True-Crime-Trend reißt nicht ab: Was fasziniert uns an Mord und Totschlag?
Das Genre True Crime ist besonders auf Podcast-Plattformen sehr beliebt. Statistiken von Spotify, Apple und Co. zeigen, dass sich unter den Top 5 immer mindestens ein Podcast dieser Art befindet. Was fasziniert Menschen so an den teils schrecklichen Taten?
Wer sich mit True Crime beschäftigt, stößt schnell auf Namen wie Jeffrey Dahmer, Ted Bundy und Josef Fritzl. Zwar mordeten sie nicht alle, eins haben sie dennoch gemeinsam: Alle drei Täter gingen mit einer solchen Grausamkeit vor, dass sie die Menschen fassungslos zurücklässt. Die grausamsten Fälle sind meist die bekanntesten und – auch wenn es skurril klingt – die beliebtesten.
True Crime zur Vorbereitung auf Gefahrensituationen
Mit der Faszination des Bösen beschäftigen sich Forschende, Psychologinnen und Psychologen. Sie untersuchen auch, warum mehr als 90 Prozent der Hörenden weiblich sind. Expertinnen und Experten vermuten, dass sich Menschen – besonders Frauen – durch das Hören von True Crime erhoffen, für mögliche Gefahrensituationen gewappnet zu sein, wie Psychologin Corinna Perchtold-Stefan dem MDR sagte. Zudem geben True-Crime-Podcasts Tipps, wie man sich in entsprechenden Situationen verhalten sollte – wie man zum Beispiel bei einer Entführung die bestmöglichen Chancen hat, zu entkommen und zu überleben.
Aus Statistiken des Bundeskriminalamtes geht hervor, dass Frauen als Täterinnen nur einen sehr kleinen Teil der Verbrechen ausmachen, während Männer diese viel häufiger begehen. Frauen gehören dagegen auffällig oft zu den Opfern, was dafür sorgt, dass bei vielen die Angst besteht, selbst Opfer eines Verbrechens zu werden. Selbstschutz ist damit ein möglicher Grund für das Interesse an True Crime.
Neugier und der Wunsch nach Verständnis leiten
Reine Neugier gepaart mit dem Wunsch nach Spannung und Abenteuer spielen eine ebenso große Rolle. Dazu kommt das Interesse an den Beweggründen der Täterinnen und Täter, an deren früherem Leben und Ereignissen, die möglicherweise zu späteren Taten geführt haben könnten. Dahinter steckt das Bedürfnis, das Unverständliche zu verstehen. Doch trotz aller Faszination – es handelt sich um die Geschichten und Schicksale echter Menschen. Der Grat zwischen reinem Interesse und dem übermäßigen Ausschlachten oder sogar der Glorifizierung von Taten ist sehr schmal.
Kritik an True Crime
Deshalb gibt es an True-Crime-Podcasts, -Serien und weiteren Formaten auch viel Kritik. Ein gutes Beispiel hierfür ist die im September 2022 auf Netflix erschienene Serie „Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer“: Zehn Folgen thematisieren spielfilmartig das Leben sowie die Taten von Jeffrey Dahmer. Zwischen 1978 und 1991 nahm er 17 Männer zwischen 14 und 32 Jahren zu sich nach Hause, setzte sie unter Drogen und ermordete seine Opfer anschließend. Er nahm sexuelle und kannibalistische Handlungen an den Leichen vor und behielt die Leichenteile.
Nach Erscheinen der Serie wurde Kritik – besonders von Angehörigen der Opfer – laut. Die Familie des elften Opfers Errol Lindsey beschwerte sich über die Produktion. Schwester Rita Isbell sagte damals vor Gericht aus und ging dabei auf den Mörder ihres Bruders los. Die Szene wurde in der Serie nachgestellt. Später äußerte sie im Interview mit „Business Insider„, es sei gewesen, als hätte sie alles noch einmal erlebt. Sie bemängelte zudem, nie von Netflix kontaktiert worden zu sein, ob sie überhaupt mit der Produktion einverstanden sei. Auch Ritas Cousin, Eric Perry, äußerte auf Twitter den Unmut seiner Familie über die Serie, da diese immer wieder aufs neue traumatisierend wirke.
I’m not telling anyone what to watch, I know true crime media is huge rn, but if you’re actually curious about the victims, my family (the Isbell’s) are pissed about this show. It’s retraumatizing over and over again, and for what? How many movies/shows/documentaries do we need? https://t.co/CRQjXWAvjx
— corbin bleu’s tether (@ericthulhu) September 22, 2022
Maß zwischen Respekt und Interesse
Die Diskussion um die Serie zeigt deutlich, dass es bei True Crime immer Hinterbliebene gibt, die immer noch in die Geschichten involviert sind, die im Rahmen der Serien, Podcasts und Co. aufgearbeitet, verbreitet und ein Stück weit auch vermarktet werden. Die Hinterbliebenen wünschen sich, dass der Respekt gegenüber Opfern und Angehörigen nicht in all der Mordlust der True-Crime-Fans untergeht.
Von Nele Schubert
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