Tripper kann auch beim Knutschen übertragen werden
Gonorrhö, auch Tripper genannt, kann offenbar nicht nur durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, sondern auch durch Zungenküsse. Das berichten australische Wissenschaftler nach einer Studie im Fachblatt „Sexually Transmitted Infections“.
Tripper zählt weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Aufklärungskampagnen empfehlen zum Schutz bisher vor allem den Gebrauch von Kondomen. Auch ein deutscher Experte rät dazu, mit heftigen Zungenküssen vorsichtig zu sein – auch wegen anderer sexuell übertragbarer Erreger.
Jedes Jahr infizieren sich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 78 Millionen Menschen mit Gonorrhö. In Deutschland gibt es seit 2001 keine Meldepflicht mehr, so dass Zahlen hierzulande fehlen. In Sachsen, wo weiterhin eine Meldepflicht besteht, wurde laut Robert Koch-Institut binnen acht Jahren eine Verdoppelung der Ansteckungen registriert: von 6,8 Infektionen pro 100 000 Einwohner im Jahr 2003 auf 13,7 Infektionen pro 100 000 Einwohner im Jahr 2011.
Gonokokken befallen Schleimhäute
Ausgelöst wird Gonorrhö durch Bakterien der Art Neißeria gonorrhoeae, auch Gonokokken genannt. Sie befallen vor allem die Schleimhäute der Harnwege und Geschlechtsorgane, aber auch Augenbindehaut, Darm und Rachen. Meist dauert es nach einer Ansteckung ein bis drei Tage, bis erste Symptome auftreten. Männer entwickeln oft eine schmerzhafte Harnröhrenentzündung mit eitrigem, gelb-grünlichem Ausfluss. Auch bei Frauen kann Gonorrhö die Harnwege befallen und sich von da aus weiter ausbreiten.
Auch wenn die Krankheit im Normalfall nicht tödlich verläuft, kann sie mitunter Komplikationen wie Blutvergiftungen und Unfruchtbarkeit verursachen. Außerdem erhöht die Infektion das Risiko einer HIV-Übertragung. Seit einigen Jahren warnt die WHO davor, dass Gonokokken zunehmend resistent gegen Antibiotika werden.
Bisher betonen Experten, dass Gonorrhö sich über genitalen und oralen Geschlechtsverkehr sowie bei einer Geburt übertragen kann. Die neue Studie deutet nun darauf hin, dass eine Ansteckung auch bei Zungenküssen droht. Die Wissenschaftler um den Epidemiologen Eric Chow konzentrierten sich auf die oropharyngeale Gonorrhö, welche den Mund- und Rachenraum befällt.
15 Prozent der Umfrageteilnehmer waren erkrankt
Insgesamt werteten sie Fragebögen von knapp 3100 homo- und bisexuellen Männern aus, die zu sexuellen Praktiken während der vorigen drei Monate befragt wurden: Küssen ohne Sex, Sex ohne Küssen und Küssen mit Sex. Gut sechs Prozent der Befragten litten an einer Gonorrhö im Rachenraum, knapp sechs Prozent waren im Analbereich erkrankt und knapp drei Prozent im Harntrakt.
Die Auswertung ergab, dass das Risiko einer Gonorrhö des Rachens für jene Männer, die vier oder mehr Partner hatten, die sie nur küssten, um 46 Prozent höher war als bei jenen, die nur einen oder keinen Küss-Partner hatten. Jene, die Küssen mit Sex verbanden und ab vier Partner hatten, waren sogar um 81 Prozent stärker gefährdet als diejenigen, die nur einen oder keinen Partner in dieser Kategorie hatten.
Vor allem junge Männer waren betroffen, da diese den Autoren zufolge mehr küssten als die älteren Teilnehmer. Allerdings schränken die Autoren ein, dass ihre Beobachtungsanalyse keine belastbare Aussage zu den Ursachen treffen könne und sich zudem auf Besucher eines einzigen Gesundheitszentrums konzentrierte. Ferner seien andere sexuelle Praktiken, die Einfluss auf das Infektionsrisiko nehmen könnten, nicht abgefragt worden.
Risiken werden unterschätzt
Dennoch deute die Studie darauf hin, dass die Bedeutung der Rachen-zu-Rachen-Infektion einer Gonorrhö unterschätzt werde: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Küssen mit oder ohne Sex ein Risikofaktor für oropharyngeale Gonorrhö sein könnte“, schreiben sie.
Norbert Brockmeyer von der Ruhr-Universität Bochum ist von dem Resultat nicht überrascht. „Erreger im Rachenraum können beim Knutschen übertragen werden“, sagt der Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft (Gesellschaft zur Förderung der Sexuellen Gesundheit). Das gelte nicht nur für Gonokokken, sondern etwa auch für Chlamydien und die Erreger der Syphilis. „Auch wenn man nur knutscht, kann man sich eine sexuell übertragbare Infektion einfangen“, sagt der Mediziner.
Mundspülung als Prävention?
Nach Angaben der australischen Forscher könnten „präventive Optionen fernab von Kondomen wie etwa antibakterielle Mundspülungen“ eine Infektion des Rachenraumes verhindern. Brockmeyer hält das für keine gute Idee. Zum einen würden sich Gonokokken systemisch im Körper verbreiten, so dass eine Mundspülung nicht helfe. Zudem veränderten Mundspülungen das Mikrobiom im Rachenraum. „Das macht den Mund dann empfänglicher für andere Erreger“, betont der Experte.
Von RND/dpa/Alice Lanzke