Tiktok-Trend: Abtreibungsverbot ist kein Anlass zur Selbstdarstellung
Seit dem Supreme-Court-Urteil ist die Diskussion um Abtreibung und reproduktive Rechte in den sozialen Medien neu entfacht – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Auf Tiktok ist ein problematischer Trend entstanden, meint MADS-Autorin Marie.
„Baby, you’re the man. But I got the, I got the, I got the power”: Das ist der Soundtrack zu einem viralen Tiktok-Trend. Er behandelt das Supreme-Court-Urteil, bei dem das landesweite Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch gekippt wurde. In den Videos zeigen sich junge Frauen zunächst in einem schlichten Outfit, in der Hand einen Kleiderbügel, und setzen sich auf einen Stuhl. Im nächsten Moment tragen sie auf einmal glamouröse Kleider. Dazu ist die Stimme von Billie Eilish zu hören: „My Body, my f****** choice!”
Lebensgefährliche Abtreibungen als Anlass zur Selbstdarstellung
Was vielleicht mal als empowernder Trend gedacht war, ist ein gutes Beispiel dafür, wie ernste Themen in den sozialen Medien zu einer Bühne für Selbstdarstellung genutzt werden. So hat der Kleiderbügel nämlich eine keineswegs positive Bedeutung: Wo Frauen keine Möglichkeit haben, legal abzutreiben, greifen sie oft zu illegalen und lebensgefährlichen Methoden. Sie führen sich spitze Gegenstände ein, um so die Fruchtblase zum Platzen zu bringen. Ein solcher Gegenstand ist der Kleiderbügel, was zu starken Verletzungen bis hin zum Tod führen kann. Die WHO glaubt, dass jedes Jahr 39.000 Frauen durch illegale Abtreibungen sterben.
Die Ironie von „My Body, my f****** choice!” ist greifbar. Offensichtlich haben durch das Gesetz Millionen von Frauen in den USA nicht mehr die volle Kontrolle über den eigenen Körper und müssen zum Teil ihr Leben riskieren, um diese Kontrolle zurückzuerlangen. Das ist keine „Power”, sondern schlichtweg ein massiver Rückschritt im Kampf um reproduktive Rechte und Gleichberechtigung.
Dies als Ausgangspunkt zu nehmen, um sich auf Tiktok für den eigenen Körper und gelungene Transitions feiern zu lassen, ist makaber und unglaublich unsensibel. Stattdessen sollte man die meist sehr jungen Followerinnen und Follower über das Thema aufklären und ihnen bewusst machen, dass es hier nicht um Empowerment, sondern um Menschenleben geht – und die sind nun mal kein Trendmaterial.
Welche Message soll überhaupt vermittelt werden?
Captions wie „Ich liebe diesen Trend” machen das Bild der oberflächlichen und unpolitischen Influencerin perfekt. Ein Stereotyp, von dem viele Creatorinnen eigentlich wegkommen wollen. Wozu der Trend eigentlich aufruft, wenn er überhaupt eine Message hat, bleibt allerdings schwammig.