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Tiktok-Hype um Bücher: Wie „Booktok“ das Lesen verändert

Tiktok-Hype um Bücher: Wie „Booktok“ das Lesen verändert
Foto: Unsplash/Florencia Viadana

Bücher sind bei TikTok voll im Trend. Über „Booktok“ wird allerdings behauptet, es beeinflusse die Freude am Lesen negativ. Worauf können Bücher-Fans also achten, um die Plattform am besten zu nutzen? Und wie verändert die neue Konsumform den Buchhandel?


Mit fast 160 Milliarden Beiträgen ist der Hashtag „Booktok“ einer der prominentesten auf Tiktok. Eine Nische ist die Lese-Bubble schon lange nicht mehr. Hier finden Buchliebhaberinnen und Buchliebhaber alles, was das Herz begehrt: Von kurzen Rezensionen bis hin zu Buchempfehlungen ist alles dabei.

Die Generation Z hat das Lesen für sich entdeckt – eine positive Entwicklung für die Branche? Der Vorteil: Durch Tiktok ist es so einfach wie nie zuvor, selbst veröffentlichte Bücher zu promoten – hinter vielen Neuerscheinungen stehen deshalb heutzutage keine großen Verlage mit riesigen Marketingteams mehr.

Doch für selbstverlegende Autorinnen und Autoren steht und fällt nun alles mit dieser App. Saskia Papen kritisiert die Negativbeispiele: Autorinnen und Autoren, die in extra grotesken Rezensionen ihrer Bücher verlinkt werden und Booktoker, die für ihren Geschmack angegriffen werden – leider alles keine Einzelfälle.

@pastellpages

Make Booktok a safespace again. Ich bin schockiert von den Videos die ich in letzter Zeit angezeigt bekomme. Ich hoffe sehr, dass sich das ganze wieder legen wird. Und wir alle das Lesen wieder feiern können. Booktok ist kein Wettkampf. Booktok ist eine Community, die vielen Menschen die Bücher wieder näher gebracht hat. #booktokgermany #germanbooktok #booktokrant

♬ Originalton – pastellpages

Der Umgang mit sensiblen Themen

Ein weiterer großer Kritikpunkt: Häufig werden Bücher mit sensiblen Themen wie sexuellem Missbrauch oder häuslicher Gewalt empfohlen, die sich ohne jede Warnung hinter einem farbenfrohen Cover verstecken. Diese Themen sind wichtig, sollten aber richtig eingebettet und die Lesenden vorgewarnt werden.

Gegenstimmen berufen sich darauf, dass Warnungen den Inhalt vorwegnehmen würden – doch eben wegen sensibler Inhalte kann eine Warnung hilfreich sein. Wie sonst sollen Lesende sich dazu entscheiden, ob sie sich auf bestimmte Literatur einlassen können?

Wie werden Inhalte empfohlen?

Auch der Algorithmus als neuer „Gatekeeper“ wird kritisch gesehen. In einem Ihrer Youtube-Videos geht Leonie (TheBookLeo) auf die Vorwürfe ein, dass „Booktok“ langweilig und repetitiv sei, da immer wieder die gleichen Titel von den immergleichen Autorinnen und Autoren vorgeschlagen würden. Dazu sagt die Creatorin aus den Niederlanden, dass der Algorithmus Zeit zur Anpassung benötige. Mit jeder Minute und jedem weiteren Suchbegriff würden die Ergebnisse angepasst und die Vorschläge individueller, man solle also nicht zu schnell urteilen.

Hugendubel: „Kunden suchen bewusst nach der Booktok-Abteilung“

Auf die Anmerkung eines Followers hin, dass es früher aufregender gewesen sei, in einer Buchhandlung zu stöbern, gibt sie zu, dass Büchershopping sich mittlerweile oft anfühlen würde, wie ein Besuch im Supermarkt. Viele Titel habe man durch die ständige Konfrontation so verinnerlicht, dass sie wie eine mentale Einkaufsliste fungieren – sich auf andere Werke einzulassen und ungezwungen zu stöbern würde daher immer schwieriger.

Dieses Phänomen ist auch Nina Hugendubel, der geschäftsführenden Gesellschafterin von Hugendubel, aufgefallen: „Kunden suchen bewusst nach der Booktok-Abteilung und wissen oftmals auch schon genau, für welches Buch sie in die Filiale kommen“.

So verändert „Booktok“ den Buchhandel

Zu den beliebtesten Genres bei jungen Lesenden zählen laut Hugendubel vor allem Romance und Fantasy, aber auch moderne Klassiker. Vor allem sei aber ein Trend zu englischsprachigen Büchern zu erkennen und auch Werke mit teilweise weiter zurückliegendem Erscheinungsdatum kämen gut an: Allgemein habe Booktok „einen positiven Einfluss auf den gesamten Buchhandel“. Durch die Konfrontation im Internet steigt besonders bei jungen Menschen wieder das Interesse an Büchern, ohne Tiktok wäre es dazu wohl nicht gekommen.

Leistungsdruck statt Freude am Lesen

Durch den Hype entsteht bei vielen Nutzenden ein regelrechter Leistungsdruck: Wer liest die meisten Bücher, und das auch noch in Rekordzeit? Was ist dein persönliches Leseziel für dieses Jahr? Wer hat sein Buch am ästhetischsten annotiert?

Das kann Ansporn sein, aber nicht jeder hat im Alltag die Zeit, ein Buch nach dem anderen zu lesen. Für viele sind Ziele wie das Lesen von 100 Büchern im Jahr schlichtweg utopisch. Auch muss niemand zwangsläufig Passagen in einem Buch markieren und seine Ausgabe mit Post-Its versehen, um das Buch und die Geschichte genossen zu haben. Manche lesen langsamer, andere schneller, jeder in eigenem Tempo.

Wie nutze ich „Booktok“ also richtig?

Bei aller Kritik kann „Booktok“ auch einfach Spaß machen. Ein paar Leitlinien können bei der Orientierung helfen: Wer sicher gehen will, dass ein Buch interessant genug ist, kann sich viele kurze, zum Teil sogar spoilerfreie Rezensionen anhören – das war vor „Booktok“ so nicht möglich.

Zudem kann der Algorithmus Videos finden, die nach dem Schema „Wenn dir dieses Buch gefallen hat, solltest du dir das hier mal anschauen“, funktionieren. Grundsätzlich bringt „Booktok“ mehr Vor- als Nachteile mit sich, sowohl für Autorinnen und Autoren als auch für Lesende – es kommt ganz darauf an, wie man selbst die App für sich nutzt.

Zurück zum Grundgedanken

Oft wird durch die Diskussionen vergessen, warum „Booktok“ eigentlich zustande kam. Letztlich geht es um die Freude am Lesen und gegenseitige Bücher-Empfehlungen: Nutzende können virtuellen Buchclubs auf der ganzen Welt beitreten, gemeinsam lesen und sich mit Gleichgesinnten austauschen.

Von Emma Schulze


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Über den Autor/die Autorin:

MADS-Team

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