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So schweißtreibend ist der E-Sport

So schweißtreibend ist der E-Sport
Foto:  HAZ

E-Sports wird immer populärer. Das Gaming ist mittlerweile auch im Hochschulsport in Hannover angekommen. Doch ist das nun Sport oder nicht?


Kleine Figuren schießen bunte Lichtstrahlen über das Spielfeld auf dem Monitor. Hoch konzentriert starren Tobias, Tom und Levin auf die Bildschirme. Was zunächst aussieht wie eine LAN-Party, ist der neue Kurs beim Hochschulsport: E-Sport. Jungs, die in ihre Headsets sprechen, ein Coach, der von einem Tisch zum anderen hetzt, und Maus- und Tastaturgeklicke in Rekordgeschwindigkeit. Statt bei Kniebeugen schwitzen Tom, Levin, Tobias und die anderen Studenten beim Strategiespiel „League of Legends“.  Wer den Raum jetzt betritt, versteht erst einmal kein Wort. Denn die E-Sportler haben ihre ganz eigene Sprache, ihr eigenes Vokabular für Strategien und Spielaktionen.

Dass der Hochschulsport der Leibniz-Uni seit Oktober erstmals zwei Kurse im E-Sport anbietet,  liegt nicht zuletzt an Jannik Oppenborn (22). Der Lehramtsstudent hat eine Hochschulgruppe gegründet, die sich für die Interessen der E-Sportler einsetzt. „E-Sport ist mehr als nur zocken“, sagt er. Aber es gebe keine richtige Community oder einen Ort zum Treffen jenseits der Onlinewelt. Wenn die Gruppe weiter wächst, will Jannik gerne auch selbst Events auf die Beine stellen. Aber zunächst ist er auf den Hochschulsport zugegangen.

Hohe Nachfrage spricht für sich

Ob Zauberer, Tierwesen oder Bogenschützen – beim Multiplayer-Spiel „League of Legends“ treten Teams in virtuellen Kampfarenen gegeneinander an. Ziel ist, die gegnerische Basis zu zerstören. Foto: Moritz Frankenberg

„Wir wollten den E-Sportlern eine Plattform bieten“, sagt Kevin Kitsch vom Hochschulsport. Die Nachfrage spricht für sich: Alle Kurse waren sofort ausgebucht, und es gibt sogar Wartelisten. Neben den Kursen für „League of Legends“ stehe bereits das Konzept für „Fifa 2019“, sagt Kevin. Damit E-Sport im Hochschulsport angeboten werden kann, hat er ein spezielles Konzept entwickelt. In den Kursen werde nicht bloß gezockt, sondern auch Theorie gepaukt und die Gesundheit mit Bewegungs- und Entspannungspausen berücksichtigt, sagt er.

30 Folien mit Spieltaktiken hat Coach David-Vincent Liem heute zum „League of Legends“-Kurs mitgebracht. Direkt neben dem Computerzimmer liegt der Besprechungsraum. Dort sitzt der Trainer dann vorne, malt auf seinem Tablet und zeigt den Gruppenmitgliedern, was sie richtig und falsch gemacht haben. David-Vincent ist bereits seit neun Jahren Coach für E-Sport. ­Rund 12 000­ Spielstunden hat er gesammelt und selbst semiprofessionell gezockt. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass es dafür nicht mehr reicht“, sagt er. Weil die Finger nicht mehr schnell genug auf der Tastatur rattern, sitzt er heute auf der anderen Seite und analysiert die Fehler seines Kurses.

Mehr als ein Nischenphänomen

Auf Außenstehende mag E-Sport wie ein Nischenphänomen computerverrückter Nerds wirken. Tatsächlich ist es weltweit  ein Mega-Trend. Schätzungen zufolge begeistern sich in Deutschland rund drei Millionen Menschen fürs Gaming, einige Hundert können zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts damit verdienen. Belastbare Statistiken gibt es aber noch nicht. Neben Onlinevideos und Live-Übertragungen etwa bei Twitch gibt es für professionelles Gaming mittlerweile sogar eine TV-Berichterstattung. Pro 7 Maxx sendet mit „ran Esports“ ein Magazin speziell über Neuigkeiten aus der Szene.

Dass E-Sport nun auch im Hochschulsport in Hannover präsent ist, spiegelt den Aufstieg des organisierten Gamings wider. Neben den Treffen nimmt der Kurs jeden Sonntag auch am Spieltag der Uni-Liga teil. Dort treten die verschiedenen Hochschulen gegeneinander in League of Legends an.

Professionelle E-Sportler trainieren bis zu acht Stunden täglich. Zocken ist dann Vollzeitbeschäftigung. Die Ambitionen der Jungs in der Hochschulgruppe gehen aber nicht so weit. Dafür sind sie viel zu realistisch: „Um richtig Geld zu verdienen, werden wir nie gut genug sein“, sagen sie. Ihr Hauptaugenmerk liege auch immer noch auf dem Studium.

Aber ist das wirklich Sport?

In Deutschland ist umstritten, ob das Zocken als Sport bezeichnet werden sollte. Die Bundesregierung hat die Anerkennung von Gaming als Sportart zwar in den Koalitionsvertrag geschrieben, das aber noch nicht umgesetzt. Im Ausland sieht das mitunter anders aus: In Korea etwa wird E-Sport staatlich gefördert. Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ziert man sich noch etwas. In einer neuen Positionierung unterscheidet der DOSB zwischen elektronischen Sportsimulationen und E-Gaming. Unter E-Gaming versteht die Organisation das „wettkampfmäßige Spielen von Computerspielen aller Art“. Das E-Gaming, zu dem auch „League of Legends“ zählt, wird dabei nicht als eigenständige sportliche Aktivität angesehen.

Seit Spieler mit E-Sport Geld verdienen, werden aber auch andere Elemente aus Sportarten übernommen: Testspiele, Trainer und Psychologen. Weil sich das Geschäft mit dem E-Sport lohnt, steigen immer mehr große Sportvereine wie der VfL Wolfsburg ein. Vor allem professionelle Spieler müssten körperlich und geistig top in Form sein, sagt der Student Jannik. Denn während der etwa halbstündigen Spiele sind sie großer Anspannung ausgesetzt.

Verbände wie der E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) machen deshalb Druck. Die sportliche Leistung von E-Sportlern besteht laut ESBD darin, dass sie die Eingabegeräte richtig bedienen sowie das Spiel taktisch durchschauen und gleichzeitig schnell reagieren müssen. Außerdem würden Werte wie Toleranz und Fairness vermittelt, erklärt ESBD-Präsident Hans Jagnow. „E-Sport übernimmt die gleichen gesellschaftlichen Aufgaben wie der traditionelle Sport“, sagt er.

Dieser Meinung ist auch Jannik von der Hochschulgruppe. „Es sollte definitiv als Sport anerkannt werden.“ Doch die Vorurteile halten sich noch beständig. Wenn Trainer David-Vincent erzähle, dass er E-Sport-Kurse an der Uni gebe, käme immer die gleiche ungläubige Reaktion. „Es ist schade, dass wir immer noch belächelt werden für unsere Leidenschaft“, sagt der Lehramtsstudent.


„Das Interesse ist riesig“ – Das sagt Hannover 96 zur Aufnahme des E-Sports

Christoph Heckmann, stellvertretender Leiter Medien & Kommunikation Hannover 96

Christoph Heckmann, stellvertretender Leiter Medien & Kommunikation Hannover 96

Herr Heckmann, das Interesse für E-Sport ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Ist das für Hannover 96 als Sportverein auch ein Thema?

Definitiv. Das Interesse ist riesig, und es gibt immer mehr Professionalisierung in dem Bereich. Wir haben letzte Saison zum ersten Mal an der Virtuellen Bundesliga (VBL) teilgenommen – einer E-Sport-Liga, in der „Fifa“ gespielt und die offiziell von der Deutschen Fußball Liga veranstaltet wird. Je einen Spieler an der X-Box und an der Playstation durften wir ins Rennen schicken. Um die zu ermitteln, haben wir im Februar dieses Jahres ein Qualifikationsturnier ausgetragen, an dem jeder teilnehmen konnte. Unser damaliger Playstation-Spieler Erol Bernhardt hat es dann später sogar bis ins Finalturnier um die deutsche Meisterschaft geschafft.

Der VfL Wolfsburg, der FC Schalke 04 und RB Leipzig haben schon eine eigene Sparte für E-Sport. Plant 96 nachzuziehen?

Derzeit haben wir einen Mitarbeiter, der für E-Sport verantwortlich ist. Er ist sehr umtriebig und schaut sich alle Optionen an, die 96 auf diesem Feld hat. Zukünftig würden wir eine E-Sport-Sparte nicht ausschließen. Die Deutsche Fußball Liga pusht das Thema durch das Einführen der VBL sehr – und wir gucken, wie sich das in der näheren Zukunft entwickelt.

96 rekrutiert auch Laienspieler als E-Sportler. Oftmals ist E-Sport in der VBL Profispielern vorbehalten. Was denken Sie: Wäre der E-Sport bald auch als Breitensport denkbar?

Das stimmt. Es entsteht sogar ein kleiner Transfermarkt für E-Sportler. E-Sport kann also als Profisport bezeichnet werden. Theoretisch wäre für Hannover 96 auch die Gründung einer Breitensport-Sparte denkbar, jedoch müsste E-Sport dafür zunächst als Sport anerkannt werden. Der DOSB hat sich allerdings jüngst deutlich dagegen positioniert. Aber an Interessenten würde es nicht mangeln: Begeisterte Konsolenspieler gibt es massenhaft.


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