Welt kennengelernt. Ich habe das Leben in Berlin immer als einladend und offen empfunden. Mein Zuhause vermisse ich natürlich trotzdem: meine Familie und Freunde, meinen Hund, das sonnige Wetter, die Strände. So weit von der Heimat entfernt zu sein ist wirklich nicht immer leicht. Gerade um die Feiertage oder in den Semesterferien wird das Heimweh größer. Ich nutze diese Zeit dann gerne, um unterwegs zu sein. Was am Leben in Europa nämlich unschlagbar ist, sind die ganzen Reisemöglichkeiten und unterschiedlichen Kulturen. Mit dem Zug oder Bus in andere Länder zu fahren ist in Australien eben nicht möglich.
Aufgezeichnet von Marie Hobusch
Marie (22) zog es vom Dorf in die Metropole
Nach dem Abi verbrachte ich ein Jahr in Lateinamerika. Als ich wieder in Deutschland war, wollte ich meine Entdeckungsreise fortsetzen und zog für ein duales Studium vom Dorf in die Großstadt. Ich war gespannt auf neue Leute, das Studium und ganz allgemein das Leben in Berlin. Das bot von Anfang an viele Vorteile, die den Alltag flexibler machen: regelmäßige Bus- und Bahnverbindungen, Supermärkte in fußläufiger Nähe, das vereinfacht vieles. Egal ob bei Tag oder Nacht, es ist immer etwas los, und ich bin nie allein. Vor allem nachts musste ich mich aber erst einmal an die Geräuschkulisse gewöhnen, die kannte ich vom Dorfleben nicht.
Durch den Umzug hat sich für mich einiges geändert. Ich widmete mich zum Beispiel neuen Hobbys wie dem Tanz und der Musik. Da mein Studium im Herbst vor der Pandemie startete, konnte ich am Anfang auch viel mit meinen Kommilitonen unternehmen. So konnten wir uns und die Stadt besser kennenlernen. Die gemeinsame Zeit abseits des Studiums war wirklich wertvoll.
Meine Heimat ist von Berlin nicht weit entfernt, die Familie ist also immer in der Nähe. Viele meiner Schulfreunde hat es nach dem Abi ebenfalls in andere Städte verschlagen, andere sind bewusst zu Hause geblieben. Wenn wir uns jetzt alle treffen, ist es schön zu sehen, wie jeder seinen Weg geht.
Von Marie Hobusch
Leonie (21) entschied sich für ein Studium in ihrer Heimat
Nach der Schule ab in die große weite Welt, Hauptsache von zu Hause weg. So ging es vielen meiner Freunde. Mir nicht. Für mich war immer klar: Nach der Schule möchte ich studieren, etwas Neues lernen. Dafür musste ich mein Zuhause nicht verlassen. Mein Zimmer war ohnehin gerade frisch renoviert, mein Schreibtisch einladend, und als ich mich für die Hochschule Hannover entschieden hatte, war auch der Weg zur Uni nicht mehr weit. Ich wohne mit meiner Familie etwa eine halbe Stunde von Hannover entfernt in einem kleinen Dorf. Ich genieße es sehr, zwischen den beiden Welten zu pendeln: der Ruhe auf dem Land und dem Uni-Leben in der Stadt.
Zum Studienstart begann für mich – wie für jeden Ersti – eine aufregende Zeit. Neue Leute, neue Orte, neue Lernmethoden. Als ich nach den ersten Tagen wieder zu Hause in meinem Bett lag, war ich dankbar für meinen vertrauten Rückzugsort.
Und obwohl ich mir seither in meiner Entscheidung so sicher bin, muss ich mir bis heute häufig dieselbe Frage anhören: „Ach, du wohnst noch zuhause?“ Dass diese Option mir in meinem Studium bisher eine Menge Türen geöffnet und auch einiges leichter gemacht hat, erwarten die wenigsten. Dass ich mir ein Semester in Kiel und ein weiteres im englischen Birmingham leisten konnte, funktionierte vor allem, weil ich parallel keine Miete für mein Zuhause gezahlt habe.
Ich reise mittlerweile unheimlich gerne und bin viel unterwegs. Dass ich danach immer wieder zu meinen Eltern nach Hause kommen kann, nimmt mir viel Stress. Und natürlich kann es auch mit der Familie immer mal zu Reibereien kommen. Doch daran wächst man genauso wie an Diskussionen in einer WG. Die Zeit im Studium ist auch dafür da, sich selbst neu kennenzulernen. Und das geht überall: zu Hause und anderswo.
Von Leonie Oldhafer
Lies auch: 200 Euro Energiepauschale für Studierende – reicht das aus?
Alexandra (25) ist aus der Hauptstadt ins Kaff gezogen
In meinem Leben habe ich so einige Leute getroffen, die von irgendeinem Dorf nach Berlin gezogen sind. Sie wollten raus und endlich was erleben. Ich hingegen wollte aus meiner Heimatstadt Berlin wegziehen. Ich hatte keine Lust, mir morgens den gleichen Stress zu machen, den ich während der Schulzeit hatte. Aufstehen und innerhalb weniger Minuten im Uni-Gebäude sitzen – das wär‘s.
Ich entschied mich, in der sächsischen Kleinstadt Mittweida zu studieren, ohne jemals dort gewesen zu sein – rückblickend hätte das auch echt schiefgehen können. Doch tatsächlich fand ich es ganz nett. Innerhalb von zehn Minuten konnte man mit dem Auto von einem Ende der Stadt zum anderen fahren. Was tut man also in einer Stadt, in der es gefühlt nichts zu tun gibt? Man sucht sich Leute, die denselben Kulturschock erleben wie man selbst. Dadurch sind meine Kommilitonen und ich als Gruppe sehr schnell zusammengewachsen.
Dennoch fiel mir immer wieder auf, wie merkwürdig das Kleinstadtleben doch ist. In Berlin hatte ich die Anonymität immer genossen – davon gab es in Mittweida nicht viel. Alle fünf Minuten musste man irgendjemanden auf der Straße grüßen. Niemand hat mir vorher gesagt, wie anstrengend das sein kann. Rückblickend war das Leben in der Pampa definitiv eine Erfahrung. Trotzdem bin ich froh, mittlerweile wieder in Berlin zu leben.
Von Alexandra Schaller
Lies auch: